Fälle von Steuerhinterziehung vermuten die Behörden vor allem in bargeldintensiven Unternehmen. Daher sind diese weiterhin im Visier der Steuerfahndung.
Die Steuerfahndungsstellen beziehungsweise diesen vorausgehend die Betriebsprüfungsstellen der Finanzämter legen schon immer ein besonderes Augenmerk auf sogenannte bargeldintensive Branchen. Hierzu zählen beispielsweise Gaststätten, Barbetriebe, Imbisse, das Rotlichtmilieu, Eisdielen, Taxiunternehmen, Bäckereien, Metzgereien sowie andere Einzelhändler. Bei diesen Betrieben werden die Einnahmen in hohem Umfang oder ausnahmslos in bar vereinnahmt, was aus Sicht der Finanzbehörden dazu verleitet, Einkünfte zu verschweigen.
Barkassen
Eine wirksame Kontrolle der zu deklarierenden Umsätze setzt voraus, dass die Geschäftsvorfälle aufgezeichnet werden. Die Abgabenordnung (AO) enthält hierzu eine ganze Reihe von Ordnungsvorschriften (§§ 140–148 AO). Die Grundsätze einer geordneten Buchführung ergeben sich aus § 146 Abs. 1 Satz 1 AO: Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Ausnahmen von der grundsätzlichen Pflicht zur Einzelaufzeichnung bestehen beim Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO). Eine Rückausnahme hiervon besteht wiederum, sofern der Steuerpflichtige ein Kassensystem oder eine Registrierkasse tatsächlich einsetzt. § 146a AO normiert die formellen Anforderungen für die Buchführung und für Aufzeichnungen mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme (zum Beispiel Kassensysteme) und ist erstmals für das Kalenderjahr 2020 anzuwenden. § 146a Abs. 1 AO enthält das Gebot des Einsatzes nur ordnungsgemäßer elektronischer Aufzeichnungssysteme, Abs. 2 umschreibt die Systemanforderungen an ein ordnungsgemäßes Kassensystem, Abs. 3 eröffnet eine Verordnungsermächtigung, von der das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in Form der Kassensicherungsverordnung vom 26. September 2017 bereits Gebrauch gemacht hat, und Abs. 4 enthält schließlich bestimmte Mitteilungspflichten über die Verwendung elektronischer Aufzeichnungssysteme (siehe zu § 146a AO den Anwendungserlass des BMF vom 17.06.2019 – IV A 4 – S 0316-a/18/10001). § 146a AO wurde ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/9535, S. 11) eingeführt, weil technische Manipulationen von digitalen Grundaufzeichnungen im Rahmen von Betriebsprüfungen immer schwerer oder nur mit hohem Aufwand feststellbar waren und die bestehenden gesetzlichen Regelungen keine ausreichenden Möglichkeiten boten, um Manipulationen von digitalen Grundaufzeichnungen, insbesondere Kassendaten, ohne großen Aufwand durch die Außenprüfungsdienste vor Ort aufzudecken. In der Praxis werden Grundaufzeichnungen insbesondere in Form von nicht dokumentierten Stornierungen oder anderen nicht dokumentierten Änderungen, etwa durch den Einsatz von spezieller Software, manipuliert. Die Manipulations-Software kann sich versteckt auf dem Kassensystem selbst befinden (Phantom-Ware), auf einem USB-Stick (sogenannte Zapper), oder sie wird über das Internet verwendet. § 146a AO begründet jedoch nach wie vor keine Pflicht zum Einsatz eines elektronischen Aufzeichnungssystems. Die Verwendung einer offenen Ladenkasse ist daher unter den Voraussetzungen des § 146 Abs. 1 AO grundsätzlich weiterhin möglich.
Kassen-Nachschau
Durch die Möglichkeit eines unangekündigten Erscheinens soll das Entdeckungsrisiko deutlich erhöht werden.
Mit der Vorschrift des § 146a AO wurde auch die äußerst praxisrelevante sogenannte Kassennachschau in das Gesetz aufgenommen (§ 146b AO). Diese Vorschrift ermöglicht es der Finanzbehörde, zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen und Buchungen von Kasseneinnahmen und Ausgaben ohne vorherige Ankündigung und außerhalb einer Außenprüfung – während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten – Geschäftsgrundstücke oder Geschäftsräume von Steuerpflichtigen zu betreten, um Sachverhalte festzustellen, die für die Besteuerung erheblich sind (siehe § 146b Abs. 1 Satz 1 AO). Durch die Möglichkeit eines unangekündigten Erscheinens soll das Entdeckungsrisiko von Kassenmanipulationen deutlich erhöht werden (BT-Drucks. 18/9535, S. 12). Der Amtsträger muss sich zu Beginn der Nachschau ausweisen (Rätke in: Klein, AO, 14. Aufl., § 146b, Rz. 10). Ab diesem Zeitpunkt ist die Selbstanzeigemöglichkeit gesperrt (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 Lit. e AO).
