Earn-outs - 23. November 2023

Ein Fall für Profis

Bei M&A-Transaktionen kommt es häufig zu speziellen Vertragsvereinbarungen, um das zum Verkauf stehende Unternehmen fair zu bewerten und Risiken beim Erwerb ausgewogen zu verteilen. Andererseits aber dürfen steuerrechtliche Fallstricke nicht übersehen werden.

Earn-outs sind eine beliebte Möglichkeit, Unternehmenskäufe zu strukturieren. Sie adressieren unterschiedliche Erwartungen über mögliche Zukunftsentwicklungen der Zielgesellschaft in einem Unternehmenskauf und helfen, Bewertungslücken zu überbrücken. Nachfolgend werden Bedeutung und Anwendung von Earn-outs erläutert, aber auch die steuerrechtlichen Fallstricke im Rahmen von Transaktionen skizziert. Schließlich wird auch auf die Vor- und Nachteile beim Einsatz von Earn-outs eingegangen.

Begriffsbestimmung

Der Earn-out ist eine Vereinbarung als Teil des Unternehmenskaufvertrags, der es der Käuferin oder dem Käufer bei einer Unternehmenstransaktion ermöglicht, den vereinbarten Kaufpreis oder einen bestimmten Teil davon erst nach Abschluss des Deals und in Raten, geknüpft an bestimmte zukünftige Erfolgsparameter der Zielgesellschaft, zu bezahlen. Es handelt sich somit um einen bedingten Kaufpreis. Die Earn-out-Beträge hängen beispielsweise vom wirtschaftlichen Erfolg des gekauften Geschäfts nach dem Signing (Vertragsabschluss) ab und können variabel an das Erreichen bestimmter Erfolgsziele des Geschäfts in der Zukunft geknüpft sein. Im Gegenzug verspricht der Käufer dem Verkäufer einen Teil des Kaufpreises, den das Unternehmen erst nach dem Abschluss der Transaktion generieren wird. So entsteht eine gleichgerichtete Interessenverteilung (Skin in the Game) und eine adäquate Risikoverteilung zwischen Käufer und Verkäufer (Überbrücken unterschiedlicher Erwartungen). Üblicherweise wird auch eine Verzinsung oder ein Aufschlag auf die nachgelagerten Kaufpreisanteile vereinbart. Gängige Anknüpfungspunkte von Earn-outs sind Umsatz- oder Ergebnisziele, bezogen etwa auf EBITDA/EBIT-Zielgrößen. Denkbar sind aber auch Milestones, die wichtige technologische Entwicklungen und Fortschritte auf Ebene der Zielgesellschaft darstellen, wie zum Beispiel die Erteilung eines Patents, die Zulassung eines Medikaments, der erfolgreiche Abschluss bestimmter Studien oder ähnliche Forschungserfolge und -ergebnisse oder der Vertragsabschluss eines Neukunden.

Fallbeispiel

Bei einer Transaktion wird der Kaufpreis von 9 Millionen Euro für die Zielgesellschaft vereinbart. Erreicht diese in den Geschäftsjahren 2024 und 2025 mindestens eine historisch belegte EBIT-Größe – hier sind die genaue Definition sowie die buchhalterische Konstanz zu beachten –, erhält der Verkäufer x Prozent des in den Jahren 2024 und 2025 erreichten EBIT.

Gesamt
Euro
Kaufpreis vorab:9.000.000
Earn-out:0
Gesamt:9.000.000
Beispiel 1: Kauf ohne Earn-out
Jahr 1Jahr 2Gesamt
EuroEuroEuroEuro
Kaufpreis vorab:7.000.0007.000.000
Earn-out:1.200.0001.400.0002.600.000
Gesamt:7.000.0001.200.0001.400.0009.600.000
Beispiel 2a: Kauf mit Earn-out und erwartungsgemäße hohe Zielerreichung
Jahr 1Jahr 2Gesamt
EuroEuroEuroEuro
Kaufpreis vorab:7.000.0007.000.000
Earn-out:700.000850.0001.550.000
Gesamt:7.000.000700.000850.0008.550.000
Beispiel 2b: Kauf mit Earn-out und Zielerreichung unter den Erwartungen

