Die mittelständischen Unternehmen sind durch die Corona-Pandemie unter Druck geraten. Die Ursachen der wirtschaftlichen Betroffenheit liegen aber tiefer. Vor diesem Hintergrund kann Kooperation der Schlüssel zu einer erfolgreichen Zukunft sein.
Die Corona-Pandemie hat weltweit eine der größten Krisen nach dem Zweiten Weltkrieg hervorgerufen. Gerade der wiederholte Lockdown hat nahezu alle Branchen völlig unerwartet getroffen. Viele, vor allem kleinere Unternehmen, mussten bereits aufgeben. Beendet ist diese Entwicklung noch lange nicht. Die Insolvenzstatistik, die häufig als Indikator für die Situation der jeweiligen Branche herangezogen wird, ergibt nur ein unvollständiges Lagebild. Weit häufiger wird es vorkommen, dass Unternehmen, deren Fortbestand in den kommenden Jahren ohnehin – etwa mangels geeigneter Nachfolgerinnen und Nachfolger – gefährdet ist, ihre Betriebsschließung freiwillig vollziehen. Tatsächlich hat aber nicht allein die Corona-Pandemie die Unternehmen unter Druck gesetzt. Auch strategische Versäumnisse in den vorangegangenen Jahren haben dazu beigetragen. Umso wichtiger ist es des halb, genau diese Schwächen zu erkennen und den notwendigen Transformationsprozess nachzuholen.
Schwierige Ausgangslage
Wenn der Weg in eine erfolgreiche Zukunft gelingen soll, ist nicht nur ein genauer Blick auf die eigenen Stärken und Potenziale erforderlich, sondern vor allem eine effiziente unternehmensübergreifende Vernetzung. Die wirtschaftliche Lage vieler mittelständischer Unternehmen wird sich auch bei einem raschen Abklingen der Pandemie nicht so schnell verbessern. Zudem wachsen die gesellschaftspolitischen Erwartungen an die Unternehmen hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Auch hier müssen die Kooperationszentralen eine Führungsrolle für ihre Mitglieder einnehmen. Denn in den einzelnen Unternehmen fehlt es oft an Know-how und Personal, um diese Themen beherzt anzugehen. Auch fehlen die finanziellen Mittel für notwendige Investitionen. Denn die krisenbedingt massiven Umsatzeinbußen, die nur zu einem kleineren Teil durch die staatlich bereitgestellten Wirtschaftshilfen kompensiert werden konnten, wirken nach. Zwar konnten die Unternehmen durch den lobenswerten Einsatz vieler Steuerberater bei der Beantragung von Überbrückungshilfen und anderer Hilfsprogramme etwas entlastet werden. Dennoch mussten viele Unternehmensinhaber – vor allem die kleinen Personenunternehmen – privates Kapital zuschießen, um ihren Betrieb aufrechtzuhalten. Das staatlich abgesicherte Kreditprogramm – so attraktiv die Konditionen und Garantien durch die öffentliche Hand auch sein mögen – ist eher zögerlich angenommen worden. Irgendwann müssen Kredite bekanntlich wieder zurückgezahlt werden. Gerade bei unsicheren Zukunftsaussichten neigen die Unternehmer deshalb zur Vorsicht in puncto Verschuldung. Insgesamt also eine schwierige Ausgangslage für den nun notwendigen wirtschaftlichen Restart im Mittelstand.
Unterschiedliche Betroffenheit
Zu einer nüchternen Bestandsaufnahme gehört auch die Erkenntnis, dass die Unternehmen im Mittelstand unterschiedlich von der Corona-Krise betroffen waren. Während große Teile des industriellen Mittelstands trotz vorübergehender Kurzarbeit und Lieferengpässen insgesamt recht gut durch diese schwierige Phase gekommen sind, gilt dies für das Gastgewerbe, die Veranstaltungswirtschaft, den stationären Einzelhandel sowie spezialisierte Zulieferbetriebe keineswegs. Hier wirkt sich erschwerend aus, dass diese Branchen überwiegend auf den Kontakt zum Kunden beziehungsweise Gast vor Ort angewiesen sind. Gerade dieser Kontakt war durch die geltenden Verordnungen stark eingeschränkt. Aber auch der genauere Blick auf den Handel liefert kein einheitliches Bild. Denn während etwa der Lebensmitteleinzel-, der Fahrrad- und Küchenhandel deutlich höhere Umsätze als in den Vorjahren erzielen konnten, verzeichneten andere Groß- und Einzelhändler im Jahresvergleich deutliche Umsatzrückgänge.
