Grunderwerbsteuer - 28. September 2023

Justiz sorgt für Klarheit

Wann die Steuerbefreiung der sogenannten Konzernklausel bei mehrstufigen vertikalen Beteiligungen zur Anwendung kommt, ist höchstrichterlich nun für das Verhältnis von herrschenden und abhängigen Unternehmen entschieden.

Mit Urteil vom 28. September 2022 hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine grundlegende Rechtsprechung zum Geltungsbereich der Vor- und Nachbehaltensfristen im Rahmen von § 6a Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG), der sogenannten Konzernklausel, fortgeführt. Generell gilt danach, dass das „herrschende Unternehmen“ und die „abhängige Gesellschaft“ jeweils anhand des zu beurteilenden Umwandlungsvorgangs zu bestimmen sind, für den die Steuerbefreiung Anwendung finden soll.

Ausgangsfall

Im Streitfall war die Klägerin an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt. Gesellschafterin der Klägerin war eine GmbH, deren Anteile wiederum durch eine Aktiengesellschaft (AG) gehalten wurden. Die Beteiligungen bestanden seit mehr als fünf Jahren und betrugen jeweils 100 Prozent. Im Jahr 2011 wurde die grundbesitzende Gesellschaft auf die Klägerin verschmolzen. Dadurch gingen die Grundstücke der Gesellschaft auf die Klägerin über. Das zuständige Finanzamt gewährte dafür die Steuerbegünstigung des § 6a GrEStG. Im Jahr 2013 reduzierte die AG (oberste Gesellschaft der Beteiligungskette) durch einen Verkauf von 26,8 Prozent ihrer Anteile an der GmbH auch ihre mittelbare Beteiligung an der Klägerin. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung seien dadurch mit Wirkung für die Vergangenheit entfallen, und erließ einen entsprechend geänderten Bescheid. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage statt.

Revision blieb erfolglos

Der BFH wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück. Der durch die Verschmelzung bewirkte Übergang des Eigentums an dem Grundstück unterliegt zwar nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Dieser Erwerb ist aber nach § 6a S. 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. Nach dieser Vorschrift wird die Grunderwerbsteuer für steuerbare Umwandlungsvorgänge unter anderem nicht erhoben, wenn an dem Vorgang ein herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft beteiligt sind und das Beteiligungsverhältnis in Höhe von mindestens 95 Prozent grundsätzlich fünf Jahre vor und fünf Jahre nach dem Umwandlungsvorgang bestand beziehungsweise weiter besteht.

Fortführung bisheriger Rechtsprechung

Wie der BFH bereits früher entschieden hat, bedarf es allerdings der Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen Vor- beziehungsweise Nachbehaltensfrist nur, soweit diese auch aus rechtlichen Gründen eingehalten werden kann. Geht im Rahmen einer Verschmelzung die abhängige Gesellschaft unter, entfällt mangels weiterhin vorhandener Beteiligungsstruktur die Verpflichtung zur Einhaltung einer Nachbehaltensfrist. Wer hierbei in einer mehrstufigen Beteiligungsstruktur als herrschendes Unternehmen und wer als abhängige Gesellschaft anzusehen ist, wird allein nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang beurteilt, für den die Steuer nach § 6a S. 1 GrEStG nicht erhoben werden soll.

Justiz kontra Fiskus

Während die Finanzverwaltung in ihren gleichlautenden Ländererlassen vom 22. September 2020 hierbei das oberste Unternehmen in einer mindestens 95-prozentigen Beteiligungskette generell weiterhin als herrschendes Unternehmen ansieht, stellt der BFH vorrangig auf die am steuerbaren Umwandlungsvorgang unmittelbar beteiligten Unternehmen ab. Wird danach beispielsweise in einer dreistufigen, mindestens 95-prozentigen Beteiligungsstruktur (Mutter-/Tochter-/Enkelgesellschaft) die Enkelgesellschaft mit der Tochtergesellschaft verschmolzen, ist die Tochtergesellschaft bei diesem Umwandlungsvorgang das herrschende Unternehmen und die Enkelgesellschaft die abhängige Gesellschaft im Sinne von § 6a GrEStG. Unerheblich ist, ob bei mehrstufigen Beteiligungen das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist. Folgerichtig ist daher für die Beteiligung der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft keine Nachbehaltensfrist für diesen Verschmelzungsvorgang zu beachten.

Unbeantwortete Frage

Noch nicht entschieden hat der BFH die Frage, wer in einer drei- oder mehrstufigen Beteiligungskette bei einer Seitwärtsverschmelzung einer (Enkel-)Gesellschaft mit einer anderen (Enkel-)Gesellschaft herrschendes Unternehmen ist. Hier kommen sämtliche in entsprechenden Beteiligungsstrukturen oberhalb positionierten Gesellschaften in Betracht. Nach dem Gesetzeswortlaut kann es auch hier nur ein herrschendes Unternehmen geben, das gegenüber den beiden abhängigen Unternehmen die Vor- und Nachbehaltensfristen einhalten muss.

Zum Autor

AB
Dr. Andreas Bock

Rechtsanwalt und Steuerberater sowie Partner bei der WTS Group am Standort in München

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