Aktienrente - 25. April 2024

Das schwedische Modell

Obgleich wir in einem Land mit schwacher Aktienkultur leben, wird kein Weg daran vorbeiführen, bei der Altersvorsorge auf kapitalgedeckte Anlageklassen zu setzen. Dass dies höhere Renditen verspricht als die sogenannte Umlagefinanzierung, zeigt ein Blick nach Skandinavien.

Die Altersvorsorge in Deutschland steuert mittelfristig auf einen Crash zu. Insbesondere die Säule der gesetzlichen Rentenversicherung zeigt eine besorgniserregende Entwicklung, denn die Zahlen sind erschütternd. Im letzten Jahr überstieg der Zuschuss des Bunds zur Rentenversicherung bereits die Marke von 100 Milliarden Euro. Schon in wenigen Jahren werden zwei Beitragszahler einen Rentner finanzieren müssen. Berechnungen zeigen, dass – wenn nicht eingegriffen wird – beim Bundeshaushalt 2050 das Budget zu knapp 60 Prozent für Rentenzahlungen eingeplant werden muss. Diese Erkenntnisse sind aber leider nicht neu. Die demografische Entwicklung war bereits vor 30 Jahren absehbar, denn seitdem gab es sukzessive Leistungseinschränkungen bei einem bis dahin sehr komfortablen System.

Ziel verfehlt

Die Einführung der sogenannten Riester-Rente im Jahr 2001 sollte Abhilfe schaffen. Erstmals wurde das Prinzip der Umlagefinanzierung angetastet. Die Riester-Rente sollte als kapitalmarktabhängige, geförderte Alterssicherung die gesetzliche Rente partiell ersetzen. Das Ziel, den demografischen Wandel damit auszugleichen, wurde jedoch verfehlt – weil das Produkt teuer und umständlich ist.

Einstieg in die Aktienrente

Auf Betreiben der FDP wurde daher im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung der Einstieg in die Aktienrente beschlossen. Zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz will die Regierung in eine „teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen“, wie es im Koalitionsvertrag steht. Dies soll über einen dauerhaften Fonds geschehen, der global anlegt und von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle professionell verwaltet wird. Der Vorschlag der Koalition sieht nun vor, dass zunächst ein Kapitalstock von 10 Milliarden Euro an der Börse investiert werden soll. Langfristig gesehen soll sich diese im Verhältnis geringe Summe erhöhen.

Kapitalmarktgedeckte Vorsorge

Kann das aber die Lösung des demografischen Problems bei der deutschen Altersvorsorge sein? Eine rein kapitalgedeckte Altersvorsorge basiert auf einem individuellen Ansatz, bei dem jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer ein eigenes Rentenkapital aufbaut. Dabei werden die Beiträge in verschiedene Anlageformen investiert, wie zum Beispiel Aktien, Anleihen und andere Wertpapiere. Der Wert des Rentenkapitals hängt dann von der Performance der Anlagen ab. Die Aktienrente ist eine spezielle Form der kapitalgedeckten Altersvorsorge, bei der ein gewisser Teil des Rentenkapitals in Aktien investiert wird. Der große Vorteil einer kapitalgedeckten Altersvorsorge gegenüber der Umlagefinanzierung liegt darin, dass sie auf individuelle Anlageerträge setzt und somit unabhängig von der demografischen Entwicklung ist. Durch die Investition in unterschiedliche Anlageklassen, insbesondere in Aktien, besteht die Möglichkeit, höhere Renditen zu erzielen und das Rentenkapital über die Zeit hinweg gesehen zu vermehren. Im Gegensatz dazu hängen die Rentenleistungen in der Umlagefinanzierung von der Anzahl der Beitragszahler ab, was zu Unsicherheiten führt.

Andere Länder sind schon weiter

Wie es mit der Aktienrente gehen könnte, zeigt das oft zitierte schwedische Modell. Dieses wurde 2001 eingeführt und existiert parallel zur staatlichen Umlagefinanzierung, die es auch noch in Schweden gibt. Dort gehen 16 Prozent des Bruttogehalts der Arbeitnehmer in die klassische umlagefinanzierte Rente, wie man sie auch aus Deutschland kennt. Zum Vergleich: Hierzulande sind es 18,6 Prozent, die Beschäftigte über die umlagefinanzierte Rente in ihre Zukunft investieren. Eine Höchstgrenze von 2,5 Prozent des Einkommens wird in Schweden in kapitalgedeckte Fonds eingezahlt. Die Versicherten haben dabei die Wahl zwischen 800 offiziell zugelassenen Fonds mit verschiedenen Risikoprofilen, aus denen bis zu fünf verschiedene Fonds kombiniert werden können. Alternativ gibt es eine Standardlösung des schwedischen Staats, den sogenannten Fonds AP7, dessen Sparoptionen auf das Alter des Arbeitnehmers zugeschnitten sind. Dieser Fonds wird von einer Gruppe von etwa 25 Asset-Managern verwaltet, was die Verwaltungskosten auf ein Minimum reduziert.

