Geschäftsstillstand aufgrund von Corona - 13. Mai 2020

Betriebe vor der Kapitulation

Für so manches Unternehmen wird die aktuelle Pandemie das Ende der geschäftlichen Aktivität bedeuten. Davon muss man bei objektiver Betrachtung leider ausgehen. Wenn die Uhr fünf nach zwölf anzeigt, hilft nur noch eine ehrliche und schonungslose Bestandsaufnahme.

Bei der Erarbeitung eines Sanierungskonzepts darf es keine Tabus geben. Alle Unternehmensteile beziehungsweise -standorte müssen infrage gestellt werden. Ziel muss sein, eine Struktur zu formen, die über die Wettbewerbsfähigkeit verfügt, die in der jeweiligen Branche verlangt wird. Zudem muss die finanzielle Grundausstattung vorhanden sein, um überhaupt eine reelle Chance zu haben, sich in den kommenden 18 bis 36 Monaten zu beweisen und zu festigen. Weitere Details hierzu finden Sie im DATEV-Artikel „Die Zeichen der Zeit erkennen“. Denn falls die Sanierungsmaßnahmen zu halbherzig sind oder die finanzielle Grundausstattung für die Zukunftslösung zu mager bemessen ist, wird eine weitere Schieflage des Unternehmens in naher Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zu vermeiden sein. Aus diesem Grund muss nüchtern, sachlich und vor allem ehrlich beurteilt werden, ob eine Fortführung nachhaltig möglich und auch sinnvoll ist. Denn eine fehlgeleitete Sanierung führt regelmäßig zu einer noch größeren Vernichtung von Firmen- oder Familienvermögen. Und die Möglichkeiten einer Sanierung inner- oder außerhalb  eines Insolvenzverfahrens werden umso kleiner.

Insolvenzantrag

Bereits das Stellen des Insolvenzantrags ist – nüchtern betrachtet – ein Sanierungsinstrument. Gleichwohl ist die Bereitschaft, das so zu sehen, eher gering ausgeprägt. Das mag darin begründet sein, dass Insolvenzen in der Vergangenheit eher selten zu einem Zeitpunkt angemeldet wurden, als es dem Unternehmen noch soweit gut ging, als man es, ohne ein größeres Wunder bemühen zu müssen, noch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit hätte retten können. Daher muss jeder selbst abwägen, wann man den Zeitpunkt für gekommen sieht, ab dem eine außerinsolvenzliche Sanierung nicht mehr möglich erscheint. Die Definition, unter welchen, auch rechtlichen Kriterien das der Fall ist, sollte zu Beginn aller Bemühungen erfolgen, um eine rote Linie definiert zu haben, ab der ein Insolvenzantrag konkret zu stellen ist und durch die zuständige Geschäftsleitung dann auch gestellt wird. Sobald über das Ob eines Insolvenzantrags entschieden wurde, ist es mit Blick auf die Sanierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens von Vorteil, schon bestimmte Maßnahmen der Vorbereitung getroffen zu haben.

Fragen an den steuerlichen Berater

Wird der Insolvenzantrag konkret erwogen, bietet es sich an, vorab zu klären, ob eine Zahlung von fälligen Steuern vor Antragstellung beziehungsweise von vor Antragstellung entstandenen und erst danach fällig werdenden Steuern in Betracht kommt. Falls ja, sollte dies in einer gegebenenfalls später anfechtbaren Form erfolgen; denn es besteht die Gefahr eines bösgläubigen Verhaltens gegenüber den Steuerbehörden. Zu klären ist auch die Frage, ob sich für die Geschäftsleitung Risiken daraus ergeben könnten, fällige Steuern zu zahlen beziehungsweise nach Antragstellung entstehende und fällig werdende Steuern nicht zu zahlen? Darüber hinaus könnte im Rahmen des Insolvenzantrags ein spezieller Antrag mit Blick auf steuerrechtliche Besonderheiten sinnvoll sein. Schließlich sind die besonderen Aspekte im Falle einer umsatzsteuerlichen Organschaft zu beachten: sollte der Ergebnisabführungsvertrag vor dem Insolvenzantrag noch aufgehoben werden? Bestehen Risiken in der vorläufigen Insolvenz- oder Eigenverwaltung aufgrund der speziellen Konstellation einer Organschaft? Welche Gesellschaft im Unternehmensverbund zahlt nach Antragstellung die Steuern? Sofern der steuerliche Berater auf all diese Aspekte keine fundierten Antworten geben kann, ist die Hinzuziehung eines externen Fachmanns für alle Beteiligten geboten, um eine potenzielle Haftung zu vermeiden.

