Business Judgement Rule - 27. Juli 2023

Sorgfaltspflichten einhalten

Für Stiftungsorgane oder deren Vermögensverwalter ist eine systematische und dokumentierte Risikoabwägung gerade bei Anlageentscheidungen ein Instrument zum Selbstschutz.

Die Business Judgement Rule (BJR), eine aus dem US-amerikanischen Recht in abgewandelter Form übernommene Regel, betrifft die Haftung der Geschäftsführung gegenüber dem Unternehmen beziehungsweise deren Eigentümerinnen und Eigentümern. Diese seit 2005 in § 93 Aktiengesetz (AktG) enthaltene Regel zur Beweislastumkehr möglicher Pflichtverletzungen von Vorständen bei unternehmerischen Entscheidungen unter Unsicherheit wird von der Rechtsprechung auch bei GmbHGeschäftsführern analog angewandt. Nunmehr wird die BJR mit Wirkung seit Juli 2023 ins neue bundeseinheitliche Stiftungsrecht übernommen [§ 84a Abs. 2 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) n. F.]. Die BJR regelt verbindlich die Haftung und Beweislast von Organen bei unternehmerischen Entscheidungen mit Beurteilungs- und Ermessensspielraum und wehrt damit eine unangemessene Erfolgshaftung ab. Die Regelung ist nicht anwendbar bei gebundenen Entscheidungen, die unter Beachtung von Gesetz, Satzung und Vertrag getroffen werden.

Die neuen Vorgaben

Nach bisheriger Rechtslage musste das Stiftungsorgan fehlendes Verschulden beweisen, um einen Schadenersatz wegen Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu vermeiden. Dies zwang zu betont risikoaversen Entscheidungen. Im Fokus steht nun künftig die Beurteilung einer Entscheidung aus Ex-ante-Sicht, also eine von Prognosen und Einschätzungen geprägte unternehmerische Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen, auch wenn sich diese im Nachhinein als falsch darstellen sollte. Keine Pflichtverletzung und damit auch keine Beweislastumkehr ist gegeben, wenn bei unternehmerischen Entscheidungen vernünftigerweise angenommen werden durfte, auf Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, und dies auch zeitnah dokumentiert worden ist, mit dem Ziel, wirtschaftlich vernünftige anstelle risikoaverser Entscheidungen zu fördern. Zusammengefasst lauten die neuen Regeln zur Haftung – kein pflichtwidriges Handeln gemäß § 84a BGB neu – wie folgt:

  • unternehmerische Entscheidung mit
    Beurteilungs- und Ermessensspielraum,
  • Handeln auf Grundlage angemessener Informationen und
    Kenntnisse (intern/extern),
  • rationale Entscheidung ohne Partikularinteressen,
  • Entscheidung zum Wohle der Stiftung sowie
  • zeitnahe Dokumentation als Nachweis.

Fachkundige Begleitung empfohlen

Wichtigste Voraussetzung des Haftungsprivilegs bei unternehmerischen Entscheidungen ist eine hinreichende Informationslage aufgrund Ausschöpfung der verfügbaren Informationsquellen, gegebenenfalls unter Einholung fachmännischen Rats, mit Prüfung von Handlungsalternativen und abschließender Dokumentation: Wer schreibt, der bleibt. Exemplarisches Beispiel für Entscheidungen unter Unsicherheit ist die Vermögensanlage. Die Analyse komplexer Vermögensstrukturen, um Risiken in Rendite-/Risikoprofilen, Nachhaltigkeitsdepots (ESG) und Immobilienportfolios zu erkennen, ist ohne fachkundige Begleitung in den seltensten Fällen zu bewerkstelligen.

BJR-Gutachten

Das BJR-Gutachten von StiftungsMentor in Kooperation mit dem Institut für Vermögensaufbau AG (IVA) sowie der Eimermacher Immobilienbewertung GmbH soll Organe und Entscheidungsträger jeder Rechtsform sowie Vermögensverwalter, Family Offices und Stiftungsvorstände unterstützen bei der Risikovorsorge und Dokumentation mit dem Ziel einer Haftungs- und Beweislastvermeidung. Auch als Voraussetzung für zu erstellende Compliance-Management-Systeme (CMS) liefert das Gutachten objektive Daten. Wichtiger jedoch als eine Vielzahl von Richtlinien ist, dass insbesondere die zuvor identifizierten individuellen Risiken abgedeckt werden. Wird die Risikoanalyse sorgfältig und ehrlich durchgeführt, leistet auch ein CMS einen beachtlichen Mehrwert zur Haftungsvermeidung. Auch bei einer energetischen Erneuerung von Immobilien zeigt sich die Relevanz des Gutachtens. Denn im Bereich der Vermögensverwaltung kann der enge Fokus auf renditeträchtige Anlagen zum Bumerang werden.

Fazit und Ausblick

Zusammenfassend wird eine umfassende Analyse der Vermögensstruktur empfohlen, um verborgene Risiken und Chancen im Rendite-/Risikoprofil von Geldanlagen und Immobilien zu erfassen. Erweiternd sind Prognosen von künftigen Zahlungsab- und -zuflüssen zu erstellen, um Handlungsalternativen und Maßnahmen zu erstellen. Das BJR-Gutachten von Stiftungs-Mentor in München sowie die private Vermögensstrukturanalyse auf Basis dieses Gutachtens unterstützen diese wichtige und umfassende Risikovorsorge. Hinzu kommt eine zusätzliche Haftungsvorsorge durch die Vorgaben der BJR, insbesondere für GmbH, Aktiengesellschaft und Stiftung. „Eine umfassende, systematische und vor allem dokumentierte Risikoabwägung bei Anlageentscheidungen ist ein Instrument des Selbstschutzes für die Mitglieder von Stiftungsorganen und deren Vermögensverwalter“, führt Dominik Fietz, Stiftungsbeauftragter der V-Bank AG, aus. „Das BJR-Gutachten dokumentiert transparent die Einhaltung von Sorgfaltspflichten gegenüber Spendern und Zustiftern und Aufsichtsbehörden.“

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Zu den Autoren

MS
Manfred Speidel

Steuerberater in München; StiftungsMentor

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MS
Michael Schurr

Stiftungsbeauftragter und Pressesprecher bei StiftungsMentor

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