Durch Umsetzung der sogenannten Mindestbesteuerungsrichtlinie kommen auf Unternehmen mit internationaler Ausrichtung neue Herausforderungen zu, die zum Teil für Geschäftsjahre nach dem 31. Dezember 2023 gelten.
Am 15. Dezember 2023 hat der Bundesrat dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2523 des Rates zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung und weiterer Begleitmaßnahmen (Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz) zugestimmt. Im Kern enthält das Gesetz das sogenannte Mindeststeuergesetz (MinStG), das Teil einer Initiative zur globalen Steuergerechtigkeit ist. Darüber hinaus sind noch weitere Änderungen zu Regelungen mit internationalem Bezug enthalten, insbesondere aus dem Außensteuergesetz (AStG).
Hintergrund und Zweck des Gesetzes
Mit dem MinStG wird die sogenannte zweite Säule (Pillar 2) des OECD-BEPS-2.0-Projekts umgesetzt. Vorangegangen war hier die Richtlinie (EU) 2022/2523 (Mindestbesteuerungsrichtlinie) zur Umsetzung der OECD-Regeln innerhalb der EU. Die Mitgliedstaaten hatten bis zum 31. Dezember 2023 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht zu transformieren. Deutschland hat die entsprechenden Regelungen im MinStG aufgenommen. Das Gesetz wirkt insbesondere einem zwischenstaatlich schädlichen Steuerwettbewerb entgegen. Unternehmen mit Hauptsitz in Hochsteuerländern sollen daran gehindert werden, Gewinne auf ausländische Tochtergesellschaften und Betriebsstätten in Niedrigsteuerländern zu verlagern und somit von niedrigen Steuersätzen zu profitieren. Solche Gestaltungen werden durch das Gesetz nicht verboten, allerdings darf der Steuersatz im Ausland nicht unter eine bestimmte Schwelle fallen, sonst droht eine ergänzende Steuer bis zur Höhe des Mindeststeuersatzes von 15 Prozent im Staat der obersten Muttergesellschaft. Die Mindeststeuer selbst ist eine eigene Steuerart, die als Ertragsteuer anzusehen ist. Die Regelungen zur Mindeststeuer gelten grundsätzlich für alle Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2023 beginnen. Die folgend skizzierte Sekundärergänzungsregelung ist erst auf Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2023 enden.
Betroffene Unternehmen
Nach § 1 MinStG beschränkt sich die Anwendung der Mindeststeuerregelungen auf große Unternehmensgruppen mit einem gruppenweiten Umsatz laut Konzernabschluss von mindestens 750 Millionen Euro. Diese Umsatzgrenze muss in mindestens zwei der vier vorangegangenen Geschäftsjahre erreicht worden sein. Die Regelungen finden sowohl im Fall von inländischen Geschäftseinheiten einer ausländischen Konzernmuttergesellschaft als auch bei einer inländischen Konzernmuttergesellschaft mit ausländischen Geschäftseinheiten Anwendung. Als eine Geschäftseinheit im Sinne der Regelung sind insbesondere Tochtergesellschaften in der Rechtsform von Personen- und Kapitalgesellschaften, Betriebsstätten und bestimmte Joint Ventures zu verstehen. Vom Anwendungsbereich der Mindeststeuer ausgenommen sind unter anderem staatliche Einheiten, wie etwa Gebietskörperschaften, internationale Organisationen, wie UN oder WTO, sowie Non-Profit-Organisationen und Pensionseinheiten. Bei Unternehmensgruppen mit sogenannter untergeordneter internationaler Tätigkeit ist eine fünfjährige Steuerbefreiung vorgesehen. Damit eine nur untergeordnete internationale Tätigkeit vorliegt, darf die Unternehmensgruppe in nicht mehr als sechs Steuerhoheitsgebieten über Geschäftseinheiten verfügen und der Gesamtwert aller materiellen Vermögenswerte aller nicht im sogenannten Referenzsteuerhoheitsgebiet belegenen Geschäftseinheiten nicht mehr als 50 Millionen Euro betragen. Das Referenzsteuerhoheitsgebiet einer Unternehmensgruppe ist dabei das Steuerhoheitsgebiet, in dem die Unternehmensgruppe den höchsten Gesamtwert an materiellen Vermögenswerten ausweist. Zeitlich begrenzt auf Geschäftsjahre, die am oder vor dem 31. Dezember 2026 beginnen und vor dem 1. Juli 2028 enden, ist außerdem über eine Vereinfachungsregelung, die sogenannte CbCR-Safe-Harbour-Regelung (Country by Country Reporting), eine Herabsetzung des Steuererhöhungsbetrags für ein Steuerhoheitsgebiet auf null möglich.
Die Mindeststeuergruppe
Die steuerpflichtigen inländischen Geschäftseinheiten bilden die sogenannte Mindeststeuergruppe. Für diese muss ein Gruppenträger bestimmt werden. Nach § 3 MinStG wird zunächst die oberste inländische Muttergesellschaft als Gruppenträger betrachtet. Ist eine solche nicht vorhanden, wird eine inländische Gesellschaft zum Gruppenträger bestimmt. Der Gruppenträger ist dann Schuldner der Mindeststeuer, wobei die inländischen Geschäftseinheiten grundsätzlich gesamtschuldnerisch für deren Zahlung haften.