Nur wenige Gewinner
Große Gewinner der Krise gibt es nur wenige. Die Mehrkosten zur Einhaltung der Auflagen ließen das oft auch bei höheren Umsätzen nicht zu. Einen sehr deutlichen Boom erlebte hingegen der Online-Handel. Profitiert haben hier in erster Linie die bereits etablierten Online-Plattformen mit ihrer hochleistungsfähigen Infrastruktur. Auch wenn die mittelständischen stationären Händler in vielen Fällen schnell reagiert und niedrigschwellige Angebote zum Online-Vertrieb – etwa über Social Media – eingerichtet haben, konnten sie auch bei bester positiver Resonanz den gewaltigen Vorsprung nicht einholen. Auch ihre damit verbundenen zusätzlichen Kosten konnten sie zumeist nicht decken. Vielen machte neben den Betriebskosten auch eine hohe Retourenquote massiv zu schaffen. Unter den verschärften Bedingungen hat sich der Vorsprung der global agierenden Plattformen dagegen massiv vergrößert und deren Profitabilität weiter erhöht.
Marktmacht als struktureller Vorteil
Die stationären mittelständischen Händler waren vor allem deshalb im Nachteil gegenüber den globalen Plattformen, weil sie reagieren mussten, als die Marktanteile im Online-Handel bereits weitgehend verteilt waren. Denn bereits vor der Corona-Krise hatten große internationale Digitalkonzerne, wie zum Beispiel Amazon, eine dominierende Marktmacht. Diese ist so groß, dass für viele kleine Händler ohne eigene digitale Infrastruktur der Weg an deren Plattformen kaum vorbeiführt. Entscheidender Faktor für den Markterfolg der großen Player ist die Etablierung einer Infrastruktur nicht nur für den eigenen Vertrieb, sondern auch als Plattform für externe Händler. Letztere können die digitale Infrastruktur nutzen, bezahlen dafür aber unter anderem mit Transaktions- und Kundendaten. Diese Daten werden von den Plattformbetreibern systematisch gesammelt, umfassend ausgewertet und konsolidieren deren marktbeherrschende Stellung. Es sind genau diese wertvollen Daten, die mittelständischen stationären Händlern fehlen, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt in den Online-Handel einsteigen.
Faire Wettbewerbsbedingungen notwendig
Diesen Mangel gilt es auszugleichen. Das kann aber nur überbetrieblich gelingen. Und genau hier kommen die gewerblichen Verbundgruppen ins Spiel. Denn so unterschiedlich sie sich auch über Jahrzehnte entwickelt haben, in einem besteht Einigkeit: Sie müssen ihre Mitglieder auf dem Weg in die digitale Transformation konsequent fördern. Trotz des langfristigen Erfolgs der Kooperationen und ihrer Mitglieder finden sie sich heute allerdings in einer Situation wieder, in der ihnen die eigene Stärke allein nicht in ausreichendem Maße den Zugang zu den Möglichkeiten der Digitalisierung und damit zu wichtigen Marktanteilen verschaffen kann. Sie brauchen deshalb politische Unterstützung, damit es faire Wettbewerbsbedingungen – ein sogenanntes Level Playing Field – geben kann.
