Aktives Handeln in Zeiten von Corona - 20. April 2020

Die Stunde der Berater

Gleich, ob es darum geht, Kurzarbeitergeld oder Verdienstausfallentschädigungen zu beantragen, Sozialversicherungsbeiträge zu stunden oder mit Blick auf staatliche Hilfspakete zu beraten – jetzt kommt es auf jeden Berufsträger an, der die Unternehmen steuerlich begleiten kann.

Die deutsche Wirtschaft steht vor der umfassendsten Prüfung ihrer Standfestigkeit seit dem Zweiten Weltkrieg. Weder der Ölpreisschock in den 1970er Jahren noch die Finanzkrise 2008/2009 haben mit solcher breitflächigen Wirkung unsere ökonomischen Grundfesten bedroht. Von Seiten der politischen Führung wurde die von der Pandemie ausgehende weitreichende Gefahr, insbesondere für kleine Unternehmen und Mittelständler, erkannt und mit einer Reihe von Gegenmaßnahmen erwidert. Nun ist vor allem der steuerliche Berater gefordert, seine volle Kompetenz zur Krisenbewältigung zu mobilisieren und gemeinsam mit dem Mandanten die jeweilige Entwicklung zu verfolgen und ihm unterstützend zur Seite zu stehen. Vergleichbar dem Bild eines Arztes, der von Patientenbett zu Patientenbett läuft und nach der Runde wieder beim ersten Patienten von Neuem beginnt, muss der steuerliche Berater im Rahmen einer engmaschigen Begleitung seiner Mandanten das absolut Erforderliche leisten. Dabei sind die nachfolgenden Maßnahmen das Gebot der Stunde.

Kurzarbeitergeld (KUG)

Die rückwirkend zum 1. März 2020 verbesserte Regelung zum Kurzarbeitergeld stellt eine der wichtigsten Säulen der Gegenmaßnahmen dar. Derzeit wird von führenden Fachverbänden angenommen, dass bis zu sechs Millionen Arbeitnehmer – zumindest temporär – von der Kurzarbeit betroffen sein werden. Die Beantragung ist Dank der vielfältigen Erläuterungen, bis hin zu Erklärvideos, nunmehr keine allzu große Hürde mehr. Die monetäre Wirkung des Kurzarbeitergelds (KUG) ist mit der des regulären Arbeitslosengelds vergleichbar. Betroffene Arbeitnehmer haben mit 60 Prozent beziehungsweise bei mindestens einem Kind im Haushalt mit 67 Prozent des ursprünglichen Nettogehalts zumindest eine Grundabsicherung. Die Nettoeinbuße wird bei Betroffenen im Niedriglohn-sektor empfindliche Wirkungen auslösen, da selbst die Einbuße weniger 100 Euro hier ganz klar zu erheblichen Alltagsproblemen führt. Daher wird in diesem Bereich eine unternehmensseitige und in dieser Form freiwillige Aufstockung des KUG durch Leistungen des Arbeitgebers zu empfehlen sein, damit die Arbeitnehmer nicht gezwungen sind, sich anderweitige Arbeitsplätze zu suchen. Die Sicherstellung des vorhandenen Mitarbeiterbestands wird am Ende der Corona-Krise bedeutsam sein für das Wiederanfahren des wirtschaftlichen Betriebs. Daher sollte genau hingesehen werden, ob die Mitarbeiter mit dem KUG allein zurechtkommen. Eine emotionale Komponente des Helfens, wo Hilfe erforderlich ist, wird unter Umständen auch eine positive Wirkung auf Loyalität der Mitarbeiter zu ihrem Unternehmen haben – ein nicht zu unterschätzender und bedenkenswerter Aspekt.

Sozialversicherungsbeiträge stunden

Eine weitere sinnvolle Maßnahme zur Sicherung der vorläufigen Liquidität ist die nunmehr akzeptierte Stundung der Sozialversicherungsbeiträge bei den jeweils zuständigen Krankenkassen. Diese Stundung ist formlos, etwa wie folgt möglich:
Wir beantragen in Folge der negativen Auswirkungen der Pandemie die Stundung und Aussetzung der Vollziehung der Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 76 SGB IV für März und April 2020 bis auf Weiteres. Bitte nehmen Sie keine fälligen Lastschriften vor (Beendigung des SEPA-Mandats). Zudem ersuche ich Sie, wie von der Bundesregierung vorgesehen, von der Erhebung von Zinsen und Säumniszuschlägen abzusehen.
Die gestundeten Beträge werden in Abstimmung mit den Krankenkassen zu einem späteren Zeitpunkt fällig. Daher ist es äußert wichtig, den Überblick über offene Zahlungsverpflichtungen zu behalten. Ob zu einem späteren Zeitpunkt nach der Pandemie eine Sofortzahlung aller offenen Beträge oder eine laufzeitstreckende Ratenzahlungsvereinbarung mit den Krankenkassen geschlossen werden kann, bleibt abzuwarten. Daher die Liquidität im Auge behalten.

