Geschäftsschließungen - 3. April 2020

Anspruch auf Entschädigung?

Die COVID-19-Pandemie hat dazu geführt, dass die meisten Unternehmen aufgrund behördlicher Anordnung ihren Geschäftsbetrieb einstellen mussten. Fraglich ist daher, ob sich aufgrund der bestehenden Gesetze ein Anspruch auf Entschädigung ableiten lässt.

Das Corona-Virus hat das gesellschaftliche Leben und die Wirtschaft fest im Griff. In Deutschland haben die Behörden das öffentliche Leben durch die Schließung von unter anderem Gaststätten sowie öffentlichen Einrichtungen und die Verhängung von Versammlungs- und Kontaktverboten massiv eingeschränkt, um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen. Dadurch sind faktisch nur noch wichtige Geschäfte wie Lebensmittelhändler und Apotheken geöffnet. Das kann für die anderen, von den Betriebsschließungen betroffenen Geschäftsinhaber existentielle finanzielle Folgen haben.

Auf welcher Grundlage handeln die Behörden?

Wenn eine Behörde eine Betriebsschließung anordnet, greift sie damit in das Eigentumsrecht und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein. Solche Eingriffe sind nur aufgrund eines entsprechenden Gesetzes (Ermächtigungsgrundlage) rechtmäßig. Als die ersten Geschäftsschließungen in Deutschland angeordnet wurden, war noch nicht klar, auf welche Rechtsgrundlage und in welcher Form diese Maßnahmen angeordnet werden. Zurzeit handeln die Behörden vor allem auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), aufgrund dessen in vielen Bundesländern jede Gemeinde eine eigene Allgemeinverfügung erlassen hat. Je nach Bundesland ist diese Allgemeinverfügung binnen Monatsfrist mit dem Rechtsmittel der Anfechtungsklage oder des Widerspruchs anzugreifen, während in anderen Bundesländern – oft zusätzlich – Rechtsverordnungen ergangen sind, die binnen Jahresfrist mit einem Normenkontrollverfahren angegriffen werden können.

Erlaubt das IfSG derartige Maßnahmen?

Aufgrund der Einmaligkeit der Situation ist unklar, ob das IfSG taugliche Rechtsgrundlage für solch weitreichende Eingriffe ist. Jedenfalls wird das unter Juristen kontrovers diskutiert. Am Ende hängt es davon ab, wie Gerichte in einigen Jahren darüber urteilen werden. Konkret ist zurzeit ein Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Münster anhängig, in dem die aus dem IfSG abgeleitete NRW-Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 (CoronaSchVO) auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft wird. Für einen Geschäftsinhaber ist es von enormer Bedeutung, ob die Behörde seinen Betrieb rechtmäßig oder rechtswidrig schließt. Handelt die Behörde rechtmäßig, muss er die Schließung dulden. Entsteht dem Geschäftsinhaber dadurch ein wirtschaftlicher Schaden, so kann er nach den althergebrachten Grundsätzen des „enteignenden Eingriffs“ gegenüber dem Staat Entschädigung verlangen. Dieser Entschädigungsanspruch ist spezialgesetzlich etwa in den §§ 56 ff., 65 IfSG geregelt und ergibt sich auch aus den allgemeinen Grundsätzen zur Entschädigung des „Nichtstörers“ im Polizei- und Ordnungsrecht. Ist die behördliche Anordnung jedoch rechtswidrig, muss sich ein Geschäftsinhaber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zunächst gegen die Schließungsanordnung wehren (BVerfGE 58, 300 – Nassauskiesung). Unterlässt er das, hat er später auch keinen Entschädigungsanspruch. Nur nach erfolgter rechtzeitiger Anfechtung kann ihm eine Entschädigung wegen eines sogenannten enteignungsgleichen Eingriffs zugesprochen werden. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass später Entschädigungsansprüche an dem Vorwurf scheitern, man hätte versäumt ein Rechtsmittel einzulegen.

Welche Rechtsmittel gibt es?

Es ist zwischen Rechtsmitteln gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung und Rechtsmitteln in der Hauptsache zu unterscheiden. Rechtsmittel gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung dürften ob der derzeitigen Krise und der sich immer weiter verschärfenden Situation minimale Erfolgsaussichten haben. Ob Rechtsmittel in der Hauptsache – am ehesten wohl wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder gegen den Vorbehalt des Gesetzes – Aussicht auf Erfolg haben, lässt sich derzeit nicht zuverlässig abschätzen. Die letzteren Rechtsmittel müssen aber erst zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eingelegt werden. Insbesondere wenn die Einlegung eines Rechtsmittels mit der Zahlung eines Gerichtskostenvorschusses verbunden ist, muss man die Kosten aber gegen die Erfolgsaussichten abwägen.

Haben die staatlichen Hilfsmaßnahmen Einfluss auf eine Entschädigung?

Der Staat versucht, die wirtschaftlichen Schäden durch politische Maßnahmen zu dämpfen. So hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht verabschiedet. Der Freistaat Bayern hat am 16. März 2020 den Katastrophenfall ausgerufen und Unternehmen wirtschaftliche Hilfe versprochen. Auch der Drei-Stufen-Plan der Bundesregierung sieht vor, Unternehmen mit umfassenden und unbürokratisch gewährten KfW-Krediten zu unterstützen. Darüber hinaus hat der Bund ein Corona-Soforthilfeprogramm initiiert, dass sich an Solo-Selbstständige, Angehörige der freien Berufe sowie kleine Unternehmen einschließlich Landwirten mit bis zu zehn Beschäftigten richtet. Unternehmen beziehungsweise Selbstständige aus allen Wirtschaftsbereichen mit bis zu fünf Beschäftigten können einen einmaligen Zuschuss von bis zu 9.000 Euro für drei Monate beantragen, Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten einen einmaligen Zuschuss von bis zu 15.000 Euro, ebenfalls für drei Monate. Diese Soforthilfen und die Kreditgewährungen sind begrüßenswert, reichen aber nicht aus, denn Kredite müssen zurückgezahlt werden und die Soforthilfe ist gedeckelt. Geschuldet ist aber grundsätzlich eine volle Entschädigung des Geschäftsinhabers.

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Zum Autor

Dr. Moritz Beneke

Rechtsanwalt bei Meilicke Hoffmann & Partner Rechtsanwälte Steuerberater mbB, Bonn. Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit liegt im Bereich des Handels- und Gesellschaftsrechtes. Besondere Tätigkeitsschwerpunkte sind sowohl die Beratung als auch streitige Auseinandersetzungen im Aktienrecht.

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