Modernisierung des Wettbewerbsrechts
Gegenwärtig ist der Wettbewerb zwischen den von Digitalkonzernen betriebenen Plattformen und den überwiegend stationären mittelständischen Händlern keineswegs ausgewogen. Die Politik und damit auch die Wettbewerbsbehörden sind daher in der Pflicht, für mehr Ausgleich zwischen den Marktteilnehmern zu sorgen. Erfreulicherweise haben sie die herausragende Bedeutung dieser Fragen für die wirtschaftlichen Machtverhältnisse der Zukunft mittlerweile erkannt. Mit der am 19. Januar 2021 in Kraft getretenen zehnten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) wurde endlich ein zeitgemäßer Ordnungsrahmen zur Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen in der digitalisierten Wirtschaft geschaffen. Im Zuge der Verschärfung der Missbrauchsaufsicht kann das Bundeskartellamt deutlich schneller gegen Verzerrungen des Wettbewerbs durch Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung vorgehen. Folgerichtig sieht die GWB-Novelle bei Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung einzelner Unternehmen ebenfalls vor, dass deren Mitbewerber Zugang zu den wettbewerbsrelevanten Daten erhalten müssen. So könnten gerade mittelständische Händler ihren strukturellen Nachteil zumindest teilweise ausgleichen und leichter gemeinsam eigene datenbasierte Geschäftsmodelle entwickeln. Auch auf der Ebene der Europäischen Union laufen derzeit – etwa mit dem Digital Markets Act – Gesetzgebungsverfahren mit ähnlicher Zielsetzung. Die entsprechenden Regeln haben aber nicht nur hohe Relevanz für den (Online-)Handel, denn digitalisierte Geschäftsmodelle werden in allen Branchen zum Regelfall. Wenn sie wirtschaftlich erfolgreich sein wollen, wird daher zukünftig für alle Unternehmen der Zugang zu Daten entscheidend sein.
Politische Unterstützung unabdingbar
Viele Unternehmen können ihre wirtschaftliche Schwäche infolge der im Zuge der Corona-Pandemie staatlich verordneten Einschränkungen nicht aus eigener Kraft überwinden. Deshalb müssen steuerliche Investitionsanreize ins Auge gefasst werden. Mittelständische Unternehmen bedürfen einer Entlastung, während Digitalkonzerne steuerlich am Ort der Wertschöpfung stärker zum Gemeinwohl beitragen sollten. Mindestens ebenso wichtig ist die Verringerung überzogener bürokratischer Pflichten, da im Verhältnis kleinere Unternehmen hierdurch weit stärker belastet werden als Großunternehmen. Unverzichtbar ist eine Stärkung der Innenstädte und Geschäftszentren, um das Einkaufen vor Ort wieder attraktiver zu machen. Denn nur durch Orte mit hoher Aufenthaltsqualität und entsprechendem Freizeitwert kann der stationäre Handel seine Stärken gegenüber dem Online-Handel voll ausspielen. Ebenso braucht der Mittelstand verlässliche Rahmenbedingungen in den Bereichen Klimaschutz und Energie. Die aktuell sehr hohen Energiekosten verzerren den Wettbewerb im europäischen Raum zulasten des Mittelstands erheblich. Mit einer Politik, die sich dieser Herausforderungen annimmt, würde die neue Bundesregierung dazu beitragen, dass die mittelständischen Unternehmen zur Stärkung der gesamten Volkswirtschaft aus der Corona-Krise herauswachsen können.
Fazit und Ausblick
Mehr denn je kommt es dabei auf eine effiziente Vernetzung an, da der Mittelstand erst in Kooperationen seine volle Kraft entfalten kann – mit positiven Folgen für Regionen, für Arbeits- und Ausbildungsplätze, für nachhaltige Ressourcennutzung und damit letztlich auch für eine hohe Lebensqualität. Die Stärke mittelständischer Unternehmen im Handel, Handwerk und Dienstleistungsgewerbe ist ihre Kooperationsfähigkeit. Deren Wurzeln liegen in der genossenschaftlichen Idee: Gemeinsamkeit erkennen und in Gemeinschaft den Einzelnen fördern. Dies ist schon lange ein Erfolgsmodell und hat eine Struktur gedeihen lassen, die viele Krisen überstanden hat. Jetzt allerdings muss dem analogen Erfolgsmodell in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten der Sprung in die Digitalisierung gelingen. In diesem anspruchsvollen Transformationsprozess kommt den Zentralen mittelständischer Kooperationen eine entscheidende Rolle zu.
Mehr dazu
Informationen zu Überbrückungs- und Wirtschaftshilfen sowie passende Weiterbildungsangebote unter www.datev.de/corona