Verdienstausfallentschädigung beantragen

Durch die angeordneten Quarantänemaßnahmen sind viele Arbeitnehmer ebenfalls daran gehindert, ihrer regulären Arbeit nachzugehen. Für derartige Fälle besteht ein Erstattungsanspruch gemäß § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG), für einen Zeitraum von maximal sechs Wochen. Betroffene Arbeitnehmer erhalten im Rahmen der Lohnfortzahlung den regulären Gehaltsanspruch durch den Arbeitgeber abgerechnet. Im Gegenzug ergibt sich für den Arbeitgeber ein Erstattungsanspruch in dieser Höhe gegenüber der zuständigen Landeregierung. Entschädigungs- und Erstattungsanträge sind innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Einstellen der untersagten Tätigkeit bei der Landesregierung einzureichen, in deren Regierungsbezirk der Arbeitsplatz des Betroffenen liegt. Antragsformulare können bei der zuständigen Regierung auf deren Homepage heruntergeladen werden.

Staatliche Hilfspakete

Die staatlichen Hilfspakte im Rahmen der Soforthilfe sind eine weitere, wichtige Säule aller Maßnahmen in der Corona-Krise. Der einfach zu stellende Antrag sowie die nachweislich schnelle Bearbeitung und Auszahlung der Hilfspakete schaffte zusätzliches Vertrauen in die Wirksamkeit der Maßnahmen. Die Landeshilfen – in Bayern 5.000 bis 30.000 Euro – beziehungsweise die Bundeshilfe von 9.000 bis 15.000 Euro sind als Unterstützung angelegt, die nicht zurückgezahlt werden muss. Wichtig ist, dass die Programme von Bund und Ländern nicht getrennt, sondern gemeinsam betrachtet werden müssen. Wenn also ein Unternehmer zum Beispiel in Bayern einen Zuschuss von 5.000 Euro erhalten hat und er die Voraussetzungen des Bundesprogramms in Höhe von 9.000 Euro erfüllt, steht ihm noch der übersteigende Betrag in Höhe von 4.000 Euro zu. Der entsprechende Hinweis in den Bewilligungsbescheiden – an dieser Stelle für Bayern – lautet:
Die Soforthilfe des Freistaats Bayern wird auf einen möglicherweise parallel dazu bestehenden Anspruch auf Soforthilfe aus dem Bundesprogramm angerechnet. Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten können – sofern die bewilligten Mittel aus der Soforthilfe den entstandenen Liquiditätsengpass nicht vollständig kompensieren – gegebenenfalls einen Aufstockungsantrag aus dem Bundesprogramm stellen. Nähere Informationen dazu finden Sie unter https://www.stmwi.bayern.de/soforthilfe-corona/.

Allerdings stellen diese Hilfen keine Allgemeinverfügung dar. Antragsberechtigt ist nur der Betrieb, der einer unmittelbaren Gefährdung seiner Liquidität ausgesetzt ist, allein ausgelöst durch die Pandemie. Diese Liquiditätsgefährdung wäre zudem erst bei einem solchen Umsatzeinbruch gegeben, wenn, bezogen auf einen Drei-Monats-Zeitraum, eine Unterdeckung vorliegt. Der anfänglich geforderte Einsatz von privaten Mitteln wurde zwischenzeitlich fallen gelassen. Nicht wenige Unternehmer dürften womöglich die Option der Antragstellung gleichgesetzt haben mit der Annahme, selbst berechtigt zu sein. Prüfungen sowie mit drei Prozent über dem Basiszins verzinste Rückforderungen können die Folge sein. Das sollte in jedem Fall mit bedacht werden. Ob die Soforthilfen mit den derzeitigen Auszahlungsgrößen genügen, um die negativen Auswirkungen der Pandemie auszugleichen, ist fraglich. Klar ist, dass sie lediglich eine erste finanzielle Hilfsmaßnahme sein können. Weiter beachtenswert ist der Umstand, dass die Zahlungen aus den Soforthilfeprogrammen gewinnrelevante Zuflüsse sind und somit zum steuerpflichtigen Einkommen zählen. Hier wird also auf eine korrekte Verbuchung bereits in der laufenden FIBU zu achten sein, damit keine Überraschungen bei der Steuerberechnung drohen. Diese Erkenntnis muss die Mandantschaft zum richtigen Zeitpunkt bekommen, erst später, beim Jahresabschluss, das wäre verfehlt.

