Wachstumschancengesetz - 21. Dezember 2023

Zwei Seiten einer Medaille

Durch neue gesetzliche Regelungen soll die Investitionstätigkeit der Unternehmen gefördert werden. Gleichzeitig besteht aber die Sorge des Gesetzgebers, dass Steuerpflichtige dies für Gestaltungsmöglichkeiten zur Minderung des Steuersubstrats nutzen.

Am 17. November 2023 verabschiedete der Bundestag den Kabinettsbeschluss zum Wachstumschancengesetz, mit dem die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland gestärkt werden soll. Dem zuvor im Finanzausschuss noch in Teilen geändertem Gesetz stimmte der Bundesrat jedoch nicht zu und verwies es zur grundlegenden Überarbeitung an den Vermittlungsausschuss. Bei Redaktionsschluss stand daher noch nicht fest, welche Änderungen tatsächlich zu erwarten sind. Während die geplanten Neuregelungen versprechen, die Wirtschaft jährlich um mehrere Milliarden wirksam zu entlasten und somit Anreize für Investitionen in innovative Technologien zu setzen, geschieht dies oft über steuerliche Umwege, die eine Wirksamkeit der Maßnahmen mindern. Erhöhte Abschreibungen und verbesserte Möglichkeiten zur Verlustverrechnung helfen nur profitablen Unternehmen. Eine Klimaprämie sowie die verbesserte steuerliche Förderung für die Forschung als direkte Zuwendungen wirken zwar unmittelbar, dafür werden aber im Gegenzug eine Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen und neben einer Verschärfung der Zinsschranke auch eine Zinshöhenschranke eingeführt, die die Wirtschaft belasten. Der Regierungsentwurf enthält eine Vielzahl an Regelungen, die hier nicht alle vorgestellt werden können. Nachfolgend werden die Regelungen skizziert, die für Unternehmen von besonderem Interesse sind.

Klimainvestitionsprämie und Forschungsförderung

Mit dem Gesetzesvorhaben sollen Investitionen in der deutschen Wirtschaft gefördert und soll das Wachstum angeregt werden. Diesem Ziel folgen insbesondere die Schaffung einer Klimainvestitionsprämie, die durch den Entwurf eines neuen Klimaschutz-Investitionsprämiengesetzes (KlimaInvPG) eingeführt werden soll, sowie die Ausweitung der Forschungszulagen im Zuge des Forschungszulagengesetzes (FZulG). Innerhalb des KlimaInvPG sind bewegliche Wirtschaftsgüter förderfähig, wenn sie im Rahmen eines Energiesparkonzepts angeschafft oder hergestellt werden. Die Prämie soll 15 Prozent des Bemessungsbetrags, gedeckelt auf 200 Millionen Euro, betragen, wobei der Mindestbemessungsbetrag für die Prämie im Regierungsentwurf nochmals gesenkt wurde, um vermehrt kleinere Betriebe fördern zu können. Zugleich wurde die Anzahl der möglichen Anträge während des Förderzeitraums (01.01.2024 bis 31.12.2029) von maximal zwei auf vier erhöht. Da die Prämie nicht an weitere steuerliche Voraussetzungen geknüpft ist und eine Auszahlung unmittelbar an die Begünstigten erfolgt, kann sie grundsätzlich unmittelbar positive Wirkungen auslösen. Problematisch sind allerdings die zeitliche Beschränkung der Prämie sowie die hohen bürokratischen Anforderungen, die mit dem Erstellen des erforderlichen Energiekonzepts einhergehen. Diese können insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine Hürde darstellen, was auch in den Anhörungen im Bundestag kritisiert wurde. Einen in der Umsetzung erleichterten Zugang zu direkter Förderung erlauben demgegenüber die vorgesehenen Änderungen des FZulG. Hier werden die Sätze des förderfähigen Aufwands von 40 auf 70 Euro, je nachgewiesener Arbeitsstunde für Eigenleistungen, angehoben (maximal 40 Stunden pro Woche) und wird die Bemessungsgrundlage unbefristet auf 12 Millionen Euro erhöht. Die Forschungszulage beträgt für alle Anspruchsberechtigten 25 Prozent der Bemessungsgrundlage, wobei zusätzlich eine spezielle Regelung für die Förderung von KMU eingeführt wird, die eine Erhöhung der Zulage um weitere 10 Prozent beantragen können. Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2023 beginnen, soll die Forschungszulage auf in begünstigten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben genutzte abnutzbare, bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ausgeweitet werden, die für die Durchführung des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens erforderlich und unerlässlich sind.

