Stiftungsrecht - 25. Mai 2023

Bundeseinheitlich und neu geregelt

Mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen für die Errichtung einer Stiftung zu erleichtern, treten Anfang Juli dieses Jahres umfangreiche Neuerungen zu dieser Rechtsform in Kraft. Erstmals gelten die neuen Vorschriften nun auch für das gesamte Bundesgebiet.

Stiftung, das ist nichts für mich – oder doch? Die Motive, eine private Stiftung zu gründen, reichen vom Fehlen einer geeigneten Nachfolgerin oder eines geeigneten Nachfolgers über die dauerhafte Sicherung des Unternehmens bis hin zur Absicherung und zum Schutz des privaten Vermögens der Familie. Das Vermögen ist in der Stiftung vor dem Zugriff Dritter geschützt (Asset Protection), die Erträge stehen nach dem Willen des Stifters weiterhin zur Verfügung. Alternativ kann auch die Förderung des Gemeinwohls sowie des damit verbundenen guten Gefühls, etwas Dauerhaftes und Gemeinnütziges zu leisten, im Vordergrund stehen.

Steuerliche Vorteile

Als Ausgleich für die Vermögensübertragung in eine Stiftung bietet das Steuerrecht erhebliche Vorteile. Sowohl gemeinnützig für die Gesellschaft zu wirken als auch eigenverantwortlich langfristig Vorsorge für Familie und Unternehmen zu betreiben, soll so gebührend Anerkennung finden und kann sich langfristig durchaus lohnen. Gemäß § 10b Abs. 1a Einkommensteuergesetz (EStG) können Zuwendungen in den Grundstock einer gemeinnützigen Stiftung bis zu eine Million Euro (Splittingtarif: zwei Millionen Euro) als Sonderausgaben, beliebig verteilt im Jahr der Zuwendung und in den folgenden neun Jahren, abgezogen werden. Gängige Praxis vor allem bei kinderlosen Personen ist die Zustiftung der eigengenutzten Immobilie unter Nießbrauchvorbehalt in eine gemeinnützige Stiftung, um lebzeitige Einkommensteuervorteile zu generieren. Sofern eine private, nicht gemeinnützige Stiftung keine eigene, originär gewerbliche Geschäftstätigkeit ausübt, ist sie körperschaftsteuerpflichtig (Freibetrag 5.000 Euro) ohne Gewerbesteuer, gegebenenfalls mit Holding-Privileg, oder sie erzielt Überschusseinkünfte, bei Immobilien mit steuerfreiem Verkauf gemäß § 23 EStG.

Weitreichende Reform

Das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts ist die umfangreichste Reform des Stiftungsrechts seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Mit Wirkung zum 1. Juli 2023 werden die Landesstiftungsgesetze aufgehoben und durch die bundeseinheitlichen Bestimmungen der §§ 80 bis 87d BGB n. F. ersetzt. Neben den Schwerpunkten des Stiftungsprivatrechts enthält das Gesetz Neuerungen sowie die Kodifizierung bisher ungeschriebener Rechtsgrundsätze. In einem weiteren Schritt wird zum 1. Januar 2026 ein Stiftungsregister eingeführt. Von der Stiftungsrechtsreform sind zugleich gemeinnützige als auch privatnützige Stiftungen betroffen. Die Stiftungsrechtsreform kommt rechtzeitig zur aktuellen Diskussion darüber, welchen Wert oder Nutzen ein Unternehmen für Anspruchs- oder Interessengruppen (Stakeholder) hat. Prof. Dr. Patrick Peters von der privaten Allensbach Hochschule in Konstanz führt am Beispiel der unternehmerischen Familienstiftung aus: „Der nachhaltige Erhalt einer Unternehmenskultur ist im familiengeführten Mittelstand ein entscheidender Aspekt, denn sie steht für Wertschätzung und Stabilität und bietet Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen sicheren Hafen – das erhöht die Arbeitgeberattraktivität.“ Die Stiftung sei ein wesentliches Instrument für die nachhaltige Fortführung und Entwicklung einer auf Werten und Sinnstiftung basierenden Unternehmenskultur über Generationen hinweg, so Prof. Dr. Patrick Peters.

