Steuerberater und Anwälte in Zeiten von Corona - 15. April 2020

Bestandteil der kritischen Infrastruktur?

Aufgrund der aktuellen Ausgangsbeschränkungen fragen sich viele Steuerberater und Rechtsanwälte: Dürfen wir noch Mandanten in der Kanzlei empfangen? Sind wir systemrelevant? Oder unterliegen wir nun einem vorübergehenden Berufsverbot?

Ob Steuerberater und Rechtsanwälte beruflichen Einschränkungen unterliegen, richtet sich zunächst einmal nach dem Infektionsschutzgesetz des Bundes (IfSG). Danach kann die zuständige Behörde je nach Erfordernis zur Bekämpfung von ansteckenden Krankheiten Schutzmaßnahmen (§ 28 IfSG), Quarantäne (§ 29 IfSG) sowie Berufs- und Tätigkeitsverbote (§ 31 IfSG) anordnen. Zur Umsetzung dieser Maßnahmen ermächtigt § 32 IfSG die Landesregierungen. Diese sollen „Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten […] erlassen“.
Angesichts der Corona-Pandemie haben die meisten Länder in enger Abstimmung mit dem Bund Ende März solche Schutzmaßnahmen angeordnet. Interessant für die Zulässigkeit persönlicher Mandantenbesprechungen sind insbesondere zwei Regelungen: die vorläufigen Ausgangsbeschränkungen und Betriebsbeschränkungen, wie sie beispielsweise die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 27. März 2020 (BayIfSMV) enthält, die vorläufig bis zum 19. April 2020 in Kraft ist. Entsprechende Beschränkungen wurden auch in den meisten anderen Bundesländern angeordnet. Berufsbezogene Beschränkungen enthält – für Bayern – ausschließlich § 2 BayIfSMV. Danach dürfen keine Einrichtungen mehr betrieben werden, die der Freizeitgestaltung dienen. Dazu zählen beispielsweise Gastronomiebetriebe jeder Art, Sportstätten, Vergnügungsstätten oder kulturelle Einrichtungen. Steuerberater und Rechtsanwälte sind aber von derartigen Betriebsbeschränkungen gerade nicht erfasst. Im Umkehrschluss gilt: Steuerberater und Rechtsanwälte unterliegen keinem generellen Berufsverbot. Sie dürfen ihre Tätigkeit auch während der Ausgangsbeschränkungen fortführen. Auch die übrigen Bundesländer haben keine Berufsbeschränkungen angeordnet, die Steuerberater und Rechtsanwälte betreffen.

Dürfen die Berater noch in ihrer eigenen Kanzlei arbeiten?

Auch hier richtet sich der Blick auf die Maßnahmen der einzelnen Länder. So untersagen es die Regelungen der meisten Bundesländer jedem, die eigene Wohnung zu verlassen, sofern kein triftiger Grund vorliegt. Als triftigen Grund gelten insbesondere:

• die Ausübung beruflicher Tätigkeiten
• Besuche von Ärzten und anderen Therapeuten
• Einkäufe zur Deckung des täglichen Bedarfs
• Besuch der Lebenspartner
• Sport und Bewegung an der frischen Luft

