Wie eine Kanzlei in einem Aufwasch ihr Ziel erreichte, 100 Prozent ihrer Mandate auf DATEV Unternehmen online umzustellen.
Die Kanzlei Melzer & Kollegen führt seit 2013 das DStV-Qualitätssiegel, umgesetzt mit DATEV ProCheck, und arbeitet intern seit 2015 mittels DATEV DMS vollständig digital. Das Label Digitale DATEV-Kanzlei führt sie ohne Unterbrechung seit 2019. DATEV Unternehmen online nutzt sie seit 2011 für die eigene Buchführung und vor Corona für etwa ein Drittel der Mandate. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, die Kanzlei habe eine ausgeprägte Affinität zum Digitalen. Trotzdem ist es bemerkenswert, was Boris Melzer und seine Partner im Frühjahr 2020 entschieden haben, nämlich ausnahmslos alle Buchführungsmandate in kürzester Zeit und ohne Kompromisse auf Unternehmen online umzustellen – und das in einer Kanzlei mit rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Auslöser für die Radikalkur war der erste Corona-Lockdown. Die Herausforderung: Alle Mandanten sollten trotz Lockdown und Kontaktbeschränkungen in gewohnter Qualität betreut werden können. Während vielerorts noch über geeignete Maßnahmen nachgedacht wurde, lag für Boris Melzer und seine Kollegen die Lösung auf der Hand: konsequente Digitalisierung. Und sie handelten schnell. Der erste Corona-Lockdown wurde am 16. März 2020 beschlossen und trat am 22. März 2020 in Kraft. Bereits zwei Tage später schickte die Kanzlei eine detaillierte Information an die Mandanten, in der sie über ihren neuen, zunächst kostenlosen Scanservice informierte und bekannt gab, dass sie alle Buchführungsmandate ausnahmslos auf Unternehmen online umstellen würde.
Zu diesem Zeitpunkt hatten wir bereits ein Projektteam für Unternehmen online eingerichtet, einen leistungsstarken Dokumentenscanner für unser Sekretariat beschafft und alle Abläufe mit unserem Solution Partner APS geklärt“, sagt Boris Melzer. APS richtet Unternehmen online und einen passenden Dokumentenscanner bei den Mandanten ein und steht bei technischen Fragen zur Verfügung. „Die Partnerschaft mit APS ist wesentlicher Bestandteil unserer Digitalisierungsstrategie. Deren Leistungen entlasten ganz erheblich unser Projektteam und die Fibu-Mitarbeiter in der Kanzlei“, berichtet Boris Melzer. Bevor die Umstellung tatsächlich gestartet werden konnte, standen umfangreiche Maßnahmen zur Qualitätssicherung an. „Wir haben alle Mandantenbuchführungen geprüft und optimiert, bevor sie digitalisiert und weiterbearbeitet wurden. Auf diese Weise konnten wir die Potenziale der einzelnen Buchführungen analysieren und den Sachbearbeitern konkrete Hausaufgaben geben, um beispielsweise die Trefferquoten für das Buchen elektronischer Belege zu erhöhen. Die einzelnen Mandate haben diesen monatlichen Optimierungsprozess bis zu vier Mal durchlaufen, um eine kontinuierliche Qualitätskontrolle und die routinierte Anwendung der Software sicherzustellen“, sagt Boris Melzer. Bei diesen Analysen wurde auch überprüft, welche Möglichkeiten die Software der Mandanten für die Digitalisierung und Prozessvereinfachung bietet. In vielen Fällen war es so möglich, beispielsweise in Kassensystemen oder in Warenwirtschaftsprogrammen bereits vorhandene Schnittstellen zu aktivieren, um hierüber Buchungsdaten oder Belegbilder digital zu übertragen. So kann die Kanzlei eine große Menge an Daten erhalten, ohne dass die Mandanten Belege einscannen müssen. Dies ist in vielen Fällen auch eine große Erleichterung für die Mandanten.
Wichtig war, dass die Kanzlei von vorneherein sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei den Mandanten in aller Klarheit kommuniziert hat, dass es keine Alternative zu einer digitalen Zusammenarbeit geben wird.Qualität und Transparenz in den Kanzleiprozessen konnten unter anderem mithilfe des in Kanzlei-Rechnungswesen integrierten Buchungsassistenten online verbessert werden. Der Assistent erkennt mittels OCR-Technik (Optical Character Recognition) direkt beim Buchen alle relevanten Buchungsinformationen auf dem digitalen Beleg und belegt sie in der Buchungszeile automatisch vor. Eine manuelle Erfassung ist nicht mehr notwendig. Das minimiert Fehler und spart Zeit. Die Arbeitsbelastung der Kanzleimitarbeiter kann damit erheblich reduziert werden. Zudem wird der digitale Beleg automatisch mit der Buchung verknüpft – ein beträchtlicher Gewinn an Transparenz.
