Die Vorratsgesellschaft - 29. Februar 2024

Vorausschauend gründen

Sofern ein Rechtsträger kurzfristig zur Verfügung stehen muss, da bei Akquisitionen steuerliche Stichtage einzuhalten sind oder zügig eine Geschäftstätigkeit aufzunehmen ist, bietet sich eine Gesellschaft an, die zwar im Register eingetragen, jedoch nach außen hin noch nicht geschäftlich tätig ist.

Bei einer Transaktion oder der (Neu-)Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit wird regelmäßig eine Gesellschaft in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft benötigt. Um dieser Marktnachfrage zu entsprechen, haben sich verschiedene Anbieter darauf spezialisiert, Vorratsgesellschaften zu gründen und die Anteile an einer solchen Rechtsform an entsprechende Erwerber zu verkaufen. In der Praxis ist eine Vorratsgesellschaft meistens schon gegründet, im Handelsregister eingetragen und verfügt über ein aktuelles Bankkonto, auf dem das gesetzlich erforderliche Mindestkapital eingezahlt ist. Marktüblich ist, dass der Erwerber die Bankdaten und auch die durch den Verkäufer erstellte Eröffnungsbilanz erhält. Der Kaufpreis der Anteile an der Vorratsgesellschaft entspricht im Regelfall dem tatsächlich eingezahlten Kapital zuzüglich eines gewissen Aufschlags.

Begriffsbestimmung

Die Vorratsgesellschaft ist eine Gesellschaft, die zwar registergerichtlich eingetragen ist, jedoch noch keine Geschäftstätigkeit nach außen aufgenommen hat. Zweck der Gesellschaft ist, als Rechtsträger für die Gesellschafterin, den Gesellschafter oder einen etwaigen späteren Erwerber vorgehalten zu werden. Diesem wird dadurch ermöglicht, kurzfristig unternehmerisch tätig zu werden und am Rechtsverkehr teilzunehmen (wirtschaftliche Neugründung). Die Vorratsgesellschaft ist von der Mantelgesellschaft abzugrenzen. Bedeutendstes Merkmal zur Abgrenzung von einer Mantelgesellschaft ist, dass eine Vorratsgesellschaft noch nicht rechtsgeschäftlich tätig wurde. Grundsätzlich kann jede Kapital- (GmbH, UG, SE) oder Personengesellschaft (KG, GmbH & Co. KG) als Vorratsgesellschaft genutzt werden, wobei am häufigsten auf die Rechtsform der GmbH zurückgegriffen wird. Zweck einer Vorratsgesellschaft ist, die Implementierung von Akquisitionsstrukturen sowie die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit in Deutschland zu beschleunigen. Weiterhin erhält der Erwerber eine Gesellschaft, die frei von Haftungsrisiken (beispielsweise rechtlicher oder steuerlicher Art) ist, da der Geschäftsbetrieb noch nicht aufgenommen wurde.

Errichtung und Erwerb – Überblick

Die Gründung einer Vorratsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH erfolgt gemäß §§ 1 ff. Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) durch notariellen Gesellschaftsvertrag. Dennoch war die Zulässigkeit der Gründung von Vorratsgesellschaften umstritten. Es wurde mitunter befürchtet, dass Gründungsvorschriften umgangen werden könnten. Da für Vorratsgesellschaften die gleichen gesetzlichen Gründungsvoraussetzungen gelten, sind Bedenken hinsichtlich einer missbräuchlichen Verwendung jedoch im Regelfall unbegründet. Auf den Erwerb einer Vorratsgesellschaft ist das Kaufrecht anwendbar. Demnach richtet sich der Erwerb nach den §§ 433, 453 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Übertragen werden die Anteile gemäß § 15 I GmbHG durch Abtretung. Dafür ist die notarielle Form vorgeschrieben. Um die Vorratsgesellschaft nutzen zu können, ist regelmäßig eine Satzungsänderung notwendig. Die Vorratsgesellschaft soll damit für den gewünschten Geschäftsbetrieb vorbereitet werden. Die Satzungsänderung ist zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden. Darüber hinaus muss dem Registergericht die wirtschaftliche Neugründung offengelegt werden. Dabei prüft das Gericht, ob das statutarische Haftkapital der Gesellschaft auch tatsächlich zur Verfügung steht. Die Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung ist hinsichtlich haftungsrechtlicher Aspekte von entscheidender Bedeutung und sollte auf keinen Fall unterlassen werden. Für die rechtlichen Themen wird empfohlen, rechtlichen Rat einzuholen.