Da die Regelungen der meisten Länder die Ausübung beruflicher Tätigkeiten ausdrücklich erlauben und Steuerberater und Rechtsanwälte, wie oben erläutert, keinem vorübergehenden Berufsverbot unterliegen, folgt: Rechtsanwälte und Steuerberater dürfen sich – auf direktem Weg – in ihre Kanzlei begeben, um dort ihrer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Sie verstoßen dabei nicht gegen die vorläufige Ausgangsbeschränkung. Das gilt auch für alle dort angestellten Personen. Denn auch sie gehen ihrer beruflichen Tätigkeit nach. Zu empfehlen ist aber, dass jeder – gleich ob Kanzleiinhaber oder Angestellter – einen aussagekräftigen Nachweis mit sich führt, dass er die Wohnung aus beruflichen Gründen verlässt. Das beschleunigt eine etwaige Polizeikontrolle erheblich. Angestellte können zum Beispiel eine Bestätigung des Arbeitgebers mit sich führen. Bei Kanzleiinhabern wird sicherlich die Visitenkarte oder der Briefkopf genügen. Der Ausdruck eines Handelsregisterauszugs oder eines Gesellschaftsvertrags wäre meines Erachtens übertrieben. Zu beachten ist dennoch: Wird ein Kanzleiinhaber oder Mitarbeiter positiv auf das Corona-Virus getestet, hat der untersuchende Arzt dies der zuständigen Behörde nach § 7 IfSG zu melden. Aber auch bereits bei Verdachtsfällen besteht eine Meldepflicht nach § 6 IfSG. Eine festgestellte Infektion wird weitreichende Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Infektionen nach sich ziehen. Angefangen von der Schließung einzelner Gebäudeteile über die Quarantäne derjenigen Personen, die Kontakt zum Infizierten hatten bis hin zur vorübergehenden Schließung eines gesamten Betriebs ist – im Rahmen des behördlichen Ermessens – alles denkbar.

Dürfen die Berater noch Mandanten empfangen?

Ganz anders als die Frage der Berufsausübung zu beurteilen, ist der persönliche Empfang von Mandanten in den Kanzleiräumen. Natürlich gilt auch für Mandanten die zuvor genannte vorläufige Ausgangsbeschränkung. Wenn sich jedoch ein Mandant in die Kanzleiräume begibt, verlässt er seine Wohnung gerade nicht, um seine berufliche Tätigkeit auszuüben. Daher wird es im Einzelfall darauf ankommen, ob für den persönlichen Besuch des Mandanten in der Kanzlei ein triftiger Grund besteht oder ob eine Besprechung auch am Telefon, schriftlich oder per Videoübertragung erfolgen kann. Gerade aufgrund der mittlerweile weitreichenden technischen Möglichkeiten dürfte eine persönliche Besprechung in Anwesenheit nur in sehr speziellen Fällen unausweichlich sein. Dazu fallen mir auf Anhieb ein:

• besonders vertrauliche Angelegenheiten, die eine Fernkommunikation ausschließen (zum Beispiel Straf- und Steuerangelegenheiten),
• umfangreiche, gemeinsam zu sichtende Unterlagen, deren Erläuterung eine persönliche Besprechung erfordert.

Das allein genügt aber noch nicht. Die persönliche Besprechung muss gerade jetzt, während der vorübergehenden Ausgangsbeschränkung zwingend notwendig sein. Dazu zählen vor allem unaufschiebbare Maßnahmen, wie etwa Unterhaltssachen, sonstige Eilsachen oder drohende Fristversäumnisse. Besprechungen, die ohne größere Nachteile auch einige Wochen später erfolgen können, fallen demnach aus dem Raster. Auch hier gilt schon das oben Erläuterte: Gerät ein Mandant in eine etwaige Polizeikontrolle, sollte er plausibel erläutern können, weshalb er zwingend die Wohnung für den Besuch beim Steuerberater oder Rechtsanwalt verlassen muss.

Im Ausnahmefall nie ohne Mindestabstand

Ganz gleich, ob nur Berufsträger und ihre Angestellten oder auch Mandanten in der Kanzlei zugegen sind: Alle Anwesenden müssen zwingend den vorgeschriebenen Mindestabstand zu allen anderen Anwesenden einhalten. So schreibt § 4 Abs. 1 S. 2 BayIfSMV vor: „Wo immer möglich, ist ein Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,5 m einzuhalten.“ Auch vergleichbare Regelungen der anderen Bundesländer enthalten im Wesentlichen die gleiche Anordnung zur Einhaltung des Sicherheitsabstands.

