Betriebliche Altersversorgung - 25. April 2024

Ein Fall für Experten

Die in den Unternehmen bestehenden Versorgungszusagen bereiten den Verantwortlichen und den damit betrauten Beratern immer wieder erhebliche Schwierigkeiten.

Aufgrund der massiven Zinsveränderungen der letzten zwei Jahrzehnte kommt es immer häufiger zu dem Fall, dass Arbeitgeber in eine Nachschusspflicht für die in der Vergangenheit zugesagten Leistungen kommen. Dies ist zum einen in der mangelnden Ansparung von Finanzmitteln für die erteilten Zusagen, zum anderen aber auch in einer nicht kongruenten Ausgestaltung von Rückdeckungsprodukten begründet. Vor allem bei Zusagen von Unterstützungskassen, die Ende der 90er oder Anfang der 2000er Jahre eingerichtet und erteilt wurden, kommt es nun häufiger zu nicht unerheblichen Nachschusspflichten für Arbeitgeber. Hier wird bewusst von rückgedeckten Unterstützungskassen gesprochen, der Sonderfall der pauschaldotierten Unterstützungskasse bleibt in dieser Betrachtung dabei außen vor.

Garantierte Rentensteigerung nicht zu halten

Die rückgedeckten Unterstützungskassen sehen im Leistungsplan der Unterstützungskasse in den allermeisten Fällen eine garantierte Rentensteigerung von 1 Prozent in der Rentenbezugsphase vor, um die Verpflichtungen des Arbeitgebers auf regelmäßige Prüfung und Anpassung der Rentenleistung nach § 16 Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) zu vermeiden und damit den Aufwand zu reduzieren. In den damals abgeschlossenen Rückdeckungsversicherungen wurde jedoch häufig auf eine derartige Garantie verzichtet, da die Überschüsse im Versicherungsprodukt so hoch waren, dass man von einer problemlosen Finanzierung der jährlichen Steigerung um 1 Prozent aus den laufenden Überschüssen ausgegangen ist. Zudem sahen die Versicherungstarife eine garantierte Anpassung bis Mitte der 2000er Jahre gar nicht vor. Leider ist aufgrund der bekannten Kapitalmarktlage heute die Situation völlig verändert. Die Überschüsse der Rückdeckungsversicherungen reichen in vielen Fällen nicht mehr aus, um die im Leistungsplan zugesagte Anpassung um 1 Prozent pro Jahr im Rentenbezug zu erfüllen.

Arbeitgeber unter Druck

Dementsprechend gerät der Arbeitgeber im Falle der Wahl der Rente durch die Beschäftigten in die Situation, dass eine entsprechende jährliche Anpassung aus Eigenmitteln zu finanzieren ist. Dies hat zur Folge, dass auch im Rahmen der rückgedeckten Unterstützungskasse nun eine Bilanzberührung für die betroffenen Arbeitgeber entsteht. Die aktuelle Bilanzierungsrichtlinie des IDW (HFA 30 n. F.) sieht für die Zeit bis zum Rentenbeginn einen Ausweis der Verpflichtung im Anhang und ab dem Leistungszeitpunkt die Bildung von Rückstellungen in der Handelsbilanz vor. Aufgrund dieser Folgen könnten Arbeitgeber leicht auf den Gedanken kommen, dass den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber auch nachträglich einseitig die Kapitalabfindung erklärt werden kann, um damit die finanziellen und organisatorischen Aufwände ab dem Zeitpunkt der Rentenleistung zu umgehen. Dabei stellt sich die Frage, welches Vorgehen im Hinblick auf die Rentenzahlung oder Kapitalabfindung sinnvoll und zulässig ist. Dies betrifft gleichermaßen Direktzusagen und Zusagen über rückgedeckte Unterstützungskassen. Dabei ist es unerheblich, ob der Anspruch und die Leistungen aus Entgeltumwandlung oder einer Arbeitgeberfinanzierung stammen.

