Der Beschwichtiger - 28. August 2020

Offen für neue Bausteine

Die berufliche Praxis der Steuerberater hat sich stark verändert. Das bemerken wir alle. Digitale Notwendigkeiten und gestiegene Anforderungen führen dazu, dass sich nun auch die Kollegen intensiv mit betriebswirtschaftlicher Beratung beschäftigen müssen, deren Kanzleistrukturen dafür bisher nicht ausgerichtet waren.

Es gibt Kollegen, die bieten keine Vertretung vor den Finanzgerichten an. Wer das nicht möchte, soll es auch nicht tun. Das erspart einem auch so manchen Frust über Motive beziehungsweise Motivationen von Finanzrichtern. Aber ohne eine an die Steuerberatung angelehnte betriebswirtschaftliche Beratung wird in absehbarer Zukunft keine Steuerberaterkanzlei mehr funktionieren. Vielleicht war das mehr oder weniger schon immer so, gewinnt aber zunehmend an Bedeutung. Der Begriff der Unternehmensberatung umfasst inhaltlich natürlich wesentlich mehr. Im Weiteren verwende ich aber die betriebswirtschaftliche Beratung und die Unternehmensberatung synonym. Viele Stimmen rücken die Unternehmensberatung durch den Steuerberater in den Fokus. Fortbildungseinrichtungen bieten spezifische Kurse an. Dabei wird oft vergessen, dass jeder Steuerberater, vielleicht ohne dies wahrzunehmen, im Berufsalltag bereits diverse Unternehmensberatungen erbringt. Dabei muss man konstatieren, dass es nicht jedem Steuerberater möglich sein wird, eine von der klassischen Steuerberatung isolierte, spezialisierte Unternehmensberatung zu erbringen.

Begriffsbestimmung

Ich möchte mich nachfolgend nicht auf die Definitionen der akademischen Betriebswirtschaftslehre beziehen, sondern allein auf die Praxis. Man möge mir dies nachsehen. In der Theorie kann man betriebswirtschaftliche von der steuerlichen sowie der rechtlichen Beratung grundsätzlich abgrenzen. In der Praxis ist das oft jedoch unmöglich, weil die Grenzen selten trennscharf sind. Mit Unternehmensberatung meine ich auch die Unternehmer- sowie die Managementberatung. Ein komplexes Thema, das an dieser Stelle leider nur verkürzt abgehandelt werden kann.

Viele tun es, ohne es zu bemerken

Steuerberater erbringen laufend Unternehmens- sowie daran angelehnte Rechtsberatungen, die mit steuerlichen Beratungsansätzen einhergehen. Ohne dies funktioniert die Steuerberatung nicht. In den letzten zehn Jahren hat sich das aber enorm geändert. Aktuell steigen die Anforderungen − bedingt durch moderne Techniken – exponentiell. Examenskandidaten vor der mündlichen Prüfung können ein Lied davon singen. Vielleicht kann man diese Beratung als eine in die Steuerberatung integrierte Unternehmensberatung bezeichnen. Daneben gibt es auch eine spezialisierte Unternehmensberatung. Beim Versuch einer Definition wird man oft gewichten müssen, ob mehr das eine oder das andere zutrifft. Die nachfolgend vorgenommene Einordnung in die verschiedenen Kategorien ist in manchen Bereichen natürlich subjektiv. Mein Ansinnen ist es, grundsätzliche Unterschiede darzustellen und dabei die Frage zu klären, welche Unternehmensberatungen in die laufende Steuerberatung integriert sind.

Integrierte Beratungen

Die gestaltende Steuerberatung ist eigentlich immer verknüpft mit der Rechtsberatung und reicht oft in die Unternehmensberatung hinein, hier sind zum Beispiel Finanzierungsaspekte im weiteren Sinne
oft von Bedeutung. Komplexer wird es noch bei der Beratung von Personen- und Kapitalgesellschaften. Funktionierende Gesellschafts- und Geschäftsführeranstellungs- oder Unternehmenskaufverträge benötigen unter anderem wirtschaftlich durchdachte und in Rechenformeln umsetzbare Regelungen. Eine vollständige Aufzählung dieser integrierten Beratungen würde zu weit führen beziehungsweise ist wohl kaum möglich. Aber ohne integrierte Unternehmensberatungen wird man sich als Steuerberater am Markt wohl nicht lange mehr behaupten
können. Wie weit man hier gehen kann, ist durch das eigene Talent bedingt.
Nachfolgend seien die wichtigsten Beispiele genannt:

