Digitale Kanzleientwicklung - 21. Dezember 2023

Alles zu seiner Zeit

Mit dem DATEV ReifegradCheck kann der Istzustand der wichtigsten unternehmerischen Handlungsfelder der Kanzlei geprüft und dann ein Fahrplan zur digitalen Kanzlei gestaltet werden. Steuerberater Klaus Viehbacher aus Fürth hat das bereits in der Pilotphase des Tools vor vier Jahren getan.

Das Interview führte Julia Wieland

DATEV magazin: Wie sind Sie auf den DATEV ReifegradCheck aufmerksam geworden?
KLAUS VIEHBACHER: In einem Gespräch mit unserem DATEV-Consultant David Schweiger im Jahr 2019. Er erzählte fast beiläufig von einem seiner neuen Pilotprojekte: der Entwicklung des DATEV ReifegradChecks. Wir kannten bereits ähnliche Projektmanagement-Tools und fanden es spannend, uns Innovation und Strategie, Kunden und Markt, Prozesse und Technologie, Mitarbeiter und Kultur genauer anzusehen. Wir wollten vor allem wissen, wo wir zu diesem Zeitpunkt aktuell standen, und außerdem eine Ausgangsgrundlage für eine strategische Neuausrichtung visualisieren. Manchmal ist es ja so, dass man vor lauter angestrebter und tatsächlicher Veränderung die Orientierung verliert. Da hat uns die Standortbestimmung sehr interessiert.

War es das erste Mal, dass Sie sich mit der digitalen Entwicklung Ihrer Kanzlei beschäftigt haben?
Nein, die Digitalisierung meiner Kanzlei ist seit meiner Übernahme im Februar 2019 ein Thema. Davor wurde hauptsächlich Simba-Software eingesetzt. Nur ein kleinerer Datenbestand wurde mit DATEV-Programmen bearbeitet. Mit der Übernahme wurde die vollständige Umstellung auf DATEV mit dem Zeitziel der alleinigen aktiven Nutzung bis Januar 2020 vorbereitet. Wir sind dann pünktlich mit dem DATEV-Mehrwertpaket und in die damals neue DATEV DMS-Welt eingestiegen. Der ReifegradCheck hat uns schon zu diesem frühen Zeitpunkt als Standortbestimmung in unserer Weiterentwicklung geholfen und wir haben im Januar 2021 im Rahmen eines anderen Beratungsprojekts noch einmal einen Abgleich durchführen lassen. Die Auswertungen stellen für uns auch heute noch eine Art Kompass dar, mithilfe dessen wir weitere Themen angehen oder auch zurückstellen.

Der DATEV ReifegradCheck beginnt mit dem Ausfüllen eines Online-Fragebogens, auf dessen Basis Sie eine individuelle Standortbestimmung erhalten. Hat Sie dabei etwas überrascht?
Die Auswertung hat die aktuelle Situation noch besser dargestellt. Sie hat uns verdeutlicht, wo unsere Stärken liegen – die uns teilweise bereits bewusst waren –, und uns auch bei einigen Themen bestätigt, deren Veränderung wir bereits in der Pipeline hatten. Darüber hinaus hat sie aber auch blinde Flecken aufgezeigt. Insgesamt hat uns der ReifegradCheck definitiv darin bestärkt, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Er hat uns gezeigt, was wir schon alles in Sachen Digitalisierung erreicht hatten, aber auch welche Themen noch vor uns lagen.

Der Ergebnisbericht ist grafisch aufbereitet. Hat Ihnen das bei der Umsetzung geholfen?
Unserer Meinung nach gibt die grafische Aufbereitung, die einem Spinnennetz ähnelt, schnell Aufklärung über die Stärken und ausbaufähigen Themen zu einem Zeitpunkt X. Bei uns war das damals beispielsweise die technische Ausstattung und Digitalisierung der Abläufe. Es ist spannend, wie sich die grafische Darstellung im Laufe der Zeit verändert oder gegebenenfalls auch in bestimmten Bereichen unverändert bleibt. Außerdem erkennt man auch schnell die Lieblingsthemen vom Chef, die zügig vorangetrieben werden, und welche eher durch andere Personen in der Kanzlei betreut werden sollten.

