Außenprüfung und Strafverfahren - 27. März 2024

Gleich dem Trojanischen Pferd

Ein behördliches Vorgehen, bei dem Steuerprüfungen vorgeschoben werden, um Zufallsfunde für ein strafrechtliches Verfahren zu erlangen, die legal nicht zu bekommen wären, steht in der Kritik. Zudem sollen dadurch auch rechtswidrige Steuerbescheide rückwirkend legitimiert werden.

In letzter Zeit häuft sich eine fragwürdige Praxis. Nach Ablauf der allgemeinen Festsetzungsfrist wird eine steuerliche Außenprüfung angeordnet. In Wahrheit geht es aber gar nicht um eine Steuerprüfung. Vielmehr sollen Erkenntnisse für ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gewonnen werden, die mit den Mitteln der Strafprozessordnung nicht erlangt werden konnten. Zudem steht eine rückwirkende Legitimierung rechtswidriger Steuerbescheide im Raum.

Fallbeispiel

Nach Ablauf der allgemeinen Festsetzungsfrist ordnet das Finanzamt (FA) eine Außenprüfung bei der Steuerpflichtigen an, einer GmbH (G). Hintergrund dieser Anordnung ist, dass die Steuerfahndung wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in einem Strafverfahren ermittelt, in dem ganz am Rande auch die G und ihr ehemaliger sowie ihr aktueller Geschäftsführer auftauchen. Konkrete Anhaltspunkte beziehungsweise Verdachtsmomente für eine Steuerstraftat zugunsten der G gibt es jedoch nicht. Strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen in Richtung der G, wie etwa der Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses, scheiden daher aus. Deshalb wendet sich die Steuerfahndung an die Betriebsprüfungsstelle des FA und regt die Durchführung einer Außenprüfung mit dem – sogar aktenkundig festgehaltenen – Zweck an, daraus Erkenntnisse für ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren zu gewinnen.

Zulässigkeit einer Außenprüfung

Eine anlasslose Außenprüfung ist grundsätzlich zulässig, solange die Ergebnisse noch steuerlich verwertet werden können. Nach Ablauf der Festsetzungsfrist fehlt es an diesem Erfordernis. Zwar verlängert sich die Festsetzungsfrist auf zehn Jahre, soweit gemäß § 169 Abs. 2 S. 2 Abgabenordnung (AO) eine Steuerhinterziehung im Raum steht. Dafür müssen aber zumindest Anhaltspunkte vorliegen. Nun mag zwar ein Strafverfahren laufen, bei dem die umfangreichen Ermittlungen bislang jedoch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine Steuerstraftat begangen wurde. Derartige Anhaltspunkte sollen über den Umweg einer Außenprüfung erst gewonnen werden. Letztlich soll die Durchführung einer Außenprüfung also die Erkenntnisse liefern, die als Voraussetzung ihrer Anordnung eigentlich schon vorliegen müssten. Die Finanzverwaltung vertritt hierzu die Ansicht, dass die Anordnung einer Außenprüfung nur dann unzulässig ist, wenn das Vorliegen einer Steuerhinterziehung ausgeschlossen sei. Hierfür entscheidende Fragen können aber erst beantwortet werden, wenn der Sachverhalt im Zuge einer Außenprüfung, um deren Durchführung ja gerade gestritten wird, aufgeklärt wurde. Nach dieser Argumentation wäre die allgemeine Festsetzungsfrist mit Blick auf die Anordnung einer Außenprüfung also letztlich irrelevant. Denn das FA könnte und würde eine Steuerhinterziehung wohl nie ohne Prüfung der Unterlagen von vornherein ausschließen. Folglich könnte eine anlasslose Außenprüfung im Grunde immer durchgeführt werden, solange nur die verlängerte Festsetzungsfrist von zehn Jahren noch nicht abgelaufen ist. Der Ablauf der allgemeinen Festsetzungsfrist könnte hingegen stets umgangen werden, indem auch abgeschlossene Sachverhalte einfach noch einmal geprüft werden, um sie – sollten etwa zufällig Fehler entdeckt werden – neu aufrollen zu können. Eine solche Praxis widerspräche grundlegenden gesetzlichen Prinzipien. Denn schließlich setzt das Gesetz der Finanzverwaltung nicht ohne Grund eine Frist, innerhalb derer steuerliche Verhältnisse auch ohne Anlass ermittelt werden dürfen. Eine Außenprüfung auch danach noch durchführen zu dürfen, soll deshalb nur in engen Grenzen ausnahmsweise zulässig sein. Läge das FA mit seiner Auffassung richtig, würde dieser Ausnahme- aber zum Regelfall.

