Rechtsformwahl - 27. Juli 2023

Kapitalgesellschaft oder Einzelunternehmen?

Vor der Umsetzung einer Geschäftsidee müssen sich die angehenden Existenzgründer klar darüber werden, ob sie zunächst ihr Unternehmen als natürliche oder gleich als juristische Person betreiben wollen.

Wer ein Unternehmen gründet, muss sich zunächst die Frage stellen, in welcher Rechtsform er seinen Betrieb führen will – als Inhaber eines Einzelunternehmens oder als Inhaber einer Gesellschaft. Unter den vorhandenen Gesellschaftsformen besteht wiederum die Wahl zwischen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften. Nachfolgend sollen die möglichen Entscheidungskriterien bezüglich der Vor- und Nachteile einer Kapitalgesellschaft versus Einzelunternehmen erläutert werden.

Rechtsformen einer Kapitalgesellschaft

Um die Entscheidung treffen zu können, ob man ein Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betreiben will, ist es sinnvoll, sich vorab darüber klar zu werden, welche Arten von Kapitalgesellschaften überhaupt zur Verfügung stehen und für den Betrieb des neu zu gründenden Unternehmens infrage kommen. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) enthält eine Legaldefinition des Begriffs Kapitalgesellschaft und fasst hierunter insbesondere

  • die Europäische Gesellschaft (SE),
  • die Aktiengesellschaft (AG),
  • die Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) sowie
  • die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH).

Kaum relevante Rechtsformen

Da die Rechtsformen der SE und der KGaA aufgrund des komplizierten Regelwerks (SE) beziehungsweise der komplizierten Besteuerung (KGaA) in der Beratungspraxis für Unternehmensgründer kaum eine Rolle spielen, kommen für Existenzgründerinnen und Existenzgründer praktisch nur die Rechtsformen der AG und der GmbH infrage. Da ein Unternehmensgründer jedoch in der Regel weder einen sofortigen Gang zur Börse plant noch sich den strengen Formvorschriften des Aktiengesetzes unterwerfen will, wird die Abwägung der Rechtsformwahl in der überwiegenden Zahl der Fälle zwischen dem Einzelunternehmen einerseits und einer Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH andererseits fallen. Zu einer AG kann man bei entsprechender Größe und konkreten Börsenplänen schließlich immer noch wechseln.
2008 wurde das Spektrum der Kapitalgesellschaften zwar um die Rechtsform der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), kurz: UG (haftungsbeschränkt), erweitert. Diese insbesondere für Unternehmensgründer eingeführte Mini-GmbH spielt jedoch in der Beratungspraxis aufgrund diverser Nachteile, nicht zuletzt durch den langen und abschreckenden Rechtsformzusatz, eine eher untergeordnete Rolle und wird daher nachfolgend nicht näher thematisiert. Prinzipiell sei jedoch darauf hingewiesen, dass auch eine UG (haftungsbeschränkt) nicht mit einem Euro Stammkapital gegründet werden kann, wie dies vereinzelt propagiert wird, und die für eine GmbH-Gründung erforderlichen 12.500 Euro eingezahltes Stammkapital gut investiert sind.

Rechtsform des Einzelunternehmens

Der aus dem Steuerrecht stammende Begriff des Einzelunternehmens beschreibt nichts anderes, als dass der gründende Unternehmer das von ihm geplante Unternehmen nicht zusammen mit anderen Geschäftspartnern betreibt, sondern alleine. Besteht das Unternehmen aus einem Gewerbebetrieb, kann es der Einzelunternehmer bis zu einer gewissen Größe ohne Registrierung im Handelsregister betreiben. Erfüllt er jedoch die Kriterien eines Handelsgewerbes im Sinne von § 1 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB), wonach das Unternehmen einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, ist er automatisch Kaufmann im Sinne des HGB und als solcher verpflichtet, sich im Handelsregister als sogenannter eingetragener Kaufmann oder e. K. einzutragen (§ 29 HGB). Die Kriterien, wann ein Handelsgewerbe im Sinne von § 1 Abs. 2 HGB vorliegt, sind stark branchen- und einzelfallabhängig und lassen sich nicht an fixen Umsatz- oder Gewinnschwellen festmachen. Betreibt der Unternehmer jedoch keinen Gewerbebetrieb oder erfüllt er die Größenkriterien des § 1 Abs. 2 HGB nicht, kann er auch ohne Registrierung im Handelsregister agieren.