Rechtsprechung

Hierzu hatte auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) in zwei Fällen zu entscheiden (BAG, Urteil vom 17.01.2023, 3 AZR 501/21 und BAG, Urteil vom 17.01.2023, 3 AZR 220/22), inwieweit eine einseitige Kapitalabfindung durch den Arbeitgeber zulässig ist. Im ersten Fall hatte der klagende Arbeitnehmer von seiner Arbeitgeberin eine Zusage über eine lebenslange Betriebsrente erhalten. In einem konkretisierenden Nachtrag im Anschluss an die ursprüngliche Fassung der Zusage hatte die Arbeitgeberin sich das Recht vorbehalten, anstelle der lebenslangen Rente eine einmalige Kapitalzahlung zu leisten. Diese Kapitalleistung sollte mathematisch dem Barwert der künftigen Versorgungsansprüche entsprechen. Berechnungsgrundlage war die Ermittlung der Pensionsrückstellungen nach § 6a Einkommensteuergesetz (EStG). In einem späteren Anhang zum Dienstvertrag ohne Datum und Unterschrift wurde die Kapitalzahlung dann wiederum nicht mehr erwähnt. Da die Arbeitgeberin nun auf die Kapitalzahlung bestand, die der Arbeitnehmer nicht akzeptieren wollte, kam es zum Rechtsstreit. Das BAG gab der Arbeitgeberin Recht, da es in der einseitigen Kapitalabfindung keine Benachteiligung des Arbeitnehmers sah. Grundsätzlich geben die in diesem Fall fraglichen Klauseln der Arbeitgeberin wirksam die Möglichkeit zur Zahlung eines Einmalkapitals anstelle einer lebenslangen Rente. Entgegen der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) handelt es sich dabei nach Einschätzung des BAG nicht um eine Wahlschuld, sondern um eine Ersetzungsbefugnis, die als allgemeine Geschäftsbedingung nach Maßgabe des § 308 Nr. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu prüfen wäre. Die notwendige Zumutbarkeit war in diesem Fall für den Kläger im Rahmen der Zusage aus Sicht des Gerichts gewahrt. Der Ausführung ist zu entnehmen, dass eine Benachteiligung des Klägers aufgrund der Festlegung der wertgleichen Kapitalleistung (Barwert der künftigen Versorgungsleistungen) nicht anzunehmen wäre. Die Entscheidung des Arbeitgebers müsse dann insofern auch billigem Ermessen nach § 315 BGB genügen. Offen bleibt in diesem Fall somit eine angemessene Interessenabwägung, mit der sich nun das LAG nach der Entscheidung des BAG wieder beschäftigen muss.

Entbindung von den Verpflichtungen?

Für viele Arbeitgeber bietet diese Entscheidung nun eine Option, sich von den langfristigen Zahlungsverpflichtungen in Verbindung mit inflationsbedingter Anpassung sowie den Risiken der Langlebigkeit zu lösen. Je älter die Mitarbeiter im Durchschnitt werden, desto größer wird der Anpassungsaufwand des Arbeitgebers in finanzieller Hinsicht und entsprechend länger hat der Arbeitgeber auch die bilanziellen Auswirkungen zu tragen. Gerade vor diesem Hintergrund scheint die Möglichkeit einer einseitigen Kapitalabfindung sinnvoll zu sein. Generell kommt es, wie auch in diesem Einzelfall, immer auf den Wortlaut der Zusage und die Umstände des Einzelfalls an. Jedoch bietet sich bei Vorliegen der notwendigen Grundlagen eine Möglichkeit, derartige Situationen mit entsprechender Bilanzauswirkung langfristig rechtssicher und besser zu lösen.

Komplexe Sachverhalte

Betroffene Unternehmen sollten sich fachkundige Unterstützung ins Haus holen und sich mit dem Thema befassen. In der täglichen Praxis begegnet man häufig Situationen, in denen den Beteiligten nicht bewusst ist, welche Auswirkungen normale Direktversicherungen oder Unterstützungskassen für das Unternehmen und dessen Bilanz haben können. Dies liegt häufig sowohl an der umfangreichen Thematik an sich als auch an begrenzten Informationen bei den Entscheidern. Aber nicht nur den Mandanten, sondern auch vielen Beratern sind die Veränderungen zum Nachteil der Mitarbeiter durch die Versicherungsgesellschaften gar nicht bekannt. Die Mitteilungen der Versicherungsgesellschaften mit für den Arbeitgeber kritischen Inhalten landen zumeist in der Abteilung, die die bAV abrechnet. Dort werden Tragweite und Auswirkungen des Sachverhalts vielfach nicht erkannt und damit die Chance vergeben, die dringend erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Erfahrungsgemäß ist der Grund dafür sehr häufig, dass die Arbeitgeber davon ausgehen, dass die Versicherungsgesellschaften und deren Berater die Sachverhalte der betrieblichen Versorgung umfassend betreuen und lösen. Die betriebliche Altersversorgung (bAV) wurde über viele Jahre immer als Versicherungsthema angesehen. Erfahrungsgemäß ist das jedoch nur in äußerst wenigen Konstellationen der Fall. Zumeist wird von Seiten der Versicherungsgesellschaft beziehungsweise deren Berater oder der Hausbank nur der Versicherungspart betreut, nicht aber die arbeits- oder steuerrechtlich erforderlichen Anpassungen und Maßnahmen, die in der bAV sehr umfangreich sind. Ähnlich verhält es sich bei im Zeitverlauf entstehenden Unterschieden zwischen Leistungsplan und Rückdeckungsversicherung bei den Unterstützungskassen. In den betreffenden Fällen wäre der Steuerberater – auch wenn er das notwendige Spezialwissen rund um betriebliche Versorgungswerke hat – mangels Kenntnis durch den Mandanten ohne jegliche Möglichkeit, die erforderlichen Anpassungen und Hinweise für die Erstellung des Jahresabschlusses zu berücksichtigen.

