Firmeninsolvenzen aufgrund von Corona - 7. Mai 2020

Unternehmen am Abgrund

Die negativen Folgen der Pandemie sind für einzelnen Wirtschaftszweige in Deutschland so massiv, dass es mit Blick auf die Überlebensfähigkeit so mancher Betriebe bereits jetzt schon fünf vor zwölf ist.

Die Dauer der Gegenmaßnahmen, speziell der Betriebseinschränkungen, haben mittlerweile für viele Unternehmen zu einer mehr als ernsten wirtschaftlichen Lage geführt. Rein beispielhaft möchte ich im Weiteren auf die gastronomischen Betriebe eingehen. An dieser dramatischen Situation können auch die bis dato angebotene Hilfsmaßnahmen nichts ändern, da sie vielfach nicht mehr ausreichend Auftrieb bedeuten mit Blick auf die Überlebensfähigkeit des geschäftlichen Betriebs. Und auch angebotenen Kredite sind vor dem Hintergrund der späteren Rückzahlung nur eine vermeintliche, lediglich problemverschiebende Lösung. Aussicht auf eine ausreichend rasche Lockerung der Betriebseinschränkungen sowie eine schnelle Rückkehr zu einem normalen Konsumentenverhalten darf derzeit nicht erwartet werden. Wohl keiner der betroffenen Unternehmer gibt seinen Betrieb gerne oder bereitwillig auf. Aber die Auseinandersetzung mit dieser Tatsache ist auf Grund der aktuellen Lage sowie der weiteren Prognosen wohl unweigerlich geboten. Das gilt sowohl für die Geschäftsleitung als auch den steuerlichen Berater, der das jeweilige Unternehmen begleitet. Konkret muss man sich dieser unerfreulichen Aufgabe in fünf Schritten nähern.

Dringlichkeit der Lage erkennen

Zunächst einmal müssen die Beteiligten fähig sein, die Dringlichkeit des konkreten Handelns zu erkennen. Hierzu möchte ich auf die bisher erschienenen Artikel verweisen, die dazu dienen, die Betroffenen für die Wahrnehmung der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage zu sensibilisieren; im Besonderen auf die rechtzeitige Einrichtung eines Frühwarnsystems. Details dazu hierzu finden Sie in dem Beitrag „Barometer auf der Kommandobrücke“.

Bereitschaft zur Akzeptanz

In einem zweiten Schritt muss man bereit sein, zu akzeptieren, was anhand der Finanzdaten zur ungewollten Realität geworden ist beziehungsweise zeitnah eintreten wird. Eine Insolvenzgefährdung ist eine Ausnahmesituation. Dies zu realisieren, bedarf einer besonderen Urteilsfähigkeit und -bereitschaft. Nicht jede Geschäftsleitung und nicht jeder steuerliche Berater sind dazu vorbehaltslos in der Lage. Daher ist eine konsequente Führung geboten. Externen Beratern, die mit dem jeweiligen Unternehmen nicht langjährig verbunden sind, gelingt es sicher besser, die tatsächlichen Erkenntnisse schonungslos zu vermitteln und die damit verbundenen notwendigen Folgerungen in die Wege zu leiten. In einer Schwächephase ist eine objektive Betrachtung geboten. Erfahrungsgemäß gelingt dies in der Regel nur durch Einbindung außenstehender Kräfte.