Neben der grafischen Aufbereitung haben Sie die Ergebnisse auch mit Ihrem DATEV-Ansprechpartner besprochen und gemeinsam Handlungsempfehlungen abgeleitet.
Ja, wir haben uns zwei Stunden vor Ort zusammengesetzt und die einzelnen Themen in die Status läuft bereits, geplant und abgeschlossen eingeordnet. Im Rahmen einer Roadmap haben wir als ersten Schritt das Festlegen von Standards in der Finanzbuchführung eingeplant. Für uns waren das der Einsatz des Kontoauszugsmanagers und das Vorbereiten der Aufnahme digitaler Neumandate. Über weitere Handlungsempfehlungen tauschen wir uns regelmäßig mit unserem Kollegennetzwerk aus und lassen auch Erfahrungen anderer Kollegen mit einfließen.

Wie haben Sie sich denn weiter technisch und prozessual anders aufgestellt?
In den Deklarationsbereichen haben wir Abläufe geändert und arbeiten ständig weiter daran, uns die digitale Unterstützung unserer Systeme zunutze zu machen. Wir möchten die Schnittstellen in der Finanzbuchführung besser nutzen und das Papieraufkommen weiter reduzieren. Ein Meilenstein, der uns sehr gefreut hat, war die Verleihung des Labels Digitale DATEV-Kanzlei 2022. Damit zeichnet DATEV innovative Kanzleien aus, die eine hohe Digitalisierungsquote in ihrer Arbeitsweise erreichen.

Gratulation nachträglich! Wie schaffen Sie es denn bei all diesen Veränderungen, Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzunehmen?
Veränderungen initiiert von außen oder innen gehören zum Kanzleialltag. Wir versuchen, das Team, soweit es möglich ist, einzubeziehen. Wir machen die Mitarbeiter je nach Thema zu Beteiligten. Beispielsweise planen wir Prozessschritte gemeinsam, um ein vordefiniertes Ziel zu erreichen. Wir klären fachliche, technische und zeitliche Bedingungen und beleuchten mögliche Konsequenzen. Außerdem setzen wir Pilotierungen an, um Feedback zu den Anwendungen zu erhalten, um Prozesse und Inhalte zu schärfen oder zu klären. An dieser Stelle möchte ich auch unserem Team einen großen Dank aussprechen für deren aktive und konstruktive Beteiligung und Übernahme von Verantwortung bei der Umsetzung von Maßnahmen. Nur weil der Kanzleiinhaber Veränderung möchte, vollzieht sich diese nicht automatisch. Es müssen alle mitziehen wollen.

Würden Sie den ReifegradCheck Ihren Berufskollegen empfehlen?
Ja, unbedingt, weil es zum einen eine Freude und Genugtuung ist, zu sehen, wie sich die Kanzlei entwickelt und wofür sich die harte Arbeit, der Umgang mit Widerständen, die Überzeugungsarbeit mit einem selbst oder im Team lohnen. Manchmal verliert man den Blick auf das große Ganze. Zum anderen werden mithilfe des ReifegradChecks blinde Flecken von einer neutralen dritten Instanz identifiziert. Damit kann man besser umgehen und sich mit Abstand den Veränderungen widmen. Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass das Reifegradmodell auch dabei hilft, manche Aspekte der Kanzleireife als gegeben hinzunehmen, weil man sie vielleicht noch nicht oder gar nicht ändern kann. Wie heißt es so schön? Alles hat seine Zeit. Und das gilt unsererseits auch für die Kanzleientwicklung.

Zur Autorin

Julia Wieland

Redaktion DATEV magazin

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