Gestaltungspotenziale

Entsprechend lässt sich die Vermögensnachfolge durch private Familienstiftungen optimal gestalten, weil hierdurch das übertragene Vermögen, wie etwa Beteiligungen oder Immobilienfamilienbesitz, im Erbfall nicht zersplittert, sondern langfristig als Einheit in der Familienstiftung erhalten bleibt, vor dem Zugriff Dritter geschützt ist und Erbstreit vermieden wird. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu Familiengesellschaften mit rechtlich zulässiger Bindung auf maximal 30 Jahre, aber Zugriff auf das Vermögen, zumal die Bindung einstimmig aufgehoben werden kann.

Bundeseinheitliche Normen

Dreh- und Angelpunkt der Stiftungsrechtsreform ist die bundesweite Einheitlichkeit. Ohne am wesentlichen Kern viel zu ändern, soll das Stiftungsrecht übersichtlicher und auch im Umgang erleichtert werden. Auch die Harmonisierung bisher länderspezifischer Rechtsprechung wird bezweckt. Hierauf beruhende Streitfragen, Unsicherheiten sowie Shopping des Gründungssitzes sollen vermieden werden. Zur Umsetzung dieser Ziele sind die Regelungen im Gesetz wesentlich umfangreicher als bisher, ohne das grundsätzliche Verständnis infrage zu stellen. Da Stiftung ein ungeschützter Begriff ist, werden im Gesetz die Rechtsform der rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts sowie die Voraussetzungen für deren Entstehung geregelt, nicht jedoch für andere Stiftungsformen, wie rechtsfähige Stiftungen des öffentlichen Rechts oder unselbstständige Stiftungen.

Abgrenzung zu anderen Rechtsformen

Nach der Legaldefinition in § 80 Abs. 1 S. 1 BGB n. F. ist die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts „eine mit einem Vermögen zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung eines vom Stifter vorgegebenen Zwecks ausgestattete, mitgliederlose juristische Person“. Sie unterscheidet sich von anderen juristischen Personen des Privatrechts, wie Kapitalgesellschaften, Genossenschaften und Vereinen, insbesondere durch das Fehlen von Gesellschaftern beziehungsweise Mitgliedern. Die Stiftung gehört sich selbst. Der Zweck der Stiftung, festgelegt durch den Stifter, ist ihr Leitsatz, das Vermögen Mittel zur Erfüllung. Diese typische Verknüpfung von Zweck mit Vermögen bedingt die Unzulässigkeit des Stiftungszwecks Erhalt eigenen Vermögens.

Business Judgement Rule

Herausragendes Beispiel für die Normierung bisher ungeschriebener Rechtsgrundsätze in § 84a Abs. 2 S. 2 BGB n. F. ist die schon bisher von der Rechtsprechung für Stiftungen angewandte Business Judgement Rule (BJR) für unternehmerische Entscheidungen mit Beurteilungs- und Ermessensspielraum – im Gegensatz zu gebundenen Entscheidungen. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Mitglied des Organs bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln. Die Kernpunkte der BJR sind:

  • unternehmerische Entscheidung mit Beurteilungs- und
    Ermessensspielraum
  • Handeln auf Grundlage angemessener Informationen und
    Kenntnissen (intern/extern)
  • rationale Entscheidung ohne Partikularinteressen
  • Entscheidung zum Wohle der Stiftung
  • zeitnahe Dokumentation als Nachweis

Exemplarisch relevant ist die BJR für die Verwaltung des Stiftungsvermögens, also Geldanlage und Immobilien. Unter Einhaltung vorstehender Bestimmungen sind die Organmitglieder bei Entscheidungen mit Prognosecharakter von der Haftung freigestellt. Ohne Nachweis würde aufgrund der Beweislastumkehr deren Verschulden vermutet. Eine satzungsmäßige Modifikation der Haftung ist gemäß § 84a Abs. 3 BGB n. F. in Verbindung mit § 31a BGB zulässig.