Schätzungsbefugnis
Das Erfüllen der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten gewährt grundsätzlich eine Rechtsvermutung zugunsten der sachlichen Richtigkeit (§ 158 AO). Die formelle Ordnungswidrigkeit wird nur dann erschüttert, wenn nachgewiesen wird, dass einzelne Geschäftsvorfälle nicht oder sachlich unrichtig in der Buchführung erfasst sind. Zweifel genügen nicht. Soweit die Buchführung unter wesentlichen Mängeln leidet und insofern formell ordnungswidrig ist, besteht keine gesetzliche Vermutung für die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses. In einem solchen Fall genügen bereits ernsthafte Zweifel an der sachlichen Richtigkeit des Buchführungsergebnisses, um eine Schätzung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO vorzunehmen. Eine Schätzung ist jedoch immer Ultima Ratio. Die Finanzbehörde ist zudem verpflichtet, alle zugänglichen Unterlagen, Belege und Auskünfte des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, soweit gegen ihre Beweiskraft keine Bedenken bestehen. Als Methoden der Verprobung kommen sowohl bei formal ordnungsgemäßer als auch bei ordnungswidriger Buchführung der äußere Betriebsvergleich anhand von Richtsatzsammlungen, der Zeitreihenvergleich, wie etwa eine wochen- oder monatsweise Analyse des Rohgewinnaufschlagssatzes, die Nachkalkulation sowie die Geldverkehrsrechnung in Betracht. Den beiden letztgenannten Verprobungsmethoden kommt in der Praxis und in der Rechtsprechung eine herausgehobene Bedeutung zu, weswegen diese gesondert zu erläutern sind.
Nachkalkulation
Bei dieser Verprobungsmethode errechnet der Betriebsprüfer den Umsatz und Gewinn anhand innerbetrieblicher Daten. Der Rohgewinnaufschlag – bei Handelsbetrieben wie Gaststätten die Differenz zwischen Umsatz und Wareneinsatz – wird für jede einzelne Ware beziehungsweise für jedes Gericht gesondert ermittelt. Im Bereich Gastronomie erfolgt das beispielsweise anhand des Wareneinkaufs sowie der Getränke- und Speisekarte. Schwund, etwa in Form von Eigenverbrauch, Diebstahl, Warenverderb, Schankverlusten und Flaschenbruch ist hierbei zu berücksichtigen.
Geldverkehrsrechnung
Die Geldverkehrsrechnung beruht auf dem Grundgedanken, dass niemand mehr Geld ausgeben kann, als er einnimmt. Folgendes Schema wird hierbei angewandt:
Anfangsvermögen
+ erklärbare Zugänge
– feststellbare Abgänge
– erklärbares Endvermögen
= ungeklärte Bestandsveränderung (ungeklärter Zuwachs beziehungsweise Minderbetrag)
Sofern sich aus dieser Verprobungsmethode eine unaufgeklärte Abweichung in Form eines Vermögenszuwachses beziehungsweise einer Unterdeckung ergibt, bietet das nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in der Regel eine Grundlage, die Ergebnisse der Buchführung zu verwerfen. Allerdings ist der Steuerpflichtige nicht verpflichtet, einen in sich geschlossenen Nachweis über die Herkunft seines Privatvermögens zu führen. Daher kann ein Nachweis über nicht verbuchte Betriebseinnahmen selbst durch eine ordnungsgemäße Geldverkehrsrechnung dann nicht erbracht werden, wenn die Fehlbeträge aus anderen steuerpflichtigen oder -freien Quellen stammen oder stammen können. Darin liegt die Schwäche dieser Verprobungsmethode.
Schätzung
Sofern die Schätzungsbefugnis des Finanzamts dem Grunde nach eröffnet ist, stellt sich noch die Frage nach der Wahl der Schätzungsmethode, mit denen die Besteuerungsgrundlagen ermittelt werden sollen. Die Auswahl steht im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamts beziehungsweise des Finanzgerichts. Die gewählte Methode muss geeignet sein und ein wirtschaftlich vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis erzielen. Vorrangig sind solche Schätzungsmethoden geeignet, die auf betriebsinterne Daten beziehungsweise auf die individuellen Verhältnisse des Steuerpflichtigen abstellen, wie etwa die Nachkalkulation und die Geldverkehrsrechnung.
MEHR DAZU
Weitere Infos zum Thema Kasse unter www.datev.de/kasse und zur digitalen Datenanalyse unter www.datev.de/datenpruefung
Seminare
Kassen-Nachschau – sind Ihre Mandanten vorbereitet?, Art.-Nr. 78082
Die Betriebsprüfung bargeldintensiver Betriebe am Beispiel des Gastwirts, Art.-Nr. 76464
Fachliteratur
Ordnungsgemäße Kassenführung, Mandanten-Infobroschüre, Art.-Nr. 36181
Kassenführung – Bargeschäfte sicher dokumentieren, Art.-Nr. 35154
Lexikon der Kassenführung, Art.-Nr. 35155
Brennpunkt Kassenführung, Art.-Nr. 35451
Kassenführung in Friseurbetrieben, Art.-Nr. 35577
Kassenführung in der Gastronomie, Art.-Nr. 35578