Immobilienbewertung - 25. September 2023

Omas Häuschen im Visier des Fiskus

Die steuerrelevanten Werte von Immobilien im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer haben sich durch eine Neuregelung seit dem 1. Januar 2023 weitestgehend erhöht. Das kann ein Übersteigen der unveränderten, persönlichen Freibeträge zur Folge haben.

Durch das Jahressteuergesetz (JStG) 2022 wurde die Ermittlung der Grundbesitzwerte, die der Erbschaft- und Schenkungsteuer zugrunde gelegt werden, für Bewertungsstichtage, beginnend ab dem 1. Januar 2023, angepasst und an die Bewertungsverfahren und -parameter der ebenfalls umfassend novellierten Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Immobilien und der für die Wertermittlung erforderlichen Daten (ImmoWertV) 2021 angeglichen. Davon sind unmittelbar insbesondere bebaute Grundstücke betroffen, deren Bewertung im Ertragswert- oder im Sachwertverfahren erfolgt. Zudem ergeben sich mittelbare Folgen durch das Abstellen auf außersteuerliche Regelungen, indem insbesondere bei unbebauten Grundstücken sowie bei der Bewertung des Bodenanteils bebauter Grundstücke auf den von den Gutachterausschüssen ermittelten Bodenrichtwert abgestellt wird. Unverändert besteht jedoch die Möglichkeit, dem Finanzamt durch ein qualifiziertes Gutachten einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen.

Relevanz der Gutachterausschüsse

Einen wesentlichen Aspekt der Neureglung des Bewertungsgesetzes (BewG) bildet das grundsätzliche Abstellen auf die Bewertungsparameter, die von den zuständigen Gutachterausschüssen ermittelt und den Finanzämtern mitgeteilt werden. Hierzu zählen beispielsweise Liegenschaftszinssätze, Sachwert- und Vergleichsfaktoren sowie Erbbaurechts- und Erbbaugrundstückskoeffizienten. Diese sogenannten sonstigen für die Werteermittlung erforderlichen Daten, deren Ermittlung auf Rechtsgrundlagen außerhalb des steuerlichen Bewertungsrechts basiert, speziell Baugesetzbuch (BauGB) und ImmoWertV, sind somit auch im steuerlichen Bewertungsverfahren anzuwenden, sofern der Grundsatz der Modellkonformität gewahrt ist. Das bedeutet, dass die Parameter nach dem gleichen Bewertungsmodell ermittelt wurden, das bei der steuerlichen Bewertung Anwendung findet.

Ertragswertverfahren

Im Ertragswertverfahren, das den Grundbesitzwert aus dem Bodenwert sowie dem Gebäudeertragswert ermittelt, ist künftig der Wert baulicher Außenanlagen und sonstiger Anlagen stets abgegolten. Bislang galt dies lediglich als Bewertungsgrundsatz, von dem abgewichen werden konnte. Die Änderungen innerhalb des Bewertungsverfahrens betreffen im Wesentlichen die Ermittlung des Gebäudeertragswerts. Dabei wurde die Kapitalisierungsgröße dadurch verändert, dass ein Abzug der Bewirtschaftungskosten stets nach typisierten Parametern der Anlage 23 BewG zu erfolgen hat. Eine Berücksichtigung geeigneter Erfahrungssätze ist nicht mehr zulässig. Die Bewirtschaftungskosten ergeben sich typisiert für Verwaltungs- und Instandhaltungskosten sowie ein Mietausfallwagnis; sie sind im Falle einer Wohnnutzung – mit Ausnahme des Mietausfallwagnisses – jährlich an das aktuelle Verbraucherpreisniveau anzupassen. Wenngleich die Indexierung aus methodischer Sicht zu begrüßen ist, kann durch die Berücksichtigung typisierter Bewirtschaftungskosten keine Einzelfallgerechtigkeit gewährleistet sein. Bei der Ermittlung der Bodenwertverzinsung wurden die subsidiär anzuwendenden gesetzlichen Liegenschaftszinssätze (§ 188 Abs. 2 BewG), insbesondere für Mietwohngrundstücke deutlich reduziert, was im Ergebnis zu einem Anstieg des Gebäudereinertrags führt. Die gesunkenen Liegenschaftszinssätze wirken auch über deren Einbezug in den Vervielfältiger steuererhöhend. Der Vervielfältiger steigt zudem durch eine Neuregelung bei der Ermittlung der Gebäuderestnutzungsdauer. Demnach beträgt die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer für Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Mehrfamilienhäuser, Wohnungseigentum sowie gemischt genutzte Grundstücke künftig 80 Jahre anstelle von bisher 70 Jahren, was im Ergebnis eine längere Nutzungsdauer ergibt. Zudem sind bauliche Veränderungen, die die Restnutzungsdauer des Gebäudes wesentlich verlängert haben, bei der Berechnung der Nutzungsdauer zu berücksichtigen. Eine Verkürzung der Restnutzungsdauer sieht das Gesetz ausschließlich im Falle einer bestehenden Abbruchverpflichtung vor.

