Automatisierung und KI-Copilot - 25. Januar 2024

„Wir haben gar keine andere Wahl“

Digitalisierung und Automatisierung – Kür oder Pflicht? Für die Pflicht plädiert Steuerberater Marcus Ferchland. Seine Kanzlei hat er über die vergangenen Jahre konsequent umgebaut. Wie er dazu Schritt für Schritt vorgegangen ist und welches Mindset ihm half, die Transformation zu schaffen, erzählt er im Interview.

Das Interview führte Klaus Meier

DATEV magazin: Herr Ferchland, Sie haben die Prozesse in Ihrer Kanzlei in den letzten Jahren weitgehend automatisiert. Wie ging das bei Ihnen los?
MARCUS FERCHLAND: Ich kann Ihnen nur eines sagen: Schuld war Herr Bär – im positiven Sinne.

Unser Technologie-Vorstand Prof. Dr. Bär?
Ja. Auf einem Konvent gab es einen Vortrag von Herrn Bär. Er hat sinngemäß gesagt: Wenn ihr euch nicht verändert und weiterentwickelt, dann wird es schwierig für euch. Das habe ich sehr, sehr ernst genommen. Daraufhin fing ich an, vieles in meiner Kanzlei zu hinterfragen und anders anzugehen. Das war 2017.

Welche Probleme haben Sie identifiziert?
Das größte Problem in unserer Kanzlei war, dass sehr viele Informationen aus unterschiedlichsten und nicht standardisierten Quellen eingeholt, manuell verarbeitet und wieder versendet werden mussten – und gleichzeitig eine hohe Qualität zu gewährleisten war. Das war unglaublich zeitaufwendig und erzeugte einen permanenten Termindruck.

Wie gingen Sie die Umstellung an?
Angefangen habe ich mit einer neuen Telefonanlage. Richtig gestartet sind wir dann mit der Umstellung auf Eigenorganisation comfort und mit der Standardisierung unserer Prozesse. Parallel dazu haben wir begonnen, mit RPA redundante Tätigkeiten zu reduzieren.

Was bedeutet RPA?
Das ist die Abkürzung für Robotic Process Automation. Gemeint sind Software-basierte Systeme, Roboter, die Routineaufgaben erledigen, indem sie menschliche Arbeitsweisen nachahmen.

Mit Standardisierung und RPA hatten Sie schon viel erreicht. Gab es für Sie da bereits messbare Erfolge?
Ja, das hat einiges gebracht. Die Mitarbeiter konnten wir damit von vielen Routineaufgaben entlasten. Damit hatten wir mehr Kapazitäten für abrechenbare Leistungen zur Verfügung. Das allein führte schon zu einer deutlichen Effizienz- und Qualitätssteigerung in meiner Kanzlei. Die Entlastung von Routinetätigkeiten hat sich auch auf die Laune meiner Mitarbeiter sehr positiv ausgewirkt. Letztlich haben uns die ersten Erfolge derart ermutigt, dass wir uns weitere Möglichkeiten für Prozessoptimierungen angeschaut haben.

Standardisierung war also nur der erste Schritt?
Genau. Wenn man nicht standardisiert, sondern immer individualisiert, kriegt man die Prozesse nie beschleunigt. Das geht schon los bei der Vergütungsvereinbarung. Wir lassen uns auf keine Sonderkonditionen bei einzelnen Mandanten mehr ein.

Wie ging es dann weiter?
Als Nächstes haben wir weitere Werkzeuge geprüft – für die internen Arbeitsabläufe und für die Prozesse zum Mandanten. Weil wir viele Programme unterschiedlicher Hersteller nutzen, die nicht miteinander korrespondiert haben, sahen meine Mitarbeiter hier ein deutliches Optimierungspotenzial.

Was bedeutet das konkret?
DATEV ist Benchmark in den Produktivsystemen, aber bei den darüber hinausgehenden Tätigkeiten gab es Optimierungsbedarf. Mein Wunsch war es, die vielen Software-Silos und DATEV in einer vernetzten Arbeitsplatzlösung zusammenzufassen. Bei meiner Recherche stellte ich fest, dass viele Hersteller Teillösungen anbieten, allerdings nicht mit dem von mir gewünschten Funktionsumfang.

Wie haben Sie das Problem gelöst?
Bei einem Webinar stieß ich auf einen ausgesprochen interessanten Ansatz. Vorgestellt wurde eine Verbindung von DATEV Eigenorganisation comfort mit einem All-in-one-Arbeitsplatz. Ich sah die Chance, mit diesem ganzheitlichen Ansatz das Problem der Software-Silos zu lösen.

