Die aktuelle Krise hat nicht nur Auswirkungen auf unsere gewerblichen Mandanten, sondern beeinträchtigt natürlich auch die Arbeit von uns Steuerberatern und Anwälten. Ein positiver Aspekt der Pandemie ist aber, dass die Digitalisierung ein Effektivitätstreiber in Krisenzeiten ist.
Das Wort Digitalisierung kann eigentlich niemand mehr hören. Nun aber in der Corona-Krise zeigt sich, dass eine digital ausgerichtete Kanzlei anscheinend besser durch diese schwere Zeit kommt als analoge Büros. Digitalisierung bedeutet dabei nicht, dass man mit seinem Laptop über WLAN arbeitet, sondern dass Mitarbeiter, Partner und Mandanten untereinander automatisiert verknüpft sind. Und genau das ist nun aufgrund der Pandemie wichtig, da man nicht mehr zusammen im Büro arbeiten kann. Digitalisierung ist also kein Fun Fact, sondern vielmehr notwendig für nahezu jedes Business. Daher soll nachfolgend verdeutlicht werden, welche Vorteile sich aufgrund der Corona-Krise ableiten lassen.
Posteingang und Unterschriftenmappe
In einer digitalen Kanzlei gibt es nahezu keinen papierhaften beziehungsweise ortsgebundenen Postverkehr mehr. Fast alle Briefe werden bei uns durch E-Mails ersetzt, die Mandanten oder Partner schreiben uns ihre Belange per Mail an unser Online-Portal und wir schicken unsere Antworten darüber zurück. Der Vorteil ist, dass unser Sekretariat sofort ins Home-Office verlagert werden kann, ohne dass wir uns Gedanken darüber machen müssen, wie nun die vielen Briefe auf unser Briefpapier gedruckt, anschließend zum betreffenden Mitarbeiter oder Berater kommenund am Ende einzeln verschickt werden können. Da unsere Kanzlei jeden Monat normalerweise über hundert Schreiben verlassen, wäre es unmöglich, diese aus einem provisorisch eingerichteten Home-Office verschicken zu lassen. Und auch das Frankieren wäre nicht möglich, da insoweit sämtliche Frankiergeräte an alle Home-Office-Standorte verschickt werden müssten. In unserer Kanzlei sind über 95 Prozent aller Anschreiben vollständig digital, da wir über digitale Briefköpfe verfügen.Somit kann jedes Dokument intern beziehungsweise extern verschickt werden. Die Dokumente erreichen jeden Mitarbeiter oder Partner der Kanzlei – auch im Home-Office – auf Knopfdruck.
Digitale Unterschrift
Unerlässlich in unserem Konzept sind die digitalen Unterschriften. Jeder Berater bei uns kann aus dem Home-Office heraus – oder von jedem anderen Ort aus – Briefe oder Einsprüche unterschreiben. Das typische Wühlen in vollgepackten Unterschriftsmappen ist bei uns passé. Jeder unserer Berater kann digital auf alle Briefe zugreifen, die er unterschreiben muss. Nach der Unterschrift werden die Dokumente automatisiert gespeichert und können online an die Mandanten verschickt werden, beispielsweise im Online-Portal auf unserer Homepage. Dafür haben wir unseren kompletten Workflow an den Stand der Technik angepasst, damit wir stets ortsunabhängig und voll einsatzfähig arbeiten können. Somit ist es für uns möglich, auch auf lange Zeit vollständig im Home-Office zu arbeiten. Ein Nadelöhr gibt es allerdings: Die Finanzämter verschicken ihre Briefe noch in Papierform. Somit müssen die Bescheide von uns eingescannt werden – hierfür reicht eine Person und ein handelsüblicher Scanner – und anschließend werden die Bescheide in unserer Kanzlei auf digitalem Wege verteilt. Zudem können alle Bescheide auf Knopfdruck mit den angefertigten Steuererklärungen verglichen werden. Dieser Vorgang ist nicht nur deutlich schneller als früher, sondern man benötigt nun auch keine Ordner oder Handakten mehr.
Digitales Gegenzeichnen
Natürlich verfolgen wir auch den Ansatz, dass möglichst kein Papier mehr zurück in unsere Kanzlei kommt. Dafür haben wir bei uns ein Programm eingerichtet, das es uns ermöglicht, Dokumente aller Art an unsere Kunden per Mail zu schicken (ohne Anhang). Der Empfänger muss auf einen Link klicken, sich verifizieren und kann dann per Finger oder Stift auf einem Touchpad unterschreiben. Man kennt dieses Verfahren beispielsweise von der Post, wenn man den Empfang einer Sendung quittiert. Der Vorteil für uns ist natürlich, dass diese Unterschrift in Sekundenschnelle an uns übermittelt wird und wir kein Papier erhalten.
Bescheid prüfen
Zwar liegen die elektronischen Eckwerte für eine Bescheidprüfung bereits vor, der Bescheid selbst aber ist noch das Einzige, was unsere Kanzlei per Papier erreicht. Dies soll in der Zukunft bundesweit geändert werden, aktuell jedoch gibt es nur zwei Finanzämter, die auf Wunsch Bescheide online verschicken können. Sämtliche Bescheide werden bei uns sofort digitalisiert und in die jeweiligen Programme, wie etwa Post, Fristen oder Bescheide, überführt und stehen dort zum elektronischen Abgleich zu Verfügung. Wir haben unsere Kanzlei so organisiert, dass alle Mitarbeiter die Prüfung der Bescheide im Vorfeld durchführen und mit speziellen Stempeln versehen, bis sie elektronisch zum Berater weitergeschickt, die Fristen ausgetragen und das Dokument anschließend an den Mandanten versendet werden. Auch dieser Vorgang ist bei uns vollständig papierlos. In der aktuellen Corona-Krise wäre das Hin- und Herschicken von analogen Unterlagen ins Home-Office der Mitarbeiter praktisch unmöglich.