Haftung

Das über allem schwebende Unterscheidungsmerkmal zwischen einem Einzelunternehmen und einer Kapitalgesellschaft ist die Haftung des Inhabers für die Verbindlichkeiten des Unternehmens. Während der Inhaber eines Einzelunternehmens für die Verbindlichkeiten seines Unternehmens in voller Höhe persönlich mit seinem Privatvermögen haftet und unter Umständen bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eines Unternehmensgläubigers beispielsweise sein privates Haus zwangsversteigern lassen muss, hat die Kapitalgesellschaft den Vorteil, dass die Haftung für ihre Verbindlichkeiten auf deren Vermögen beschränkt ist.

Image

Dieser wesentliche Vorteil der Kapitalgesellschaft geht jedoch mit dem Nachteil einher, dass die Haftungsbeschränkung in der Praxis Geschäftspartner abschrecken kann beziehungsweise diese vom Inhaber als Gesellschafter eine zusätzliche Sicherheit für Verbindlichkeiten, etwa in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft, verlangen könnten, womit dieser wesentliche Vorteil der Kapitalgesellschaft wieder ausgehebelt wäre und man in Bezug auf diesen konkreten Unternehmensgläubiger haftungstechnisch nicht besser stehen würde, als wäre man Einzelunternehmer. Damit kann auch das Renommee einer Rechtsform der entscheidende Faktor bei der Rechtsformwahl sein. Während man den Geschäftspartnern mit einer GmbH signalisiert, keine Haftungsrisiken eingehen und den Geschäftspartner im Zweifelsfall leer ausgehen lassen zu wollen, signalisiert die Rechtsform des Einzelunternehmers beziehungsweise des eingetragenen Kaufmanns dem Markt eine gewisse Verbindlichkeit und ein Verantwortungsbewusstsein des Unternehmers für seine Handlungen und Verbindlichkeiten, für die er notfalls mit seinem gesamten Privatvermögen haften würde. Auch innerhalb der Gesellschaftsformen von Kapitalgesellschaften kann übrigens das Renommee eine entscheidungserhebliche Rolle spielen. So haben sich Gründer schon für die Rechtsform einer AG oder SE entschieden, allein weil diese Rechtsformen in manchen Branchen, wie in der IT, besser ankommen und eine gewisse Größe signalisieren.

Publizität und Bilanzierungspflicht

Abseits der Hauptkriterien Haftung und Image spielen bei der Rechtsformwahl insbesondere Publizitäts- und Rechnungslegungspflichten eine Rolle. So ist ein Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft beispielsweise größenunabhängig immer zur Erstellung eines Jahresabschlusses verpflichtet (Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung), gegebenenfalls nebst Anhang und Lagebericht, während Einzelunternehmen bis zu einer gewissen Größe keinen Jahresabschluss erstellen müssen. Damit gehen somit jährliche Kosten für die Erstellung eines Jahresabschlusses bei der Kapitalgesellschaft einher, die es in der Rechtsform des Einzelunternehmens so nicht gibt. Zudem sollte man sich bewusst sein, dass Kapitalgesellschaften zur Offenlegung ihrer Bilanzen im Bundesanzeiger verpflichtet sind. Wer seine Unternehmenskennzahlen nicht öffentlich einsehbar wissen will, wählt somit eher die Rechtsform des Einzelunternehmens. Das gilt auch für die Unternehmensverfassung wie Gesellschaftsverträge oder den Gesellschafterbestand, die beispielsweise bei einer GmbH im Handelsregister – inzwischen sogar kostenlos – für jedermann einsehbar sind.

Zusammenfassung

Vor dem Betrieb eines Unternehmens muss sich der Existenzgründer zunächst zwischen einem Einzelunternehmen und einer Kapitalgesellschaft entscheiden und die jeweiligen Vor- und Nachteile dieser Rechtsformen gegeneinander abwägen. Wem sein Privatvermögen etwas wert ist, der wählt die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, in der Regel die GmbH. Die damit verbundenen Nachteile in der Außendarstellung dürften sich in Grenzen halten, da die GmbH in Deutschland weit verbreitet und in der Gesellschaft als seriöse Rechtsform des Mittelstands anerkannt ist – anders als die UG (haftungsbeschränkt). Und auch die zusätzlichen Beratungskosten für die Erstellung und Offenlegung des Jahresabschlusses dürften mit dem Vorteil der Haftungsbeschränkung in keinem Verhältnis stehen. Spätestens im Alter aber wird man sich den Betrieb des Unternehmens in der Rechtsform einer (Kapital-)Gesellschaft überlegen müssen, da das Einzelunternehmen im Erbfall in eine Erbengemeinschaft zu fallen droht, was regelmäßig zu Komplikationen führt.

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Zum Autor

HW
Hannes Wunderlich

Rechtsanwalt bei Ecovis in München

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