Übertragende Sanierung

Das Insolvenzverfahren bietet eine Reihe von Instrumenten, mit denen ein Überleben der Firma beziehungsweise wenigstens von Teilbereichen doch noch ermöglicht werden kann. Durch rechtliche Rahmendaten ist in der Regel eine Trennung des operativen Betriebs mit seinen Arbeitnehmern, dem Anlagevermögen sowie der Betriebs- und Geschäftsausstattung und des immateriellen Know-hows von den Altverbindlichkeiten möglich. Dies erfolgt überwiegend durch eine übertragende Sanierung auf einen neuen Rechtsträger im Rahmen eines Asset-Deals an einen zumeist neuen Investor. Dieser erwirbt  mit Zahlung des Kaufpreises das für die operative Fortführung erforderliche An- und Umlaufvermögen. Für Altverbindlichkeiten haftet der Investor nicht.

Insolvenzplan

Ob dabei der oder die Altgesellschafter zum Zuge kommen oder aber Fremde die Firma übernehmen, hängt auch vom Grad der Vorbereitung ab. Wurde ein rechtzeitiger Insolvenzantrag gestellt, der einen Handlungsspielraum verspricht, und verfügen die Altgesellschafter selbst noch über finanzielle (Rest)Reserven, wäre ein Insolvenzplan, bei dem die Gläubiger über einen Teil- oder Vollerlass der Altverbindlichkeiten abstimmen, denkbar. Mit Hilfe eines derartigen Insolvenzplans kann eine nachhaltige Sanierung gelingen, bei der die bisherigen Eigentumsverhältnisse bestehen bleiben. Kernelement dabei ist der Erlass eines ausreichend großen Anteils der ursprünglichen Verbindlichkeiten des Unternehmens (Entlastung der Passivseite) – bewirkt durch ein gerichtliches Verfahren. Derart entlastet sollte es dem angeschlagenen Betrieb möglich sein, wieder operativ fortbestehen zu können. Die Bereitschaft der Gläubiger, diesen Sanierungsbeitrag zu leisten, ist Grundvoraussetzung für eine derartige Planinsolvenz. Dabei bedarf es lediglich einer Kopf- und Summenmehrheit der hierzu berechtigten Gläubiger.

Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren

Bei diesem Verfahren werden Elemente des zuvor beschriebenen Insolvenzplans mit dem Umstand gekoppelt, dass die bisherige Führung des Unternehmen die Geschäftsführung weiter aktiv inne hat. Die insolvenzrechtlich beigestellten Orange haben rein überwachende Funktionen. Somit behält die Geschäftsleitung weiterhin ein sehr hohes Maß an dispositiver Führungsgewalt. Dies ist wichtig für die Wahrnehmung im Innen- und Außenverhältnis. Die Schutzschirmregelung oder eine Insolvenz in Eigenverwaltung runden das heute bestehende Instrumentarium rund um eine Insolvenz weiter ab. Das Wissen darüber sollte bei jedem Steuerberater wenigstens soweit reichen, dass die jeweilige Wirkungsweise zumindest in groben Zügen bekannt ist. Ferner sollte ein insolvenzrechtlich versierter Berufskollege oder Rechtsanwalt noch zum Netzwerk des steuerlichen Beraters gehören, auf den bei Bedarf zurückgegriffen werden kann. Eine völlige Neuorientierung sowohl mit den insolvenzrechtlichen Grundlagen als auch einem hinzugezogenen Insolvenzberater führt regelmäßig zu anfänglichen Hemmnissen, da erst Grundsätzliches vermittelt und zudem Vertrauen zwischen den Akteuren aufgebaut werden muss. Um gemeinsam, schnell sowie zielorientiert agieren zu können, ist es daher sachdienlich, diese Schritte zwischen Steuer- und Insolvenzberater bereits im Vorfeld durchlaufen zu haben.  

