Anschaffungsnahe Herstellungskosten - 20. November 2023

Schwierige Einordnung

§ 6 Absatz 1a Einkommensteuergesetz führt hinsichtlich seiner steuerlichen Bedeutung in der Beratungs- und Immobilienpraxis weiterhin zu Rechtsunsicherheiten und kann zudem eine dringend gebotene energetische Sanierung von Gebäuden behindern.

Die Einordnung von Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen seitens der Finanzverwaltung als anschaffungsnahe Herstellungskosten (im Weiteren: HK) ist seit Jahrzehnten ein Dauerthema der Immobilienwirtschaft und ihrer Beratungspraxis. Dies ist nicht verwunderlich, macht es steuerlich doch einen erheblichen Unterschied, ob Investitionen als Erhaltungsaufwand (EA) sofort steuerlich geltend gemacht werden können oder sich als nachträgliche HK über einen Zeitraum von bis zu 50 Jahren als Abschreibungen auswirken. Schließlich sind hiervon sowohl Objekte des Betriebs- [§ 6 Abs. 7 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG)] als auch des Privatvermögens (§ 9 Abs. 5 S. 2 EStG) betroffen und damit eine Vielzahl von Steuerpflichtigen. Bei gegebener Finanzierungssensibilität der Investitionsplanung ist die steuerliche Einordnung der Baumaßnahmen oft von entscheidender Bedeutung. Die dabei bestehenden Rechtsunsicherheiten zeigen sich schließlich in der regelmäßig anzutreffenden Schwerpunktsetzung späterer Außenprüfungen. Auch wenn sich die Steuerwirkung des Investitionsaufwands in der Totalperiode letztendlich ausgleicht, so ist in der Praxis einerseits nicht davon auszugehen, dass diese langfristige Steuerersparnis tatsächlich realisiert wird, wenn etwa mit Renteneintritt des Steuerpflichtigen Einkommen und damit der Steuersatz sinken. Vor allem aber dürften sich die Inflation- und Zinsentwicklung hier erheblich nachteilig auswirken. In der Regel gilt es daher, die weitgehende Einordnung von Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen als anschaffungsnahe HK zu vermeiden. Nun ist die steuerliche Beratungspraxis so vielfältig wie das Leben selbst: Wenn etwa für die Übertragung einer Rücklage gemäß § 6b EStG zum Ende des Ersatzinvestitionszeitraums eine ausreichende Manövriermasse an Anschaffungs- und Herstellungskosten (AHK) benötigt wird, kann eine Aktivierung der Baukosten im Ausnahmefall steuerlich sinnvoll sein. In jedem Fall bedarf es einer genauen Kenntnis von Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung, um in jedweder Richtung die zutreffende steuerliche Einordnung der für das Investitionsobjekt konkret geplanten Baumaßnahme vornehmen zu können.

Herstellungsaufwand und Bestimmungsdeterminanten

Zu den Aufwendungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG als „lex specialis“ gehören sämtliche Kosten für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen, soweit deren Netto-Entgelt 15 Prozent der Anschaffungskosten (AK) innerhalb von drei Jahren nach Gebäudeanschaffung (Dreijahresfrist) übersteigen (15 Prozent-Grenze) und als solche nicht nach S. 2 der Vorschrift ausdrücklich ausgenommen sind. Hierbei handelt es sich um eine Saldogröße. Sofern die klimafreundliche Erneuerung der Heizungsanlage von staatlicher Seite bezuschusst wird, wirkt sich dies mindernd auf die 15 Prozent-Grenze aus. Bei einer Gebäudeanschaffung darf man nicht übersehen, dass diese je nach Nutzungs- und Funktionszusammenhang gegebenenfalls in bis zu vier unterschiedliche Wirtschaftsgüter zu unterteilen ist, je nachdem ob das Objekt teils eigen-, teils fremdbetrieblich, zu eigenen oder zu fremden Wohnzwecken genutzt wird. In einem solchen Fall sind die AK wie auch folgende anschaffungsnahe HK grundsätzlich nach der jeweiligen Nutzfläche aufzuteilen. Der Begriff „Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahme“ ist gesetzlich nicht definiert. Der Bundesfinanzhof (BFH) kommt in seiner Urteilstrilogie vom 14. Juni 2016 zu einer weiten Auslegung. Er subsumiert darunter alle Baumaßnahmen, durch die Mängel oder Schäden am Gebäude oder seinen Einrichtungen beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird. Zu den Aufwendungen gehören daher insbesondere Aufwendungen für die Instandsetzung oder Erneuerung vorhandener Sanitär-, Elektro- und Heizungsanlagen, der Fußbodenbeläge, der Fenster sowie der Dacheindeckung, die – ohne die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG – vom Grundsatz her als sofort abziehbarer EA zu beurteilen wären.