Folgemaßnahmen

Ist die Insolvenznähe diagnostiziert und eine Bereitschaft der Geschäftsleitung vorhanden, diesen Umstand zu akzeptieren, beginnen die Überlegungen mit Blick auf die Folgemaßnahmen. Diese sind vielfältig und breit anzulegen. In der Regel besteht bei Insolvenznähe eine unmittelbare Gefährdung der Liquidität. Daher muss zunächst ermittelt werden, ob in dem Unternehmen insoweit selbst hierzu Lösungsansätze gefunden werden können. Das Erstellen eines oder auch mehrerer Sanierungskonzepte oder Gutachten, etwa auf Basis des IDW S6, wäre nun die sachgerechte Herangehensweise. In dieser Phase sind insbesondere folgende Parameter zu definieren:

  • Analyse der Ist-Situation des Unternehmens
  • Feststellung des Krisenstadiums
  • Analyse der Krisenursachen
  • Aussagen zur Unternehmensfortführung, zur Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung
  • Maßnahmen zur Bewältigung der Unternehmenskrise inklusive einer integrierten Sanierungsplanung (Liquiditäts-, Ertrags- und Vermögenplanung)

Letztendlich läuft es auf die grundsätzliche Frage hinaus, ob und wenn ja wie das Unternehmen am Markt langfristig bestehen kann. Das ist die Kernfrage und die muss vor dem Hintergrund, dass Sanierungsmaßnahmen, gerade bei anliegender Dringlichkeit, regelmäßig nur mit Einbeziehung von Fremdkapital möglich sind, klar beantwortet werden. Ob das Fremdkapital klassisch von Banken oder Lieferanten gestellt wird oder ob alternative Finanzierungsmöglichkeiten (Crowdfunding) einbezogen werden, mag dahinstehen. Die wichtigsten Prüfkomponenten lauten:

  • Selbstfinanzierung des Unternehmens durch Veräußerung nicht betriebsnotwendigen Anlagevermögens, Sale-and-lease-back-Finanzierungen usw.
  • Außenfinanzierung durch die Aufnahme von Krediten oder Factoringlösungen  
  • Aufnahme neuer Gesellschafter gegen Kapitaleinlage
  • Privateinlagen der bestehenden Gesellschafter infolge der Veräußerung privaten Vermögens (Privatimmobilien, Komponenten der Altersabsicherung, Kreditaufnahme im Privatbereich zwecks Einlage in die Firma)
  • Sanierungsbeiträge der Arbeitnehmerschaft, wie etwa Lohnverzicht

Hierbei handelt es sich um Prüfkomponenten, mit denen auszuloten ist, ob derartige Maßnahmen überhaupt noch möglich oder denkbar sind. Eine praktische Umsetzung, insbesondere bei der Einbringung von Privatvermögen, hängt klar davon ab, ob ein solcher Schritt bei objektiver Betrachtung noch sinnvoll ist, um den Betrieb mit Blick auf eine Fortführungsprognose zu unterstützen. Der begleitende steuerliche Berater bewegt sich hier bereits auf dünnem Eis, denn Haftungsrisiken für ihn selbst gewinnen spätestens hier an Relevanz. Um der Haftungsgefahr adäquat begegnen zu können, ist die Überlebensfähigkeit des Unternehmens fundiert zu beurteilen. Konkret geht es darum, zu simulieren, ob der konkrete Geschäftsbetrieb in der Lage sein wird, mit den zuvor ausgeloteten Maßnahmen nachhaltig überleben zu können, speziell, ob bei dem bisherigen Geschäftsmodell noch eine langfristige Belastbarkeit festzustellen ist. Kann darauf keine befriedigende Antwort gegeben werden, steht der Unternehmer vor einer höchst problematischen Situation – mit Blick auf seine Mitarbeiter. Sind jedoch noch ausreichende Lösungspotenziale vorhanden, muss genau abgewogen werden, welche Maßnahme konkret für den Betrieb, die Gesellschafter, aber auch die Mitarbeiter sowie die Geschäftspartner im Weiteren am sinnvollsten ist.