Teamorganisation und Teamchats
In einer analogen Kanzlei ist es wichtig, dass man sich regelmäßig im Team zusammensetzt. Genau das ist aufgrund des Corona-Virus aktuell nahezu unmöglich. Hier ist das Risiko viel zu groß, dass sich die Mitarbeiter beziehungsweise alle Partner anstecken und in Quarantäne müssen. Für eine digitale Kanzlei hingegen sind die Teamkommunikation sowie die Aufgabenverteilung unproblematisch. Beides läuft über Programme, die entweder über PC, Laptops oder auch Smartphones und Tablets erreichbar sind. Somit hat man von überall auf der Welt stets Zugriff und Kontakt zum eigenen Team, sieht sofort welche Aufgaben fällig sind und kann diese sofort mehreren Personen zuweisen und überwachen. Zudem geht nichts mehr verloren – die frühere Suche nach Post-Its und Notizen sind bei uns Geschichte.
Termine online abhalten
Für eine digitale Kanzlei ist es natürlich selbstverständlich, alle Termine online stattfinden zu lassen. Abgesehen davon, dass dadurch Wartezeiten der Mandanten in den Kanzleiräumen vermieden werden, ist es in der aktuellen Corona-Krise möglich, alle Tätigkeiten umfänglich weiter fortzuführen. Die Terminabsprachen erfolgen automatisiert beziehungsweise online über unsere Programme, während der Termin dann per Screensharing und Videotelefonie virtuell stattfindet. All das ist jedoch nicht nur in Zeiten einer Quarantäne möglich. Ein Nebeneffekt der aktuellen Corona-Krise ist, dass es selten zu Terminverschiebungen oder gar Absagen kommt.
Buchhaltungsunterlagen auf digitalem Weg
Ein Grundstein unserer digitalen Kanzlei ist, dass sämtliche Unterlagen papierlos eingereicht werden. Somit stellt sich die Frage gar nicht erst, wie man als Steuerberater an die Arbeit kommt, wenn keiner das Home Office verlassen darf. Dadurch, dass die Unterlagen per Schnittstelle automatisiert zu uns gelangen, hat jeder Berater bei uns stets Zugriff auf seine Unterlagen. Diese werden entweder von Drittanbietern zu uns geschickt oder die Mandanten bearbeiten sie direkt mit DATEV Unternehmen online. Beide Wege führen nach Rom, am Ende des Tages liegen die digitalen Dokumente vor und man kann mit der Arbeit beginnen.
Lohnbuchhaltung
Der Mandant kann die Stammdaten für seine zukünftigen Mitarbeiter problemlos online einreichen. Der Vorteil dabei ist, dass dies ohne ein Treffen oder unzähligen Mails erfolgen kann, denn wir können die Stammdaten per Knopfdruck bei uns importieren. Im Gegensatz zu früher können wir aktuell nicht nur weiterarbeiten, sondern sind auch deutlich schneller als in analogen Zeiten.
Steuererklärungen und Jahresabschlüsse
Sowohl die Besprechungen als auch die Freizeichnungen an sich erfolgen komplett papierlos. Hierzu können die Mandanten ihre Unterschriften beispielsweise in unserem Online-Portal hinterlegen. Somit entfallen ein zeitraubender Postverkehr und auch die Treffen zwischen Berater und Mandant.
Mitarbeiter finden
Wir Steuerberater haben seit Jahren ein Nachfolgeproblem. Die Modernisierung und Digitalisierung können hier mit zur Lösung beitragen. Eine moderne Kanzlei ist meines Erachtens deutlich attraktiver für junges und motiviertes Personal. Wir erleben eine Renaissance, da wir stets Bewerbungen von neuen Mitarbeitern erhalten, auch ohne dass wir überhaupt Annoncen schalten. Vor der Digitalisierung beziehungsweise der Einrichtung eines ansprechenden Online-Auftritts wäre dies definitiv anders gewesen. Wir alle wissen, dass wir in einem Markt von Arbeitnehmern leben – auch das sollte ein Grund sein, die eigene Kanzlei zu modernisieren. Aber nicht nur die Angestellten werden die Arbeitsbedingungen besser finden, wenn sie modernen Ansprüchen genügen, sondern auch potenzielle Partner und andere Berater dürften dies honorieren.
Wertsteigerung
Darüber hinaus gelten seit langer Zeit Kanzleien, die papierlos arbeiten, als wertvoller im Vergleich zu analogen Büros. In der jetzigen Corona-Krise sieht man dies daran, dass nicht wenige Kanzleien, die zum Verkauf stehen, zu deutlich niedrigeren Preisen angeboten werden. Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass man spürbare Umsatzeinbußen befürchtet.
Chance für die Berater
Wenn es wie jetzt, aufgrund der Corona-Krise, nicht mehr möglich sein sollte, sich räumlich zu treffen, ist das mehr als ein Indiz dafür, das alte Konstrukt einer analogen Kanzlei zu überarbeiten. Mittlerweile findet sowieso fast alles und vor allem mit Blick auf die Zukunft online statt. Unabhängig von der aktuellen Krise und dem Zwang, handeln zu müssen, sehe ich hier die Chance für jeden Berater, auch mehr persönliche Freiheit zu gewinnen. Entweder dadurch, dass man seinen Urlaub etwas verlängert und trotzdem voll handlungsfähig bleibt, weil man von überall auf der Welt für die Kanzlei tätig sein kann, oder weil man viele zeitintensive, händische Vorgänge automatisiert hat.
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