  • Die richtige Strukturierung der Finanzbuchhaltung beziehungsweise die Organisation des Rechnungswesens sind wichtig für die Ermittlung von betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, ist zugleich aber auch Vorarbeit, um eine Kostenrechnung zum Zwecke der Kalkulation zu installieren.
  • Bilanzstrategien, beispielsweise eine Beratung, um die Bilanzsumme zu reduzieren (zur Vermeidung der Prüfungspflicht).
  • Die Automatisierung der Finanzbuchhaltung ist ein viel behandeltes, sicher auch wichtiges Thema. Noch aber scheitern viele Vorhaben an der Unterschiedlichkeit der Formate von Unterlagen und Belegen. Trotzdem muss man sich damit beschäftigen. Die Organisation des digitalen Belegaustausches sowie der digitalen Archivierung ist Voraussetzung für die Automatisierung der Buchführung. Der Mandant kann davon erheblich profitieren. Der Einsatz der richtigen Software bei ihm ist Voraussetzung dafür.
  • Nachfolgeberatungen, erbrechtliche Strukturen gestalten.
  • Rechtsformberatungen, diese sind allerdings selten allein steuerlich motiviert.
  • Gleiches gilt für Umwandlungen, die Verlagerung/Verschiebung von Wirtschaftsgütern sowie Verträge im Konzern, auch in Verbindung mit steuerlichen Organschaften.
  • Verbesserung des Banken-Ratings.
  • Würdigung von Handelsabkommen, Incoterms und Zollvorschriften für eine spezialisierte Beratung bei der Umsatzsteuer.

Spezialisierte Beratung der Unternehmen

Auch eine spezialisierte Unternehmensberatung ist etwas, was man nicht allein durch ein Lehrbuch erlernen kann. Auch ein betriebswirtschaftliches Studium versetzt einen nicht per se in die Lage, professionell zu beraten. Es bedarf einer entsprechenden Neigung und insbesondere praktische Erfahrung.

Zur spezialisierten Unternehmensberatung zählen beispielsweise folgende Dinge:

  • Personenbezogene Unternehmer-/Managementberatung
  • Preiskalkulation, Kosten- und Deckungsbeitragsrechnung
  • Organisation des kaufmännischen Rechnungswesens und der internen Kontrollsysteme allgemein
  • Vorsorge- und Vermögensberatung
  • Rentabilitätsplanungen
  • Liquiditätsplanungen
  • Finanzierungsstrategien beziehungsweise -beratungen
  • Unternehmensbewertungen außerhalb steuerlich vorgegebener Berechnungsschemata
  • Softwareberatung, ewa bei der Warenwirtschaft oder dem E-Banking sowie
  • Verfahrensdokumentationen

Manche dieser Beratungsfelder bedingen eine intensive Spezialisierung, wie etwa die Unternehmensbewertung. Mit dem notwendigen Talent wird man aber auch hier für Unternehmen, zum Beispiel in der Größenordnung kleiner Kapitalgesellschaften nach dem HGB tätig werden können. Entsprechende Fortbildungen machen das möglich.

Andere auskömmliche Beratungsfelder

Solange ich mich erinnere, gab es immer schon besondere, zeitlich aktuelle Beratungsfelder, die uns Steuerberater intensiv beschäftigten. Momentan ist beispielsweise die Beratung zur Einhaltung steuerlicher Aufzeichnungspflichten ein anspruchsvolles Thema. Die Beratung dazu dient dem Schutz der Mandanten vor der Finanzverwaltung (dies war wohl noch nie so prekär wie jetzt). Internationale Ansätze, insbesondere bei der Umsatzsteuer, treffen wohl fast alle Kollegen.