Sachwertverfahren

Im Sachwertverfahren erfolgt die Ermittlung des Grundbesitzwerts grundsätzlich aus dem Bodenwert und dem Gebäudesachwert, angepasst um eine Wertzahl. Dabei ist künftig der Wert der Außenanlagen grundsätzlich im gemeinen Wert enthalten. Eine Ausnahme gilt, sofern es sich um besonders werthaltige Anlagen handelt (§ 189 Abs. 4 BewG). Die Neuerungen innerhalb des Bewertungsverfahrens betreffen im Wesentlichen die Ermittlung des Gebäudesachwerts. Dieser stellt auf die durchschnittlichen Herstellungskosten des Gebäudes, einen Alterswertminderungsfaktor sowie einen gänzlich neuen Regionalfaktor ab. Der Alterswertminderungsfaktor ergibt sich aus dem Verhältnis der Restnutzungsdauer zur Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes (§ 190 Abs. 6 BewG). Die Restnutzungsdauer des Gebäudes errechnet sich dabei weitgehend wie im Ertragswertverfahren, sodass sich auch hier, insbesondere bei Wohnimmobilien, tendenziell eine höhere Bemessungsgrundlage ergibt. Eine vollumfassende, methodisch aber zu begrüßende Neuregelung ergibt sich aus der Aufnahme eines Regionalfaktors (§ 190 Abs. 5 BewG) in das Sachwertverfahren, mit dem der Unterschied zwischen bundesdurchschnittlichem und regionalem Baukostenniveau in die Bewertung einfließt. Dieser Regionalfaktor ist grundsätzlich, wie von den regionalen Gutachterausschüssen bereitgestellt, zu verwenden. Sofern ein solcher nicht bereitgestellt wird, gilt der Faktor in Höhe von 1,0.  Während die Berechnung der durchschnittlichen Gebäudeherstellungskosten weitgehend unverändert blieb, wurde die Wertzahl, die analog der bestehenden Bewertungsstruktur auf den vorläufigen Sachwert anzuwenden ist (§ 189 Abs. 3 BewG), angepasst. Sofern keine Ermittlung durch die Gutachterausschüsse erfolgt, sind subsidiär die Wertzahlen aus Anlage 25 BewG heranzuziehen. Diese Wertzahlen sowie die Bodenrichtwertintervalle der Anlage 25 wurden umfassend überarbeitet, wobei sich durchgängig höhere Wertzahlen ergeben, die auf den ohnehin gestiegenen vorläufigen Sachwert anzuwenden sind.