Veränderung der Geschäftsstruktur

Sollten die notwendigen Lösungsansätze im Unternehmen selbst nicht mehr vorhanden sein beziehungsweise keine ausreichende Wirkung mehr entfalten können, ist im nächsten Schritt eine externe Lösung zu prüfen. In erster Linie geht es dabei um die Frage, ob sich der Betrieb als Ganzes oder in Teilen veräußern ließe. Bei dieser Sondierung besteht wegen der schwachen Liquidität des betroffenen Unternehmens ein unmittelbarer Zeitdruck. Und hier zeigt sich, wie sinnvoll es ist, einen spezialisierten, vorinsolvenzlichen Berater einzubinden, der in ein funktionierendes Netzwerk eingebunden ist, das wiederum über die einschlägigen Kontakte verfügt, damit rasch eine Markteinschätzung hinsichtlich des potenziellen Verkaufs erlangt werden kann. Kommt eine Marktlösung in Betracht, bei der das Unternehmen verkauft wird, lassen sich die Vermögensverluste für die bisherigen Gesellschafter zumindest in Grenzen halten und auch Arbeitsplätze können erhalten werden. Ist hingegen keine Marktlösung in Sicht, muss spätestens an dieser Stelle ehrlich beurteilt werden, ob eine Fortführung des angeschlagenen Unternehmens nachhaltig möglich und auch wirtschaftlich noch sinnvoll ist. Für den betroffenen Unternehmer bedeutet das, sich mit der Tatsache auseinanderzusetzen, wohl einen Insolvenzantrag stellen zu müssen.

Insolvenzrechtliche Konzepte

Die weitergehenden Sanierungsmöglichkeiten unter Einbeziehung insolvenzrechtlich möglicher Ansätze stellen einen massiven Einschnitt in den bisherigen Geschäftsbetrieb dar. Konkret ist nun zu prüfen, welche Maßnahmen a) zu einer schnellen Wirkung und b) zu einer nachhaltigen Sanierung führen. Wer kann diese Prozesse im Unternehmen leisten, wer lenkt, wer führt konkret aus und wer kontrolliert? In welchen Zeitabschnitten ist mit welcher Umsetzung zu rechnen? Dieser Fragekatalog ist die Basis für die weitere Vorgehensweise und stellt bereits die Grundzüge eines Sanierungskonzepts dar, das im Rahmen eines Insolvenzverfahrens dann erfolgreich umzusetzen ist. Auch hier zeigt sich, dass derartige Zuweisungen von Zuständigkeiten bereits im Vorfeld – lange vor einer Krise – zumindest theoretisch durchdacht werden sollten. Es gilt, die Fragen zu beantworten, ob sich an der Konstruktion des Unternehmens rasch etwas ändern ließe und ob das Unternehmen überhaupt über Mitarbeiter verfügt, die von der Kapazität und vom Know-how her in der Lage wären, solche Projekte parallel zu ihrer laufenden Arbeit mit anzugehen? Und ist vor allem auch der Unternehmer in der Lage, den von ihm erwarteten Part zu leisten? Dazu gehört auch die Fähigkeit, sowohl Gläubiger wie auch Arbeitnehmer zu überzeugen und für das Projekt ein Stück weit zu begeistern. Denn für die externen Gläubiger muss es belastbare Gründe geben, um erneut in das angeschlagene Unternehmen zu investieren. Wer kann diese Botschaft nach außen transportieren?

Fazit

Wenn die Uhr fünf vor zwölf anzeigt, muss mit Blick auf die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens Klartext gesprochen werden. Welche Maßnahmen sind bei einer konkreten Insolvenzgefährdung ratsam? Welche Komponenten kommen noch in Betracht, um gegenzusteuern? Dem steuerlichen Berater, der den Betrieb normalerweise betreut, könnte diese Aufgabe über den Kopf wachsen. Er ist dann gut beraten, einen im Insolvenzwesen spezialisierten Kollegen mit ins Boot zu holen.

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Zum Autor

Markus Wohlleber

Steuerberater, Dipl.-Betriebs­wirt (FH), Bank­kauf­mann, Fach­be­rater für San­ie­rung und In­sol­venz­ver­wal­tung (DStV) in der Steuer­be­ra­tungs­kanzlei Wohl­leber in Nürn­berg, Haß­furt und Frankfurt/M.

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