Änderungen der Zinsschranke

Aufgrund der verpflichtenden Umsetzung der sogenannten Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Richtlinie) der Europäischen Union ab 2024 war eine Reform der Zinsschrankenregelung unvermeidbar. Nach dem Regierungsentwurf soll insbesondere die bisherige Konzernbezogenheit der Zinsschranke bei der Stand-alone-Klausel einerseits sowie dem EK-Escape andererseits aufgegeben werden. Die Freigrenze von 3 Millionen Euro soll entgegen dem Vorschlag des Referentenentwurfs nicht in einen Freibetrag umgewandelt werden. Allerdings werden gleichartige Betriebe für die Zwecke des Freibetrags zusammengefasst, was einer Zersplitterung von Investments, insbesondere im Immobilienbereich zur Optimierung des Zinsabzugs, entgegenwirken soll. Die neuen Regelungen dürften vor allem für Kapitalgesellschaften, die in mehreren gleichartigen Betriebsstrukturen organisiert sind, eine steuerliche Mehrbelastung darstellen.

Zinshöhenschranke

Mit der Einführung einer weltweit einmaligen Zinshöhenschranke als neuem § 4 l Einkommensteuergesetz (EStG) soll eine Gewinnverlagerung ins niedrig besteuernde Ausland verhindert werden, allerdings sollen auch rein inländische Sachverhalte erfasst werden. Die Regelung soll dabei nur für Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen gemäß § 1 Abs. 2 Außensteuergesetz (AStG) greifen. Zinsen, die über dem festgelegten Höchstsatz liegen, sollen steuerlich nicht mehr abzugsfähig sein, es sei denn, die bzw. der Steuerpflichtige kann nachweisen, dass sich der Darlehensgeber zu einem höheren Zins am Kapitalmarkt refinanziert hat. Der Höchstsatz ist der um 2 Prozent erhöhte Basiszinssatz nach § 247 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), den die Bundesbank halbjährlich festlegt – nach heutigem Stand also 5,12 Prozent (Basiszinssatz seit dem 01.07.2023: 3,12 Prozent). Der Gesetzesentwurf beinhaltet eine Ausnahme für den Fall, dass der Gläubiger in dem entsprechenden Staat (keine Steueroase) einer wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht. Durch die Einführung der Zinshöhenschranke wird der bürokratische Aufwand der Unternehmensbesteuerung erhöht. Die Zinshöhenschranke führt, wie auch die Zinsschranke, tendenziell zu einer Doppelbesteuerung der betroffenen Zinsanteile. Der Betrag, der beim Schuldner nicht abgezogen werden kann, unterliegt beim Gläubiger gleichwohl der Besteuerung, sofern er nicht in einer Steueroase ansässig ist. Somit kollidiert die Einführung der Zinshöhenschranke mit dem eigentlichen Ziel des Gesetzes, das Wirtschaftswachstum durch Steuerminderungen zu fördern, weshalb diese Regelungen bei mehreren Verbänden während der Anhörungen im Bundestag auf Ablehnung stießen.