Erbbaurechtsfälle

Bei Erbbaurechtsfällen ist zunächst die übertragene wirtschaftliche Einheit zu identifizieren, wobei es sich um das Erbbaurecht als solches oder um das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück handeln kann. Ein Gesamtwert – wie bei der Grundsteuer – ist für die Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht von steuerlicher Relevanz. Im Rahmen der Bewertung kommt grundsätzlich ein spezielles Vergleichswertverfahren unter Berücksichtigung von Erbbaurechts- beziehungsweise Erbbaugrundstückskoeffizienten zur Anwendung. Sofern die zuständigen Gutachterausschüsse keine Koeffizienten ermittelt haben, erfolgt die Bewertung ausnahmsweise in einem finanzmathematischen Verfahren. In diesem Fall wird auf einen Barwert, bestehend aus Boden- beziehungsweise Gebäudewert, Wert der Nutzung sowie einem nach Ablauf des Erbbaurechts resultierenden entschädigungslosen Ab- oder Zufall des Gebäudes, abgestellt. Dieser finanzmathematische Wert ist dann mit einem Erbbaurechts- beziehungsweise Erbbaugrundstücksfaktor zu multiplizieren. Die Bewertungsparameter, insbesondere die im Rahmen der Kapitalisierung subsidiär anzuwendenden gesetzlich typisierten Zinssätze, haben sich dabei gegenüber der alten Gesetzeslage reduziert, sodass sich im Ergebnis höhere Werte ergeben werden.

Gebäude auf fremdem Grund und Boden

Vergleichbar mit den Erbbaurechtsfällen ist auch bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden in einem ersten Schritt die übertragene wirtschaftliche Einheit zu identifizieren, deren Bewertung in einem finanzmathematischen Verfahren weitgehend analog den Erbbaurechtsfällen erfolgt.

Keine Anpassung des ErbStG

Unabhängig vom anzuwendenden Bewertungskonzept werden sich aufgrund der Änderung des BewG zum 1. Januar 2023 höhere steuerrelevante Immobilienwerte ergeben. Der rechtliche Rahmen zur Bemessung der Steuerbelastung, insbesondere die persönlichen Freibeträge und Steuersätze innerhalb des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG), blieben indes unverändert. Insofern kann die Neuregelung dazu führen, dass Immobilien bei einer Übertragung ab dem 1. Januar 2023 einer Besteuerung unterliegen, die vor dem Jahreswechsel 2022/2023 nicht erfolgt wäre.

Fazit und Ausblick

Die Anpassung der steuerlichen Immobilienbewertung an außersteuerliche Verfahren ist aus methodischer Sicht zu begrüßen, da insofern dem Grundgedanken der Erbschaft- und Schenkungsteuer – eine Besteuerung nach dem gemeinen Wert, im Weiteren dem Verkehrswert – entsprochen werden kann. Einzelne Maßnahmen, wie etwa der Einbezug eines Regionalfaktors, entsprechen zudem den tatsächlich festzustellenden Gegebenheiten auf dem Immobilienmarkt. Aus Sicht der Beratungspraxis ist jedoch anzumerken, dass nunmehr eine weitere umfangreiche gesetzliche Neuregelung zur Immobilienbewertung vorliegt, die nur kurze Zeit nach dem Mammutprojekt Grundsteuerreform zu beachten ist. Da diese Neuregelung von ihrer Grundausrichtung mit einer steuerlichen Mehrbelastung verbunden ist, muss sie aus Sicht der Steuerpflichtigen als negativ bewertet werden. In der politischen Diskussion der vergangenen Monate waren deshalb Stimmen hörbar, die in Folge der gestiegenen Grundbesitzwerte eine Anhebung der persönlichen Freibeträge sowie eine Absenkung der Steuersätze befürworten, wozu jedoch keine konkrete Gesetzesinitiative vorliegt. Auch hat Bayern eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingereicht, in der sogar eine Länderöffnungsklausel im Rahmen der Erbschafsteuer gefordert wird. Insofern bleibt die weitere Gesetzesentwicklung abzuwarten.

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JR
Dr. Johannes Riepolt

Steuerberater in eigener Kanzlei in Schwarzenbruck bei Nürnberg mit dem Beratungsschwerpunkt Immobilien

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