„Parallel zu diesen Maßnahmen hat das Projektteam die Kanzleimitarbeiterinnen und -mitarbeiter unterstützt, geschult und in kleinen Gruppenworkshops weitergebildet, unter Pandemiebedingungen, teilweise in Präsenz und teilweise online“, so Steuerberater Boris Melzer. „Der zeitliche Aufwand für die Mitarbeiter des Projektteams und für das Sekretariat, das anfangs den Scanservice für die Mandanten erledigte, war enorm, aber es zahlte sich aus“, berichtet Boris Melzer. Einer der zentralen Vorteile der Digitalisierung für Steuerberater ist die Möglichkeit, schnell und effizient auf Anfragen von Mandanten zu reagieren. Unternehmen online ermöglicht genau das. Denn damit können Steuerberater einfach von jedem Ort aus auf alle erforderlichen Informationen zugreifen, ohne auf Papierdokumente und manuelle Prozesse angewiesen zu sein. Mandanten können ihre Dokumente und Informationen jederzeit und von jedem Ort aus hochladen und abrufen. Weil alle Daten immer auf dem neuesten Stand sind, kann der Mandant sein Unternehmen auf der Basis stets aktueller Zahlen steuern. Die Belege und Auswertungen werden über die sichere DATEV-Cloud im DATEV-Rechenzentrum ausgetauscht.
Aus Sicht von Boris Melzer war der schnelle Ausbau der digitalen Zusammenarbeit eine einmalige Chance. „Während des ersten Lockdowns war die Bindung der Mandanten an uns so hoch wie nie zuvor. Die Mandanten brauchten uns dringend – auch emotional –, um vertrauensvoll über Maßnahmen zur Krisenbewältigung zu sprechen. Mit der Digitalisierung konnten wir eine Lösung anbieten, die schnell umsetzbar war und zudem viele Mandanten dazu veranlasste, sich über die Buchhaltung hinaus mit digitalen Lösungen für ihr Geschäft auseinanderzusetzen“, sagt er. Auch die Kanzleimitarbeiter gewöhnten sich an die neue Arbeitsweise. „Die Mitarbeiter haben wir nicht gefragt, ob einzelne Mandate umgestellt werden sollen, sondern lediglich besprochen, wie und wann das passieren soll“, so Steuerberater Boris Melzer. Und es funktionierte. Sogar diejenigen Mitarbeiter, die vorher der Digitalisierung eher kritisch gegenüberstanden, waren nun aufgeschlossener, da nur durch die konsequente Digitalisierung aller Mandate die flächendeckende beleglose Arbeit im Homeoffice möglich wurde. Nur einige wenige, die nicht bereit waren, digital zu arbeiten, verließen die Kanzlei. Im Ausgleich konnten neue Mitarbeiter gewonnen werden – über gezielte Kampagnen, die auf digitales Homeoffice ausgerichtet waren.
„Ohne ein motiviertes Team, das voll hinter der Aktion stand, hätten wir das nicht geschafft“, sagt Boris Melzer. Den Gegenwind von einzelnen Mitarbeitern und vereinzelt von Mandanten, die die Umstellung zunächst nicht wollten, mussten der Steuerberater und seine Kollegen aushalten. „Ich sehe unseren Job als Partner auch darin, die Arbeitsplätze zu sichern und die Kanzlei für die Zukunft aufzustellen. Dass man hierfür auch mal Entscheidungen trifft, die auf Anhieb nicht jedem gefallen, liegt in der Natur der Sache“, so der Kanzleichef. „Damals wusste niemand, wie lange die Kontaktsperren andauern würden, ob die Postzustellung dauerhaft aufrechterhalten wird, ob es weitere Beschränkungen geben würde und wie viele Mandate, speziell in der Gastronomie und Hotellerie, möglicherweise mittelfristig aufgeben müssen. Über Überbrückungshilfen wurde damals noch nicht gesprochen“, sagt er.
Heute sind die Mandanten froh darüber, die Zeit im Lockdown für die Digitalisierung genutzt zu haben. „Viele geben zu, dass sie ohne den Druck von uns diesen Schritt nicht gegangen wären. Jetzt sind sie aber happy, die komplette Palette von Unternehmen online zu nutzen“, betont Boris Melzer. Die Befürchtung, dass bei dieser durchgreifenden Umstellung das eine oder andere Mandat verloren gehen könnte, bewahrheitete sich nicht. „Kein einziger Mandant hat wegen der Umstellung die Kanzlei verlassen.“