Mitteilungspflicht für Steuergestaltungen

Die Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen wurde bereits 2019 umgesetzt. Schon damals wurde die Ausweitung der Pflicht auf innerstaatliche Gestaltungsmaßnahmen diskutiert. Im Regierungsentwurf ist eine solche Pflicht als steuerlicher Wiedergänger nun erneut für Steuergestaltungen enthalten, welche die Anforderungen der §§ 138 l ff. Abgabenordnung (AO) n. F. erfüllen. Die Ausweitung der Mitteilungspflicht begegnet weiterhin erheblichen Bedenken mit Blick auf die berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht, die verfassungsrechtlich verankert ist. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Blick auf die belgische Umsetzung der EU-Amtshilferichtlinie (Directive on Administrative Cooperation – DAC 6), die der Mitteilungspflicht in grenzüberschreitenden Fällen zugrunde liegt, Bedenken bei der Vereinbarkeit der Mitteilungspflicht mit der EU-Grundrechtecharta angemeldet (Urteil vom 08.12.2022, RS C-694/20). Der steuerberatende Berufsstand ist bereits jetzt einer beträchtlichen Anzahl von Berichtspflichten unterworfen, die eine erhöhte Transparenz gegenüber der Finanzverwaltung sicherstellen sollen. Eine ergänzende innerstaatliche Mitteilungspflicht für Steuergestaltungen stellt darüber hinaus eine administrative Herausforderung für beide Seiten dar, während die tatsächliche Wirksamkeit zweifelhaft ist, da eine Vielzahl völlig unverdächtiger Vorgänge der Meldepflicht unterliegen würde.

Elektronische Rechnung

Die Pflicht zur Verwendung einer elektronischen Rechnung im Business-to-Business-Bereich (B2B-Umsätze) soll ausgeweitet und ab 2025 verbindlich werden. Zukünftig soll nur noch eine Rechnung als elektronische Rechnung gelten, die nach einem strukturierten elektronischen Format ausgestaltet, übermittelt und empfangen wird, das ihre elektronische Verarbeitung ermöglicht, und die den Vorgaben der Richtlinie 2014/55/EU entspricht. Nachdem diese kurze Umstellungsfrist im Referentenentwurf kritisiert wurde, ist im Regierungsentwurf ab 2025 nun eine Übergangsregelung vorgesehen worden, nach der neben der E-Rechnung mit Zustimmung des Leistungsempfängers auch noch andere Formen der Rechnung, wie zum Beispiel ein abweichendes elektronisches Format oder die Papierform, möglich sein sollen. Die Einführung der elektronischen Rechnung ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer digitalen Wirtschaft. Jedoch wird die Umstellung vor allem die KMU vor organisatorische, finanzielle und bürokratische Herausforderungen stellen und gegebenenfalls einen Nachteil gegenüber größeren Unternehmen darstellen, die über entsprechende Ressourcen verfügen.

Schlussfolgerungen

Die besprochenen ausgewählten Vorschläge des Regierungsentwurfs zeigen das Dilemma, in das sich das Bundesministerium der Finanzen (BMF) begeben hat. Einerseits soll durch gezielte Maßnahmen die Investitionstätigkeit der Unternehmen gefördert werden, wofür unmittelbare Zuwendungen an die Unternehmen am besten geeignet sind. Andererseits besteht offenbar weiterhin eine übersteigerte Sorge, dass Steuerpflichtige Gestaltungsmöglichkeiten zur Minderung des Steuersubstrats nutzen – nur so sind die Verschärfungen bei der Zinsschranke, die Einführung der Zinshöhenschranke sowie die Ausweitung der Mitteilungspflicht auf inländische Sachverhalte zu erklären. Dies führt bei der ohnehin bereits stark belasteten Finanzverwaltung zu weiterem Personalbedarf – obwohl das Personal zur Umsetzung der Fördermaßnahmen gebraucht wird. Weiterhin entstehen auch den Kommunen massive Steuerausfälle, deren Ausgleich bisher nicht vorgesehen ist, was ebendiese in den Bundestagsanhörungen verurteilten. Hier besteht Nachbesserungsbedarf im parlamentarischen Verfahren.

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Zu den Autoren

MB
Dr. Martin Bünning

Rechtsanwalt und Steuerberater sowie Partner bei Reed Smith am Standort in Frankfurt am Main. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt auf der Beratung von in- und ausländischen Unternehmen bei allen Fragen des Unternehmenssteuerrechts, einschließlich des Umsatzsteuerrechts.

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SP
Sabrina Pölle

Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Reed Smith am Standort in Frankfurt am Main

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