Darlehen der Förderbanken

Die eigentliche Liquiditätssicherung soll nach dem Willen der Politik durch Kreditmittel der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und beispielsweise der Landesanstalt für Aufbaufinanzierung (LfA) abgedeckt werden. Die Kreditmittel sollen mit Haftungsfreistellungen gegenüber den dies beantragenden Hausbanken in Höhe von 80 Prozent, vereinzelt sogar 90 Prozent, zugeteilt werden. Nicht wenige Unternehmen beklagen aber, dass die für die Antragstellung zuständigen Hausbanken die Kreditanfragen bis dato sehr formal bearbeiten. Formal insoweit, dass weiterhin die strengen Kreditvergaberegelungen der sogenannten BASEL-Normen angewandt werden. Daher fällt es vielen Betrieben derzeit schwer, die Antragsberechtigung für einen Hilfskredit zu erfüllen. Zudem wurde angemerkt, dass die Banken selbst bei einer Haftungsfreistellung von 80 Prozent nicht erfreut waren, die verbleibenden 20 Prozent Risiko auf die eigene Kappe zu nehmen. Eine vollwertige Absicherung des Restrisikos der Hausbanken durch die Unternehmen ist derzeit aber nicht überall möglich. Daher kann diese Hilfsmaßnahme unter Umständen gar nicht greifen, mit der Folge, dass die Liquidität des Betriebs beziehungsweise das gesamte Unternehmen gefährdet wäre. Deshalb sollte frühzeitig mit der Hausbank geprüft werden, ob das Potenzial für eine mögliche Kreditbewilligung besteht. Frühzeitig bedeutet hier sofort.

Stundungen von Steuerzahlungen

Die Finanzverwaltung wurde bereits sehr frühzeitig angewiesen, in großzügigem Maße aktuell anstehende Steuerzahlungen zu stunden. Entsprechende Verlautbarungen des Bundesministeriums der Finanzen liegen den regionalen Finanzämtern als Anweisung vor. Die bisherige Praxis bestätigt die Ankündigungen. Es sind nahezu alle, allerdings explizit nicht die Lohnsteuer, derzeit fälligen Steuerzahlungen, also auch Ertragsteuer- oder Umsatzsteuer-Vorauszahlungen, mittels im Internet abrufbaren Standardvorlagen zu stunden. Gleiches gilt auch für die Gewerbesteuer. Eine weitere Entlastung ist die zu beantragende Rückgewähr der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung, die über eine Dauerfristverlängerung erfolgt. Auch diese Rückgewähr ist zwischenzeitlich mittels einfachem Antrag bei der zuständigen Finanzkasse möglich. Angenehmer Nebeneffekt: Die Dauerfristverlängerung bleibt bestehen und verschafft wertvolle Zeit. Bezüglich der Steuerstundungen muss aber bedacht werden, dass diese nicht unbegrenzt gewährt werden. Daher ist eine vorbehaltslose Auseinandersetzung mit noch zu zahlenden Steuern und Abgaben im Rahmen eines Liquiditätsplans erforderlich, um nicht den Überblick zu verlieren.

Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Da die meisten kleinen und mittelständischen Betriebe aufgrund der Corona-Krise zwangsläufig in wirtschaftliche Schieflage geraten werden, war es mit Blick auf das Insolvenzrecht erforderlich, durch eine schnelle gesetzliche Regelung die schlimmsten Folgewirkungen wenigstens abzumil-dern. Diese Entlastungsregelung wurde mit dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVIn-sAG) erfreulich schnell etabliert. Trotz der im neuen Gesetz enthaltenen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht besteht für alle Unternehmen quasi die Pflicht, alle unternehmerischen Rahmendaten permanent einer Prüfung zu unterziehen, ob mit Blick auf die beiden wichtigen Stichtage – dem 1. Oktober 2020 und dem 1. April 2021 – davon ausgegangen werden darf, die Insolvenzantragspflicht auch nach dem Ende der Pandemie zu verneinen. Insoweit kommt es nun auf die besonderen Fürsorge- und Hinweispflichten des steuerlichen Beraters an, die wirtschaftliche Lage seiner Mandantschaft individuell zu beurteilen und gegebenenfalls auf eine doch bestehende Insolvenzantragspflicht hinzuweisen. Ebenfalls geboten ist, die Jahresabschlüsse zeitnah zu erstel-len, da nach einer Verlautbarung der Bundessteuerberaterkammer bei existenzgefährdeten Unternehmen zwischen dem Bilanzstichtag und der Aufstellung des Jahresabschlusses regelmäßig zwei, längstens aber nur drei Monate vergehen dürfen. Vor dem weitüberwiegenden Bilanzstichtag des 31. Dezember wäre dies aktuell der 31. März 2020. Sofern man als Steuerberater nicht damit vertraut sein sollte, gefährdete Mandate zu beurteilen, ist es in der aktuellen Krise in jedem Fall geboten, einen auf das Insolvenzwesen spezialisierten (Co)Berater hinzuzuziehen. Alles andere wäre unprofessionell beziehungsweise unter Umständen sogar fahrlässig.

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Zum Autor

Markus Wohlleber

Steuerberater, Dipl.-Betriebs­wirt (FH), Bank­kauf­mann, Fach­be­rater für San­ie­rung und In­sol­venz­ver­wal­tung (DStV) in der Steuer­be­ra­tungs­kanzlei Wohl­leber in Nürn­berg, Haß­furt und Frankfurt/M.

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