Wesentliche Neuerungen

Satzungsbestimmungen können geändert, ergänzt oder aufgehoben werden. Auch eine Zweckänderung ist möglich, sofern sich der Zweck in einer für den Stifter unvorhersehbaren Weise wandelt. Da diese Bestimmungen dispositiv sind, können abweichende Regelungen bei Neugründungen bestimmt werden. Alternativ ist auch die Änderung der Satzung einer Ewigkeitsstiftung in eine Verbrauchsstiftung auf Zeit zulässig, sofern diese ihren Zweck nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllen kann. Die Voraussetzungen entsprechen Satzungsänderungen. Neu ist des Weiteren die Ermächtigung der Stiftungsaufsicht zur Notbestellung von Organmitgliedern. Sofern die Stiftung ihren Zweck nicht mehr – auch nicht durch Anpassung der Satzung – erfüllen kann, ist zudem ihre Auflösung durch den Vorstand unter Maßgabe der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde zulässig. Subsidiär ist auch die behördliche Auflösung bestimmt. Bislang uneinheitlich geregelt und sogar teilweise unzulässig, können nun Gewinne aus der Umschichtung des Grundstockvermögens für den Stiftungszweck verwendet werden, sofern das Grundstockvermögen nominal erhalten wird und die Satzung die Verwendung dieser Umschichtungsgewinne nicht ausschließt. Schließlich wurde die Zu- und Zusammenlegung von Stiftungen geregelt. Zulegung ist die Vermögensübertragung auf eine andere bestehende Stiftung, Zusammenlegung ist die Übertragung mehrerer Stiftungen auf eine neue Stiftung. Erst 2026 wird das Stiftungsregister unter anderem mit Angaben zur Vertretungsbefugnis eingeführt. Abweichend vom Handelsrecht mit Schutz des positiven Vertrauens in dessen Richtigkeit entfaltet das Stiftungsregister nur negative Publizität. In einer noch zu erlassenden Rechtsordnung hierzu sollen Sonderregelungen für Altstiftungen sowie spezifische Beschränkungen zur Einsichtnahme, insbesondere für personenbezogene Daten oder sensible Bereiche der Stiftungssatzung, bestimmt werden. Zudem müssen Stiftungen künftig den Rechtsformzusatz „eingetragene Stiftung“ (e. S.) beziehungsweise „eingetragene Verbrauchsstiftung“ (e. VS.) führen.

Kritik an der Reform

Wesentliche Kritikpunkte an der Stiftungsrechtsreform sind das fehlende lebzeitige Änderungsrecht des Stifters, keine Zulassung der Stiftung auf Zeit sowie mangelnde Klagebefugnis von Organen beziehungsweise berechtigten Dritten. Für eine Zulassung der Stiftung auf (feste) Zeit spräche, dass Verbrauchsstiftungen mit begrenztem, aber nicht genau definierbarem Zeithorizont bereits vom Leitbild der Ewigkeitsstiftung abweichen.

Fazit und Ausblick

Durch das neue Stiftungsrecht will der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen von Stiftungen erleichtern und fördern. Die Bereitschaft, für die Gesellschaft Gutes zu tun, Verantwortung für die Familie zu übernehmen sowie deren Fortbestand über Generationen hinaus zu schützen, zeichnet ethisches Handeln aus. Sich entweder der Familie oder der Gemeinschaft verpflichtet zu fühlen, sind dabei keine Gegensätze, sondern bedingen sich geradezu gegenseitig. Da das neue Stiftungsrecht zum 1. Juli 2023 in Kraft treten wird, sollten Bestandsstiftungen zeitnah ihre Satzungen, unter anderem hinsichtlich BJR, Flexibilisierung der Verwendung von Stiftungsvermögen oder Abweichungen zum neuen Stiftungsrecht, überprüfen.

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Zum Autor

MS
Manfred Speidel

Steuerberater in München; StiftungsMentor

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