Komplexe Steuerberatungsspezifische Beratungsfelder gibt es viele. Es gilt, all dies seinen Mandanten gegenüber richtig zu vermitteln. Dann werden die Mandanten auch bereit sein, das entsprechend zu honorieren.

Ein Rat für die Kollegen

Allein das Erstellen von Buchhaltungen, Bilanzen und Steuererklärungen wird immer weniger ausreichen; der Beratungsbedarf der Unternehmen steigt. Man kommt nicht umhin, sich mit neuen Themen zu befassen und Beratungen dazu anzubieten. Jeder hat seine eigenen Talente und Neigungen, wird aber Schiffbruch erleiden, wenn er versucht, über seine Talente hinaus zu gehen. Aber die Dinge, die uns Steuerberater täglich beschäftigen, sind komplex genug. Diese zu beherrschen scheint mir wichtiger, als unbedingt ad hoc entfernte Beratungsfelder zu erschließen.

Das Licht nicht unter den Scheffel stellen

Auch die weitgehende Automation in der Finanzbuchhaltung führt nicht dazu, den Berater arbeitslos zu machen. Das besondere Know-how eines Buchhalters oder Steuerberaters wird durch keine Software vollumfänglich ersetzt werden. Die EDV gibt einem vielmehr die Chance, die Qualität der Auswertungen zu erhöhen und damit vielleicht die Unternehmensführung und das Rating zu erleichtern beziehungsweise zu verbessern. Auch das muss den Mandanten verdeutlicht werden. Zudem sichert dies Ihr Honoraraufkommen. Werten Sie also die Auswertung der Buchführung zum Monatsabschluss auf. Und auch die steuerlich optimierte Bilanz, die trotzdem die bestmögliche Bonität eines Unternehmens darstellt, ist eine komplexe Aufgabe, die wir als Steuerberater beherrschen. Folglich darf man sich nicht verrückt machen oder gar einschüchtern lassen. Nutzen Sie die Ihnen zur Verfügung stehende Software oder Fortbildungsangebote für die Umsetzung Ihrer Talente beziehungsweise die Ihres Teams. Und alle Kollegen haben ihre Mandanten in der aktuellen Krise intensiv unterstützt. Ob KUG-Angelegenheiten, Fördermittel- oder Finanzierungsberatungen (die Überbrückungshilfe wurde auf den 30. September 2020 verlängert), alle haben gerade ihre Kompetenz in diesen Bereichen der Unternehmensberatung unter Beweis stellen können. Die aktuellen Erfahrungen in meiner Kanzlei zeigen ganz deutlich, dass man die Flut des Informations- und Unterlagenaustauschs mit den Mandanten, speziell auch DS-GVO-orientiert, zentral kanalisieren muss. Andernfalls wird man leicht den Faden für die professionelle Beratung verlieren. Man braucht ein zentrales, elektronisches Mandantenpostfach, so wie es viele Anwälte schon länger nutzen.

Der große Irrtum

Wer kann eine elektronische Datenbank besser durchsuchen als ein Algorithmus? Sicherlich niemand. Aber ein Mensch kann daneben kognitiv und empathisch arbeiten und deshalb Zusammenhänge und Ableitungen erkennen. Die sogenannte künstliche Intelligenz kann einem helfen, aber sie wird den Steuerberater – und natürlich auch den Rechtsanwalt – nie entbehrlich machen. Wir arbeiten für und mit Menschen; und dies bedingt Fähigkeiten, die eine Software nie haben wird. Und diese Fähigkeiten sind gerade bei interdisziplinären Beratungen unerlässlich.

Fazit

Müssen Steuerberater künftig Unternehmen auch betriebswirtschaftlich beraten können? Ein schwer zu besprechendes Thema, bei dem man schnell überheblich werden kann. Lassen Sie sich bitte nicht verunsichern. Denn die meisten von uns erbringen bereits Unternehmensberatungen, gegebenenfalls ohne diese als solche zu erkennen oder zu vermarkten.

Mehr dazu

finden Sie unter www.datev.de/chance-liquiditaet
Lesen Sie dazu auch den Beitrag „Liquiditätsberatung? Kein Problem!

Zum Autor

Dieter Höhne

Steuerberater in eigener Kanzlei in Hennef

Weitere Artikel des Autors