Earn-outs in M&A-Transaktionen

Der Einsatz von Earn-outs hat sowohl für Käufer als auch Verkäufer interessante Vorteile. Ganz wesentlich ist die Adressierung von Informationsasymmetrien sowie unterschiedlichen Erwartungen über die zukünftige Entwicklung der Zielgesellschaft, die einem erfolgreichen Transaktionsabschluss entgegenstehen. Für Käufer bedeutet das eine Risikoreduktion, indem der Preis niedrig gehalten und trotzdem das Potenzial des Unternehmens genutzt werden kann. Für Verkäufer bietet es die Möglichkeit, einen höheren Kaufpreis aus dem Verkauf herauszuholen, indem sie auf mittel- oder auch langfristige Sicht am Erfolg des Unternehmens partizipieren. Daher werden Earn-outs speziell dann verwendet, wenn Transaktionen mit hohem Wagnispotenzial abzusichern sind. Und sie kommen regelmäßig bei sogenannten Venture-Capital-Investitionen zum Einsatz, deren zukünftige Entwicklungen unterschiedlichen Erwartungen unterliegen.

Steuerliche Fallstricke

Beim Einsatz von Earn-outs müssen sowohl Käufer als auch Verkäufer steuerliche Aspekte bei der Gestaltung berücksichtigen. Die Earn-outs sollten von einem steuerlichen Berater daher möglichst frühzeitig auf ihre steuerrechtlichen Konsequenzen hin überprüft werden. Im Steuerrecht gelten grundsätzlich Stichtags-, Realisationsund Zuflussprinzip. So ist ein Kaufpreis in dem Geschäftsjahr komplett zu versteuern, in dem die Anteile übergehen (Übergang des wirtschaftlichen Eigentums). Zu diesem Zeitpunkt entsteht grundsätzlich der Veräußerungsgewinn. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet wird und wann der Verkaufserlös des Veräußerers letztendlich tatsächlich zufließt. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen stellt die Realisation des Kaufpreises bei bedingten, häufig gewinnabhängigen Kaufpreisforderungen dar, die von dem Verkäufer erst zum Zeitpunkt des Zuflusses in der Zukunft realisiert werden. Besonders wichtig für den steuerlichen Berater ist in diesem Zusammenhang die Prüfung, ob variable Kaufpreisbestandteile in verschiedenen Veranlagungszeiträumen einem einheitlichen Veräußerungsgewinn unter Begünstigung nach § 34 Einkommensteuergesetz (EStG), Stichwort: halber Steuersatz, entgegenstehen, weil der Veräußerungsgewinn nicht mehr vollständig zufließt. Außerordentlich sind nach Ansicht des BFH Einkünfte im Sinne des § 34 EStG grundsätzlich nur dann, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen und durch die Zusammenballung der Einkünfte eine erhöhte steuerliche Belastung entsteht. Dem kann man die Ansicht entgegensetzen, dass die Rechtsprechung unter den Begriff der Veräußerungsgewinne nur Einkünfte subsumiert, die den Begünstigungszweck des § 34 EStG erfüllen. Hier ist besonderes Augenmerk geboten und gegebenenfalls die Verhandlungsstrategie in der Transaktion frühzeitig anzupassen. Ebenso ist die Liquidität im Auge zu behalten, Stichwort: Liquiditätsfalle. Diese kann sich ergeben, wenn die Summe der zugeflossenen Kaufpreisraten für die Zahlung der veranlagten und fälligen Steuerlast nicht ausreicht, da gegebenenfalls direkt der gesamte Kaufpreis zu versteuern ist. Grundsätzlich ist es ratsam, dass zum Zeitpunkt, zu dem die Steuerlast beglichen wird, mindestens schon 30 Prozent des avisierten Kaufpreises dem Verkäufer bereits zugeflossen sind. Wesentliches Kriterium für die steuerliche Beurteilung von Earn-outs ist somit die Bestimmbarkeit der zukünftigen Zahlungen (der Höhe und dem Grunde nach). Ist deren Eintritt bereits klar und nur zeitlich in die Zukunft verschoben, so handelt es sich steuerlich lediglich um nachgelagerte Zahlungen, die dem bereits heute bezahlten Kaufpreis zuzurechnen sind. Oder sind der Eintritt und die Höhe der Earn-out-Zahlungen aus Sicht des heutigen Transaktionsstichtages als unsicher zu beurteilen, da wirklich unklar ist, dass die zukünftigen Entwicklungen wirklich eintreten und welche Höhe die Zahlungen dann haben? Dann sind die Beträge aus heutiger Sicht nicht Teil des Kaufpreises und fallen in die unbestimmte Zukunft. Dies ist vorsichtig zu prüfen und entsprechend in einer Verhandlung zu adressieren.