Inflationsresistenz als weiterer Vorteil

Ein wesentlicher Vorteil des schwedischen Modells ist, dass es den Arbeitnehmern eine größere individuelle Kontrolle über ihre Altersvorsorge gibt. Sie können selbst entscheiden, wie viel sie in Aktien investieren möchten, und haben dadurch die Chance auf langfristige Renditen. Zudem führt das schwedische Modell zu einer breiteren Eigentumsverteilung, da viele Arbeitnehmer direkt oder indirekt am Aktienmarkt beteiligt sind. Dies stärkt die finanzielle Partizipation der Bürger und trägt zur Stabilität des Systems bei. Ein weiterer Vorteil der Aktienrente liegt in ihrer Inflationsresistenz. Im Gegensatz zu festverzinslichen Anlagen haben Aktien historisch gesehen eine höhere Rendite erzielt und können somit helfen, den Wert des Rentenkapitals im Laufe der Zeit zu erhalten und sogar zu steigern. Dies ist besonders wichtig angesichts der steigenden Lebenserwartung und der Tatsache, dass Rentenbezugszeiten immer länger werden. Mit seiner Lösung hat Schweden nun über 20 Jahre Vorsprung vor Deutschland und das Modell hat sich, wie gezeigt, bewährt.

Staatsfonds KENFO

In Deutschland gibt es bereits einen Staatsfonds, der sogar eine gute Rendite erwirtschaftet. Es ist der Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung, kurz KENFO. Dieser soll nach dem Atomausstieg in Deutschland die Beseitigung radioaktiven Mülls finanzieren. Die Regierung denkt daran, den zukünftigen Rentenfonds von dieser Institution verwalten zu lassen. An etwaige Geldmanager eines solchen Fonds werden natürlich besondere Anforderungen gestellt. Zu nennen sind Transparenz sowie die öffentliche Rechenschaftspflicht. Bei der Aktienrente gibt es zudem viele Stakeholder und damit eine besondere Komplexität: den Staat, die Bürger, die handelnde Bank, womöglich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und natürlich die Politik.

Ernst der Lage nicht unterschätzen

Wie ernst die Lage ist, zeigen mit Blick auf die Aktienrente auch repräsentative Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Forsa, die von der Initiative Minderheitsaktionäre e. V in Auftrag gegeben wurden. Dabei wurde die Bereitschaft zur Aktienrente bei bestimmten demografischen Gruppen umfassend untersucht. Nicht überraschend hat mit 83 Prozent der Großteil der Menschen in Deutschland kein Vertrauen in die Stabilität und Sicherheit der gesetzlichen Rentenversicherung, wie sie in ihrer derzeitigen Form besteht. So befürwortet über die Hälfte der Befragten die Einführung einer Aktienrente, vor allem die Jüngeren. Andere Umfragen zeigen aber auch, dass es viele Bürger akzeptieren, die Rente einfach weiter mit Steuergeldern zu finanzieren. Nur ist dies, wie oben dargestellt, entweder der falsche Weg oder der Weg in eine Sackgasse.

Schwach ausgeprägte Aktienkultur

Die einzige Lösung ist, die Kapitaldeckung voranzutreiben, nicht nur in der Rentensäule. Auch in der privaten Vorsorge muss der Bürger in der Lage sein, Vermögensbildung über Wertpapiere zu leisten. Doch Deutschland ist ein Land mit schwach ausgeprägter Aktienkultur und einer mangelnden Erfahrung der Bürger mit Wertpapieren. Das Auf und Ab des Markts verschreckt viele Sparer. Daher liegt die Aktienbesitzquote in Deutschland nur bei circa 18 Prozent. Allerdings gibt es eine Tendenz bei jüngeren Menschen, sich über Apps und Internetplattformen am Aktienmarkt zu beteiligen.

Risiken begrenzen

Es bedarf umfangreicher finanzieller Bildung und klarer Kommunikation. Natürlich bleibt anzumerken, dass die kapitalgedeckte Altersvorsorge auch mit gewissen Risiken verbunden ist. Die Performance der Anlageklassen kann schwanken und es besteht immer das Risiko von Verlusten. Das wurde zuletzt bei den großen Fonds von Schweden, aber auch Norwegen, deutlich. Die Verluste aus dem Jahr 2022 wurden allerdings durch starke Gewinne aus dem ersten Halbjahr 2023 wieder ausgeglichen. Bei einer langfristigen Betrachtung fällt dies aber kaum ins Gewicht. Trotzdem sind eine sorgfältige Portfoliodiversifikation und eine professionelle Verwaltung der Rentenfonds entscheidend, um das Risiko zu begrenzen.

Fazit und Ausblick

Um eine breite Akzeptanz der Öffentlichkeit zu erreichen, wird es einer umfangreichen und klaren Kommunikation bedürfen. Finanzielle Bildung ist essenziell. Die Bundesministerien der Finanzen (BMF) und für Bildung und Forschung (BMBF) haben im Juni 2023 Eckpunkte für eine Verbesserung der Finanzbildung in Deutschland vorgelegt. Der Koalitionsvertrag trug die Überschrift „Mehr Fortschritt wagen“. Der Bürger sollte dies auch im Bereich der Altersvorsorge spüren.

Zum Autor

RP
Robert Peres

Rechtsanwalt in Berlin und Wiesbaden und Vorsitzender der Initiative Minderheitsaktionäre e. V.

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