Verlustvorträge

Eine inländische Vorratsgesellschaft unterliegt der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht gemäß § 1 I Körperschaftsteuergesetz (KStG). Allerdings wird die Vorratsgesellschaft in Ermangelung eines Geschäftsbetriebs keinen steuerpflichtigen Gewinn erzielen. Vielmehr werden sich im Verlauf durch Verwaltungskosten Verlustvorträge ergeben. Im Rahmen der wirtschaftlichen Gründung wird es regelmäßig zu einem schädlichen Beteiligungserwerb im Sinne des § 8c I 1 KStG kommen. Ein solcher liegt vor, wenn innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren mehr als 50 Prozent der Anteile an einer Körperschaft auf einen Erwerber übergehen, und führt grundsätzlich zu einem Untergang bestehender Verlustvorträge. Es bestehen jedoch einige Ausnahmeregelungen, von denen insbesondere die Stille-Reserven-Klausel des § 8c I 5 KStG für die wirtschaftliche Neugründung relevant ist. Ein schädlicher Beteiligungserwerb führt demnach nicht zum Untergang bestehender Verlustvorträge, soweit dieser von stillen Reserven gedeckt ist. Es ist jedoch zweifelhaft, dass eine Vorratsgesellschaft über stille Reserven verfügt. Neben dem körperschaftsteuerlichen gilt es auch noch den gewerbesteuerlichen Verlustvortrag zu beachten. Betreffend den Untergang gewerbesteuerlicher Verlustvorträge wird auf § 8c KStG zurückgegriffen. Insofern ist die Stille-Reserven-Klausel auf den körperschaft- und gewerbesteuerlichen Verlustvortrag ebenfalls anwendbar.

Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg

Der große Vorteil einer Vorratsgesellschaft ist ihre schnelle Verfügbarkeit. Dies ist insbesondere beim Einsatz der Gesellschaft als Akquisitionsvehikel in zeitkritischen Fällen von Bedeutung. Besonders deutlich wird dies in Bezug auf das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg nach § 9 Nr. 2a Gewerbesteuergesetz (GewStG). Um eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne zu vermeiden, sind diese auf Ebene des Anteilseigners zu kürzen (Schachtelprivileg). Voraussetzung hierfür ist, dass eine Beteiligungshöhe von mindestens 15 Prozent zu Beginn des Erhebungszeitraums – für gewöhnlich der 1. Januar – an der ausschüttenden Kapitalgesellschaft bestand. Hierbei handelt es sich um ein strenges Stichtagsprinzip, das dazu führt, dass für einen Beteiligungserwerb nach Beginn des Erhebungszeitraums das Schachtelprivileg des § 9 Nr. 2a GewStG im Erstjahr nicht anwendbar ist und in der Folge die Gewinnausschüttung auf Ebene des Empfängers vollständig der Gewerbesteuer unterliegt. Die zeitintensive rechtliche Gründung einer neuen Kapitalgesellschaft kann unter Umständen zu einem nicht rechtzeitigen Erwerb des Akquisitionsziels führen. Durch die sofortige Verfügbarkeit kann eine Vorratsgesellschaft eine schädliche Verletzung dieses relevanten Stichtags abhängig vom jeweiligen Sachverhalt vermeiden.

Fazit

Potenzielle Erwerber sollten eine Vorratsgesellschaft trotz womöglich bestehender Eile dennoch vorab prüfen, um nicht ein böses Erwachen mit einer als solche getarnten Altgesellschaft zu erleben. Hier drohen erhebliche Haftungsrisiken durch Altlasten bis zu einem Insolvenzverfahren. Daher ist es ratsam, eine Vorratsgesellschaft über einen Notar zu erwerben.

Zu den Autoren

MVG
Marcus von Goldacker

Partner und Global Head of PIE Tax bei der internationalen Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Mazars

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JD
Jonas Dornisch

Wirtschaftsjurist und Tax Assistant bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft Mazars

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