Frühzeitig agieren

Im Rahmen der Krisenbewältigung ist eine frühzeitige Disposition in den meisten Fällen entscheidend für den gewünschten Erfolg. Daher ist es ratsam, noch während der laufenden außerinsolvenzlichen Sanierung Vorbereitungen für einen gegebenenfalls rasch zu stellenden Insolvenzantrag zu treffen. Konkret geht es um den Antrag selbst, der bei genauerer Betrachtung ein sehr umfangreiches Formular- und Anlagenwerk in Form von Bilanzen, Mitarbeiterlisten, Offene-Posten-Aufstellungen sowie einer Beschreibung der Unternehmenstätigkeit usw. erfordert und keinesfalls mit der heißen Nadel gestrickt werden sollte. Parallel durchgeführte Überlegungen, ob ein erfolgreich durchgeführter Insolvenzplan Chancen hätte, sind auch vor dem Hintergrund sinnvoll, dass die außerinsolvenzliche Sanierung mit ihren Kosten beziehungsweise Lösungen den Wirkungen des Insolvenzplans gegenübergestellt werden kann, ja sogar sollte. Erst ein derartiger Vergleich ermöglicht es zu beurteilen, welches Sanierungsinstrument unter Abwägung aller Fakten die sinnvollste Entscheidung darstellt. Sollte die Wahl auf den Insolvenzplan fallen, ist hier frühzeitig ein entsprechendes Fundament zu legen.

Konsequenzen bei verspätetem Antrag

Die aktuelle Rechtsprechung legt den Fokus auf eine verschärfte Haftung der Beteiligten – speziell die des Geschäftsführers einer GmbH, der nach Insolvenzreife des Unternehmens noch bezahlte Rechnungen von Dienstleistungen sowie bestimmte Lieferantenrechnungen selbst an die Insolvenzmasse zurückerstatten muss, sofern die Zahlungen vom Kontoguthaben bei der Bank oder aus der Kasse erfolgten. Und auch der steuerliche Berater ist bei insolvenznahen Mandaten nunmehr ganz anderen Haftungsrisiken ausgesetzt, als das noch vor ein paar Jahren der Fall war. Es ist allen Beteiligten dringend anzuraten, aus einer Krise, die zu einer Sanierung führt, keine Insolvenzverschleppung werden zu lassen. Die Möglichkeiten, dafür persönlich belangt zu werden, sind für die Unternehmensführung sowie den steuerlichen Berater jetzt nicht mehr nur theoretischer Natur, sondern mittlerweile konkret und werden in der Praxis auch zunehmend angewandt. Daher bedarf es einer speziellen Schulung, um die rote Linie zu erkennen. Details hierzu finden Sie in dem DATEV-Artikel „D-Day für Steuerliche Berater“.

Fazit und Ausblick

Die Auswirkungen der Corona Pandemie werden für nicht wenige Unternehmen das Ende ihres Geschäftsbetriebs bedeuten. Betroffen von dieser Entwicklung sind nicht nur Hotels und Gaststätten, sondern auch andere Branchen, die aufgrund der Betriebseinschränkungen – selbst völlig unverschuldet – einen wirtschaftlichen Kollaps erleiden. Wenn das Stadium der Insolvenz erreicht ist, hilft nur noch eine deutliche, ehrliche und vor allem schonungslose Bestandsaufnahme. Hier, spätestens hier, ist der steuerliche Berater gefordert, alle denkbaren Instrumente einer Sanierung anzusprechen und dem betroffenen Unternehmen die Optionen zu erläutern, die sich nach dem Insolvenzantrag ergeben.

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Zum Autor

Markus Wohlleber

Steuerberater, Dipl.-Betriebs­wirt (FH), Bank­kauf­mann, Fach­be­rater für San­ie­rung und In­sol­venz­ver­wal­tung (DStV) in der Steuer­be­ra­tungs­kanzlei Wohl­leber in Nürn­berg, Haß­furt und Frankfurt/M.

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