Vor- und Nachteile bei Verwendung von Earn-outs

Earn-outs haben sowohl für Käufer als auch Verkäufer zahlreiche Vorteile. Sie können als effektives Instrument zur Bewertung von Unternehmen verwendet werden und bei konkreten Preisfindungen zwischen Parteien helfen. Beide Parteien sollten sich dabei möglichst schon beim Verhandeln der Transaktion darüber im Klaren sein, welche finanziellen Auswirkungen einzelne Bestandteile des Deals sowie der Earn-out-Struktur steuerrechtlich für sie haben können. Beispielhaft seien nachträgliche Anschaffungskosten oder zusätzliche steuerliche Belastungen genannt. Earn-outs erlauben es dem Käufer, einen fairen Preis für ein Unternehmen festzulegen, ohne dabei das Risiko einer wesentlichen Überbewertung einzugehen. Stattdessen legt man den Preis basierend auf dem zukünftigen tatsächlichen Erfolg des Unternehmens fest und gewährt hierfür typischerweise eine zusätzliche Verzinsung oder einen Aufschlag auf die Bewertung. Die Verkäufer profitieren hingegen, wenn der Erfolg größer ist als erwartet. Gleichzeitig trägt der Veräußerer jedoch auch einen Teil des Risikos, sofern es nicht so gut laufen sollte wie erwartet. Er sendet das Signal, an seinen Busi- Earn-outs werden speziell dann verwendet, wenn Transaktionen mit hohem Wagnispotenzial abzusichern sind. 23 Praxis Earn-outs 12 / 23 nessplan zu glauben. Demgegenüber reduzieren die Käufer ihr Risiko, da die Regelungen ihnen ermöglichen, den Preis zu senken und gleichzeitig das Potenzial des Unternehmens zu nutzen. Für den Verkäufer bieten Earn-outs wiederum die Möglichkeit, noch mehr Geld aus dem Verkauf herauszuholen, indem er auf längere Sicht am Erfolg des Unternehmens partizipiert. Der Einsatz von Earn-outs birgt jedoch steuerrechtliche Fallstricke und Herausforderungen, die beide Seiten vor Beginn des Deals berücksichtigen sollten. Auch Liquiditätsaspekte muss man im Auge behalten. Ein wesentlicher Nachteil oder zumindest ein Punkt, den es in der Verhandlung zu adressieren gilt, ist der Aspekt der Kontrolle. Oft scheuen Verkäufer Earn-out-Regelungen, weil sie aus nachvollziehbarem Grund auf die spätere Abrechnung nur noch bedingt einwirken und diese nur eingeschränkt kontrollieren können. Sie befürchten, dass der Käufer den Earn-out ausschließlich zu seinem Vorteil abrechnen wird. Hier sollten bereits zum Zeitpunkt des Kaufs verbindliche Regelungen für die finale Abrechnung der Earn-out-Beträge durch den steuerlichen Berater vereinbart werden. Für den Käufer ist es am besten, wenn die Zielgesellschaft unverändert fortgeführt wird. Denn Verschmelzungen oder andere strategische Reorganisationen und Strukturveränderungen machen das Abrechnen der Earn-out-Zahlungen in der Zukunft schwierig. Als Nachteil sind auch Streitigkeiten über die Höhe der Earn-outs zu nennen, die in der Regel auf schwache Verhandlungen zurückzuführen sind.

Fazit

Insgesamt gesehen kann der Einsatz von Earn-outs eine hervorragende Möglichkeit sein, um ein Unternehmen fair zu bewerten und gleichzeitig Transparenz zu schaffen sowie Transaktionsrisiken zu reduzieren.

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Zu den Autoren

Christian Gerber

Diplom-Ökonom, Wirtschaftsprüfer und Chartered Financial Analyst (CFA), ist Partner der Atroni GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die mit Standorten in Düsseldorf und Duisburg auf die Begleitung von M&A-Transaktionen und Durchführung von Unternehmensbewertungen spezialisiert ist. Er betreut insbesondere mittelständische Mandanten, (Finanz-)Investoren und deren Beteiligungsunternehmen bei Unternehmensbewertungen, der Vorbereitung und Durchführung von Transaktionen (M&A) und Bilanzierungsfragen bundesweit.

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Sascha Weiß

Diplom-Kaufmann (FH), Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, ist Partner der Atroni GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die mit Standorten in Düsseldorf und Duisburg auf die Begleitung von M&A-Transaktionen und Durchführung von Unternehmensbewertungen spezialisiert ist. Er betreut insbesondere mittelständische Mandantschaft, (Finanz-)Investoren und deren Beteiligungsunternehmen bei der Vorbereitung und Durchführung von Transaktionen (M&A) und insbesondere transaktionsnahen Themen bundesweit.

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