Strafprozessuale Ermittlungsmaßnahme

Hinzu kommt, dass es sich bei einer steuerlichen Außenprüfung nicht um eine strafprozessuale Ermittlungsmaßnahme handelt. Vielmehr sind die abschließend in der Strafprozessordnung geregelten Ermittlungsmaßnahmen nur unter ungleich strengeren Voraussetzungen zulässig. Außerdem greifen dabei Grundsätze, die bei einer Außenprüfung nicht gelten – allen voran die Selbstbelastungsbefreiung, während bei der Außenprüfung grundsätzlich Mitwirkungspflicht besteht. Instrumentalisiert man das Rechtsinstitut der steuerlichen Außenprüfung als strafprozessuale Ermittlungsmaßnahme, werden deren Voraussetzungen und zentrale Rechte unterlaufen.

Trojanisches Pferd

Straf- und Besteuerungsverfahren sind strikt voneinander zu trennen. Das Vorgehen der Finanzverwaltung im Fallbeispiel löst diese Trennung auf, da auf Geheiß der Steuerfahndung, die mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln mangels Anfangsverdachts nicht weiterkommt, eine Außenprüfung angeordnet wird, um auf anderem Wege Zugang zu den Unterlagen der G zu erhalten. Die somit vorgeschobene Außenprüfung wirkt also wie ein Trojanisches Pferd, um die grundrechtsbedingt hohen Mauern der Strafprozessordnung zu überwinden. Wer will, kann dies sogar als rechtsmissbräuchlich ansehen. Im Fallbeispiel ging es aber sogar noch weiter: Das FA hatte nämlich vor Anordnung der Außenprüfung gegen die G bereits Schätzungsbescheide in insolvenzbedrohender Höhe erlassen. Da aufgrund fehlender Schätzungsbefugnis dagegen Einspruch eingelegt wurde, wandte sich die erlassende Stelle ihrerseits an die Steuerfahndung, um dort nach der Grundlage für die erlassenen Schätzungsbescheide zu fragen, die man – wie es in der Akte heißt – eigentlich selbst gar nicht sehe. Erst daraufhin regte die Steuerfahndung die Anordnung einer Außenprüfung an, weil sie selbst Erkenntnisse für das Strafverfahren und die Rechtsbehelfsstelle für das Einspruchsverfahren benötige. Folglich sollte die Außenprüfung also auch dazu dienen, die Schätzungsbescheide, die wohl gar nicht hätten erlassen werden dürfen, nachträglich zu legitimieren. Demgemäß hätte das FA vorliegend also sogar eine Insolvenz der G in Kauf genommen, da es Steuerbescheide ohne Sachaufklärung ins Blaue hinein erlassen hatte – was eine Außenprüfung nun nachträglich heilen sollte.

Fazit und Ausblick

Man könnte nun anführen, dass dies alles ja nicht so schlimm sei. Denn eine Steuerpflichtige oder ein Steuerpflichtiger könne sich bei der Außenprüfung doch darauf berufen, seinen Mitwirkungspflichten aufgrund des parallelen Strafverfahrens nicht nachkommen zu müssen. Dies würde gemäß § 162 Abs. 2 AO allerdings tatsächlich eine Schätzungsbefugnis auslösen. Zwar müsste diese aufgrund der eingetretenen Festsetzungsverjährung ins Leere laufen – aber nur dann, wenn keine Steuerhinterziehung vorliegt. Ob dies der Fall ist, müsste dann allerdings in einem Steuerverfahren geprüft werden, wobei das Finanzgericht dann nicht an die Erkenntnisse des Strafverfahrens gebunden wäre. Die Prüfung dieser entscheidenden Frage würde dann aber auf Grundlage von Erkenntnissen einer fragwürdigen Außenprüfung erfolgen – auch wenn der Steuerpflichtige daran nicht mitwirken muss. Sollten im Zuge einer Außenprüfung die von der Finanzverwaltung erhofften Zufallsfunde gemacht werden, könnte dieser mögliche Zweck das Mittel aus rechtsstaatlicher Sicht dennoch nicht heiligen. Denn wenn es, im Gegenteil, nichts zu finden gibt, wäre der Steuerpflichtige bis zum Vorliegen dieser Erkenntnis womöglich schon insolvent. Eine behördliche Praxis, die solche Ergebnisse in Kauf nimmt, darf – gelinde gesagt – kritisiert werden.

Zu den Autoren

KR
Katja Rogasch

Rechtsanwältin in der Kanzlei DANCKERT BÄRLEIN & PARTNER in Berlin

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Manuel Operhalsky

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht in der Kanzlei Danckert Bärlein & Partner in Berlin

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