Systemrelevanz und kritische Infrastruktur

Fast alle Länder haben nicht nur vorübergehend sämtliche Schulen geschlossen, sondern auch alle schulvorbereitenden Einrichtungen, wie zum Beispiel Kindergärten und Kitas. Das trifft natürlich all die Familien besonders hart, bei denen beide Eltern berufstätig sind. Es kann dann jeweils nur ein Elternteil arbeiten, der andere Elternteil muss sich während dieser Zeit um die Kinder kümmern. Wie oben gesehen, scheiden etwaige Verwandte oder Bekannte als Betreuer aufgrund der Ausgangsbeschränkung aus. Die Anordnungen der meisten Länder sehen allerdings eine Ausnahme für solche Familien vor, bei denen beide Erziehungsberechtigte (oder Alleinerziehende) des Kindes in Bereichen der sogenannten kritischen Infrastruktur tätig sind. Soweit diese Berufsgruppen aufgrund der Ausübung ihrer Berufe an der Betreuung der Kinder gehindert sind, haben die jeweiligen Einrichtungen ausnahmsweise ein Betreuungsangebot, die sogenannte Notbetreuung aufrechtzuerhalten. Diese gilt, solange die Kinder weder Krankheitssymptome aufweisen noch mit anderen infizierten Personen in Kontakt stehen oder in den letzten 14 Tagen gestanden haben. In einzelnen Ländern haben Eltern sogar dann die Möglichkeit einer Notbetreuung, wenn nur ein Elternteil im Bereich der Gesundheitsversorgung sowie der Pflege tätig ist. Auf den anderen Elternteil kommt es dann nicht an. Doch welche Berufsgruppen gehören nun genau zur kritischen Infrastruktur? Der Begriff, den die Maßnahmen der Länder verwenden, ist nicht eindeutig, sondern wird durch die Verwaltungspraxis der Länder ausgefüllt. Die Begründung der bayerischen Allgemeinverfügung zählt beispielsweise unter Ziffer 3 – ebenso wie vergleichbare Regelungen anderen Länder – folgende Berufsgruppen auf:

• Gesundheitsversorgung und Pflege sowie Behindertenhilfe
• Kinder- und Jugendhilfe
• Öffentliche Sicherheit und Ordnung einschließlich Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz
• Öffentliche Infrastruktur (Telekommunikation, Energie, Wasser usw.)
• Lebensmittelversorgung
• Zentrale Stellen von Staat, Justiz und Verwaltung

Gerade aufgrund der letztgenannten Berufsgruppe könnte man annehmen, dass auch Steuerberater und Rechtsanwälte systemrelevant sind, weil sie als unabhängige Organe der Rechtspflege zu den zentralen Stellen von Justiz und Verwaltung gehören. Von der Hand zu weisen ist das zwar nicht. Denn Steuerberater sorgen dafür, dass Lohn- und Finanzbuchhaltung oder Umsatzsteuervoranmeldungen ihren gewohnten Gang nehmen. Rechtsanwälte wiederum müssen fristgemäß Entscheidungen in Sorgerechtsstreitigkeiten oder Sozialverfahren treffen. Gleichwohl zählt die Verwaltungspraxis zur Gruppe der zentralen Stellen von Staat, Justiz und Verwaltung vor allem die Gerichte, die Staatsanwaltschaft, den Strafvollzug sowie die öffentliche Verwaltung – Steuerberater und Rechtsanwälte hingegen nicht, mit der Folge, dass sie nicht die Möglichkeit einer Notbe-treuung erhalten.

Zusammenfassung

Steuerberater und Rechtsanwälte sowie deren Mitarbeiter unterliegen keinem Berufsverbot. Sie dürfen trotz der vorübergehenden Ausgangsbeschränkung ihre außerhalb der Wohnung gelegene Kanzlei zum Arbeiten aufsuchen. Eine persönliche Mandantenbesprechung ist allerdings nur bei Vorliegen eines triftigen Grundes zulässig. Gleichwohl sind Steuerberater und Rechtsanwälte nicht systemrelevant, wenn auch volkswirtschaftlich relevant, zählen also nicht zur kritischen Infrastruktur. Selbst wenn beide Elternteile Rechtsanwälte oder Steuerberater sind, haben sie keinen Anspruch auf Notbetreuung der Kinder.

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Zum Autor

Dr. Maximilian Greger

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht sowie Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in der Kanzlei SNP Schlawien Partnerschaft mbB Rechtsanwälte | Steuerberater am Standort in München

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