Mehrere Experten gefordert

Sofern für die Versorgungszusage selbst Anpassungsbedarf entsteht, ist der Steuerberater hierfür im Normalfall zunächst nicht der erste Ansprechpartner. Dies ist in der Regel die Aufgabe eines spezialisierten Rechtsanwalts in Verbindung mit einem Experten für betriebliche Versorgungswerke. Gleiches gilt für die Umsetzung der stetigen Anpassung zwischen arbeitsrechtlich zugesagten Leistungen und dem Rückdeckungsprodukt. So wird sichergestellt, dass die finanziellen Verpflichtungen nicht größer sind als die Leistungen aus der Rückdeckung. Insbesondere bei älteren Zusagen stellt dies Unternehmen vor zum Teil große Herausforderungen. Auch diesen Leistungsbereich decken viele Steuerberater im Normalfall nicht ab. Somit empfiehlt es sich für Steuerberater und auch Unternehmen, sich mit fachkundigen Beratern zu vernetzen, um in den beschriebenen Fällen gemeinsam die notwendigen Schritte einzuleiten und korrekt umzusetzen.

Gesellschafter-Geschäftsführer

Neben den für die Unterstützungskasse beschriebenen Fällen ist das einseitige Kapitalwahlrecht auch relevant für die Neueinrichtung von Pensionszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF). Diese Möglichkeit der Versorgung erfährt eine Art Renaissance. In den 80er und 90er Jahren sehr verbreitet, hat die GGF-Zusage nun lange Jahre aufgrund der massiven Probleme mit der Höhe und der Entwicklung der Rückstellungen in der Handelsbilanz ein negativ behaftetes Dasein erlebt. Häufig bemerkt man bei Gesprächen mit Steuerberatern und deren Mandanten eine eher ablehnende Haltung gegenüber der Einrichtung neuer Zusagen. Hier wird oft noch von der ursprünglichen Gestaltung in Form echter Leistungszusagen ausgegangen, die sich in Gestaltung und Risiko jedoch massiv von den heutigen Formen beitragsorientierter Kapitalzusagen unterscheiden. Diese erhöhen die Flexibilität und die Möglichkeiten im Rahmen eines Unternehmensverkaufs deutlich, wenn die notwendigen Finanzmittel in ausreichender Höhe mit angespart werden und die Zusage mit einem einseitigen Kapitalwahlrecht des Unternehmens ausgestattet ist. Aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit bietet sich heute in den meisten Fällen immer eine beitragsorientierte Leistungszusage (boLZ) mit Einmalkapital an, um das Risiko für Unternehmen und Geschäftsführer so klein wie möglich zu halten. Gleichzeitig macht diese Form der Altersversorgung die immensen Vorteile einer betrieblichen Zusage deutlich, ohne die bekannten Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Mit einer boLZ mit einseitigem Kapitalwahlrecht hat der Geschäftsführer Sicherheit bei Rückstellungsverläufen und gleichzeitig die Flexibilität, dass das Unternehmen im Falle eines Verkaufs sämtliche Verpflichtungen durch Kapitalauszahlung mit Renteneintritt erfüllt und damit die Zusage erlischt. Somit wurden die Vorteile genutzt und die früheren Nachteile vermieden.

Fazit

Festzuhalten bleibt, dass bei Unterstützungskassen und Pensionszusagen das einseitige Kapitalwahlrecht des Arbeitgebers teilweise statthaft ist. Die komplexen Sachverhalte erfordern allerdings fachkundige Beratung durch verschiedene Experten bei der Gestaltung und Umsetzung rund um die betrieblichen Versorgungswerke.

Zum Autor

CC
Carsten Cornelsen

Geschäftsführer bei der Cornelsen & Collegen Management Consulting GmbH in Erlangen, Sachverständiger für betriebliche Versorgungswerke

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