Eine vollintegrierte Kanzleilösung?
Richtig. Für mich war immer wichtig, dass DATEV das führende System ist. Die Grundphilosophie dabei ist, die DATEV-Programme entsprechend ihrer optimalen Funktion zu nutzen. Das ist EO comfort als ERP-System, das sind auf der Produktivebene die Module Finanzbuchführung, Lohn und so weiter. Für alles, was danach folgt, beispielsweise die Kommunikation mit den Mandanten, nutze ich nun den Allin-one-Arbeitsplatz auf Basis der Zoho-Technologie. Daraus entstand UNIZO, eine neue Branchenlösung für alle Steuerberatungskanzleien, deren Entwicklung ich sehr intensiv begleitet habe.

Sie haben UNIZO mitentwickelt?
Ja. Die Zoho-Technologie existiert bereits seit 26 Jahren, das DATEV-System seit 1966. Wir sprechen also über etablierte Systeme, die wir mit der neuen Lösung an die aktuellen Bedürfnisse der Steuerberaterbranche angepasst haben. UNIZO steht seit Januar 2024 exklusiv über den Zoho-Partner LIEBPER GmbH zur Verfügung.

Damit ist Ihre Transformation abgeschlossen?
Noch nicht ganz. Wir haben mit Zoho, RPA und DATEV EO comfort erfolgreich eine Lösung zur Systematisierung erreicht. Das ist die Basis für die nächste Stufe der Transformation: den KI-Copiloten.

Der KI-Copilot? Was kann KI in diesem Zusammenhang leisten?
Das Smarte an UNIZO ist, dass eine KI standardmäßig integriert ist und optional ChatGPT eingebunden werden kann. Bei einer E-Mail kann die KI eine Zusammenfassung aus einer langen Konversation erstellen. Beim Mandantenservice lassen sich beispielsweise automatisierte Antworten generieren. Außerdem sind Formularzusammenfassungen, Empfehlungen, automatische Dashboardreports und vieles mehr möglich.

Wie hat sich die Arbeit für Sie und für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verändert?
Ich fange mal mit EO comfort auf der Ebene Standardisierung an: Beratungsleistungen rechnen wir heute normalerweise am 10. oder 15. des Folgemonats ab. Früher haben wir das drei, vier Monate später abgerechnet. Unfertige Arbeiten haben wir mittlerweile nahe null, abgesehen von begonnenen Jahresabschlüssen. Auch die Fakturierung ist deutlich schneller und einfacher durch das standardisierte Auftragswesen geworden. Allein mit EO comfort haben wir mindestens drei Viertel einer Arbeitskraft eingespart, vielleicht auch eine Vollzeitkraft. UNIZO und RPA schaffen darüber hinaus bereits jetzt zusätzliche Kapazitäten im Volumen von ein bis zwei Vollzeitmitarbeitern.

Wie erleben Ihre Mandanten diese Veränderungen?
Durchweg positiv. Die Response-Zeiten sind extrem gut und die Qualität stimmt, zumal wir die Mandanten in die integrierte UNIZO-Kollaborationsplattform aktiv auftrags- und mitarbeiterbezogen über ein Ticketsystem eingebunden haben.

Und Ihre Mitarbeiter? Gab es da Probleme?
Ja, die gab es. Die Mitarbeiter mussten sich auf das System einstellen. Es war für einzelne nicht so einfach, die neuen standardisierten Arbeitsabläufe zu akzeptieren und sich einzuarbeiten. Allerdings sahen sie sehr schnell die damit verbundenen Arbeitserleichterungen. Heute stellt sich die Frage der Akzeptanz nicht mehr, da die Vorteile eindeutig überwiegen.

Welches Mindset braucht es, um solch große Veränderungen anzupacken und so konsequent mit Ihren derzeit sechs Mitarbeitern durchzuziehen? Wie haben Sie das geschafft?
Das Mindset ist für mich: Wir haben gar keine andere Wahl, speziell wenn ich den Fachkräftemangel sowie den technologischen Wandel betrachte. Letztendlich haben wir die Implementierung von UNIZO und die entsprechenden Mitarbeiterschulungen mithilfe des Partners LIEBPER schnell über die Bühne bekommen. Die Investition hat sich in kürzester Zeit amortisiert und das Tolle ist, dass ich dadurch für meine Kanzlei gleichzeitig Wachstumspotenzial für neue Mandanten und ertragreiche Dienstleistungen erschlossen habe.

Wie blicken Sie auf diese letzten sechs Jahre zurück? Was ist Ihr Fazit?
Es war sehr viel Arbeit, aber ich merke, es hat sich gelohnt. Unser Team ist stolz auf das Ergebnis. Mit UNIZO haben wir eine topmoderne Arbeitsplatzlösung mit direkter Anbindung zu DATEV. Mit dieser Lösung als Basis und unserem KI-Copiloten freuen wir uns auf eine spannende Zukunft.

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Klaus Meier

Redaktion DATEV magazin

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