Ergänzungssteuerregelungen
Durch verschiedene sogenannte Ergänzungssteuerregelungen wird das Hochschleusen der Gesamtsteuerbelastung pro Land mit Geschäftseinheiten auf 15 Prozent garantiert. Das MinStG ist dabei zwar ein nationales Gesetz, die Regelungen stehen aber in Verbindung mit entsprechenden Regelungen in anderen EU-Ländern, welche die Richtlinie (EU) 2022/2523 ebenfalls umgesetzt haben. Hierdurch entsteht ein komplexes Zusammenspiel. Die Mindeststeuer setzt sich aus drei Komponenten zusammen. Die Primärergänzungssteuerregelung (PES) ist in den §§ 8 bis 10 MinStG geregelt und bewirkt zunächst auf Ebene der Muttergesellschaft, die entweder selbst niedrig besteuert ist oder an niedrig besteuerten Geschäftseinheiten Beteiligungen hält, eine Nachversteuerung für alle nachgeordneten Geschäftseinheiten in der Unternehmensgruppe. Der Primärergänzungssteuerbetrag wird gemindert, soweit bei einem im Ausland ansässigen Gruppenträger für die ihm nachgeordneten Geschäftseinheiten eine Steuer aufgrund einer anerkannten Primärergänzungssteuerregelung erhoben wurde. Sofern die Niedrigbesteuerung nicht oder nicht vollständig durch die PES ausgeglichen werden kann, greift die Sekundärergänzungssteuerregelung (SES) nach den §§ 11 bis 14 MinStG. Dabei wird der auf Deutschland entfallende Teil am Steuererhöhungsbetrag nach einer Formel ermittelt, die sich an der Mitarbeiteranzahl des Gesamtunternehmens beziehungsweise der auf Deutschland entfallenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und den Vermögenswerten orientiert. Von eher theoretischer Bedeutung ist schließlich die Nationale Ergänzungssteuerregelung (NES). Hier entsteht der Ergänzungssteuerbetrag in Höhe des für Deutschland ermittelten und der Geschäftseinheit zugeordneten Steuererhöhungsbetrags. Dazu müsste aber in der Praxis eine entsprechende Niedrigbesteuerung in Deutschland gegeben sein.
Grundlagen der Steuerberechnung
Der Steuererhöhungsbetrag wird jeweils länderbezogen ermittelt. Basis ist hierbei der angewandte Rechnungslegungsstandard der obersten Muttergesellschaft (zum Beispiel die International Financial Reporting Standards, kurz IFRS). Hierbei wird der nach den Vorschriften der Konzernrechnungslegung ermittelte Jahresüberschuss oder -verlust vor Konsolidierungsanpassungen und Zwischenergebniseliminierungen (Mindeststeuerjahresüberschuss oder Mindeststeuerjahresfehlbetrag) um bestimmte Hinzu- und Abrechnungen modifiziert. Um festzustellen, ob die Steuerbelastung im Rahmen der Geschäftseinheiten eines Lands unter dem Mindeststeuersatz von 15 Prozent liegt, muss der effektive Steuersatz für alle Geschäftseinheiten eines Lands ermittelt werden. Die Differenz zwischen dem Mindeststeuersatz und dem effektiven Steuersatz pro Land ergibt den Ergänzungssteuersatz. Der Steuererhöhungsbetrag eines Lands ist aus dem Produkt von Ergänzungssteuersatz und bereinigtem Mindeststeuergewinn unter Berücksichtigung von bestimmten substanzbasierten Freibeträgen zu ermitteln.
Besteuerungsverfahren
Für die Mindeststeuer ist beim zuständigen Finanzamt für die deutsche Mindeststeuergruppe vom Gruppenträger eine Steuererklärung abzugeben. Die Steuer muss dabei selbst berechnet werden. Ist die oberste Muttergesellschaft der Gruppe ebenfalls in Deutschland ansässig, muss darüber hinaus auch ein Mindeststeuerbericht abgegeben werden. Bei der Mindeststeuer erfolgt keine automatische und zwangsweise Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei verspäteter Abgabe der Steuererklärung. Bei einer nicht oder nicht fristgerechten Abgabe des Mindeststeuerberichts greifen separate Bußgeldregelungen.
Hinzurechnungsbesteuerung
Die Niedrigsteuergrenze in § 8 Abs. 5 AStG im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung ist von vormals 25 auf 15 Prozent gesenkt worden. Nur ab der Unterschreitung der entsprechenden Steuerbelastung der ausländischen Gesellschaft findet beim deutschen Gesellschafter unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 7, 8 AStG eine Hinzurechnung des positiven Ergebnisses der ausländischen Gesellschaft statt, unabhängig davon, ob bei dieser eine Ausschüttung stattfand oder nicht. Die Herabsetzung gilt erstmalig für Hinzurechnungen aus Wirtschaftsjahren, die nach dem 31. Dezember 2023 enden. Durch die Neuregelung dürften zukünftig insgesamt weniger ausländische Beteiligungen unter die Hinzurechnungsbesteuerung fallen.
Neue elektronische Meldepflichten
Die Mitteilungen nach § 6 Abs. 5 AStG bei Stundungen oder Jahresratenzahlungen bei der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG sowie Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 18 Abs. 1 bis 3 AStG im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung müssen künftig elektronisch übermittelt werden. Entsprechendes gilt auch für die Informationen zu ausländischen Familienstiftungen nach § 15 AStG. Die Regelungen zur elektronischen Übertragung sind erstmals auf den Veranlagungszeitraum 2025 beziehungsweise für Hinzurechnungsbeträge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2024 entstehen.
Lizenzschranke
Durch die Regelungen der Lizenzschranke nach § 4j Einkommensteuergesetz (EStG) können gegebenenfalls bestimmte Lizenzzahlungen an ausländische Lizenzgesellschaften in Deutschland als nicht abzugsfähig behandelt werden. Auch hier wurde die Niedrigsteuergrenze für die Steuerbelastung der ausländischen Lizenzgesellschaft von unter 25 Prozent auf unter 15 Prozent herabgesetzt. Diese Herabsetzung gilt für alle Aufwendungen, die nach dem 31. Dezember 2023 entstehen.
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