Dreijahresfrist

Die Dreijahresfrist ist Tag genau zu ermitteln und unterliegt einer strikten Anwendung. Der wirtschaftlichen Betrachtungsweise folgend beginnt sie mit dem Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten. Dieser Zeitpunkt kann erheblich vom Tag des Abschlusses des Kaufvertrags oder der Auflassungserklärung abweichen. Ob innerhalb dieser Dreijahresfrist schädliche Baumaßnahmen vorliegen, bestimmt sich im Zeitpunkt ihrer Durchführung, nicht aber deren Inrechnungstellung oder gar Bezahlung. Unterschreiten die Aufwendungen vor Ablauf der Dreijahresfrist die 15 Prozent-Grenze, sind sie steuerlich zunächst sofort abziehbar, soweit keine originären AHK vorliegen. Wird dann diese Grenze im weiteren Verlauf doch überschritten, etwa wegen unvorhergesehener, nicht aufschiebbarer Schönheitsreparaturen, werden zuvor erlassene Steuerbescheide, wenn nicht ohnehin nach § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) vorläufig, nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO mit steuerlicher Rückwirkung geändert, was gegebenenfalls hohe Steuernachforderungen zur Folge hat. Erstreckt sich die Durchführung einzelner Baumaßnahmen über den Dreijahreszeitraum hinaus, ist der Aufwandsüberhang nach allgemeinen Abgrenzungskriterien zu beurteilen. Soweit sich also die Durchführung nicht in das Jahr nach Ablauf der Dreijahresfrist verschieben lässt, sollten die Steuerpflichtigen zumindest im Falle einer Überlappung für eine gesicherte Dokumentation sorgen, in dem sie von ihren beauftragten Bauunternehmern Aufstellungen über die bis zum Fristende getätigten Baumaßnahmen anfordern. Dies ist nicht zuletzt der sogenannten Fallbeil-Wirkung der 15 Prozent-Schwelle geschuldet, aufgrund der bereits ein geringfügiges Überschreiten der Freigrenze zur Aktivierung der gesamten insoweit vorliegenden anschaffungsnahen HK führt.

Abgrenzungskriterien

Aufgrund des nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG erforderlichen entgeltlichen Erwerbs einer Immobilie liegen zunächst einmal AK vor. Dazu zählen im Weiteren auch nachträgliche Gebäudeaufwendungen, die für das Erreichen der Bezugsfertigkeit, seiner etwaigen besonderen Zweckbestimmung oder auch nur grundlegenden Erhaltung anfallen. Aufwendungen für die Erweiterung eines Gebäudes im Sinne der Vorschrift sind nach S. 2 ausgenommen, im Gegensatz zu Investitionen, die eine wesentliche Verbesserung des ursprünglichen Zustands zum Ziel haben. Eine Abgrenzung ist hier folglich für die Bestimmung der 15 Prozent-Grenze weiterhin unabdingbar. Die Erweiterung eines Gebäudes liegt zum Beispiel vor, wenn es nach Anschaffung des Objekts durch Baumaßnahmen zu einer, gegebenenfalls auch nur geringfügigen, Vergrößerung der Nutzfläche, etwa in Form einer Aufstockung oder eines Anbaus, kommt. Eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung liegt demgegenüber dann vor, wenn Baumaßnahmen in ihrer Gesamtheit etwa den Gebrauchswert des Gebäudes im Sinne einer Standardhebung in drei von vier sogenannten zentralen Ausstattungsmerkmalen (Heizungs-, Sanitär- oder Elektroinstallationen sowie Fenster) von „sehr einfach“ auf „mittel“ beziehungsweise „sehr anspruchsvoll“ anheben. Für die Praxis empfiehlt es sich, die objektive Funktionstüchtigkeit, etwa bei Leerstand des Gebäudes zum Beispiel durch ein Gutachten dokumentieren zu lassen. Aufwendungen für Instandsetzung und Modernisierung, die dem reinen Erhalt einer ordnungsgemäßen Gebäudesubstanz oder der Erneuerung von bereits vorhandenen Gebäudeteilen dienen, sind in die Prüfung der 15 Prozent-Grenze mit einzubeziehen. Der BFH begründet dies damit, dass es sich bei diesen ebenfalls um bauliche, im Regelfall nicht jährlich anfallende Maßnahmen handelt, durch die Mängel oder Schäden am Gebäude beseitigt würden. Der Anwendungsbereich dieser Ausnahmeregelung ist damit für die Praxis nur noch von geringer Bedeutung, wie die nachfolgende Übersicht zu den jährlich üblicherweise anfallenden EA belegt:

„Schönheitsreparaturen“ in Abgrenzung von
§ 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 2. Alt EStG
EA, sofort
abzugsfähig
EA, > 15%AHK,
zu aktivieren
Lfd. Heizungs-, Kaminfege-, Aufzugs- u./o. Rauchmelder-Wartungenx
Beseitigung von Rohrverstopfungen u.-verkalkungenx
Lfd. Strom-/ Gas-/Wasserzähler- Ablesekostenx
Tapezieren, Anstreichen o. Kalken der Wände u. Decken, Streichen der Fußböden, Heizkörper u. -rohre, der Innentüren sowie der Fenster u. Außentüren von innenx
Malerarbeiten beim Auszug von Mietern o. bei geringen Schäden im Treppenhausx
Ersatz zerbrochener Fensterscheibenx
Reparatur defekter Schließanlagenx
Mängel, im Anschaffungszeitpunkt nachweislich weder versteckt noch unerkannt gegeben (z. B. durch schuldhaftes Mieter-Verhalten wie nicht gemeldeter Rohrbruch, Schimmelbefall, Fenster- o. Fliesenbruch etc.)x
Mängelbeseitigung bzgl. unvermuteter, aber zum Anschaffungszeitpunkt bereits vorhandener Schäden, die aufgrund des langjährigen vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache durch den Mieter entstanden (subjektive Vorstellungen des Erwerbers irrelevant)x
Schäden, erwiesenermaßen nach dem Erwerb entstanden u. unversichert (z. B. infolge von Brand, Sturm, Hochwasser o. Umweltkatastrophen)x
Regelmäßige Inspektionen von Heizungs-, Sanitär- u./o. Elektroanlagen etwa im Rhythmus > 1 Jahrx

Bei allen nicht jährlich anfallenden, insbesondere preisintensiven Erhaltungsinvestitionen sollte – vorbehaltlich entgegenstehender Sicherheits- oder Wirtschaftlichkeitsaspekte – in der Praxis geprüft werden, ob deren Durchführung erst nach Ablauf der Dreijahresfrist erfolgen kann.

Weitere Gestaltungspotentiale für die Praxis

Die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gilt nicht für Aufwendungen vor Anschaffung des Gebäudes. Diese sind nach den allgemeinen handelsrechtlichen Abgrenzungskriterien als AHK oder EA steuerlich zu würdigen. Der Gesetzeswortlaut ist hier eindeutig. Unter Umständen kann es sinnvoll sein, etwa nach Abschluss des Notarvertrags zu vereinbaren, bereits vor Übergang von Nutzen und Lasten Renovierungsmaßnahmen durchführen zu lassen. Die weitere Rechtsentwicklung muss hier kritisch beobachtet werden. Die 15 Prozent-Grenze bezieht sich nur auf die AK für das Gebäude, nicht auf die des Grund und Bodens. Daher ist der Gesamtkaufpreis für das bebaute Grundstück aufzuteilen. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat für diesen Zweck eine Arbeitshilfe zur Verfügung gestellt, die von den Finanzbehörden zur Plausibilitätsprüfung verwendet wird, aber nicht zwingend anzuwenden ist. Gegebenenfalls lassen sich auch durch weitere sachgerechte Aufteilungsmethoden höhere Gebäudewertanteile ermitteln. Zur Vermeidung einer Streitanfälligkeit bei der vorzunehmenden Kaufpreisaufteilung sollte schon im Kaufvertrag eine Aufteilung des Gesamtkaufpreises erfolgen, um eine für die Berechnung der 15 Prozent-Grenze gesicherte, günstige Ausgangsbasis zu schaffen. Bei Anschaffung eines Gebäudes, das nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) durch Einzelvertrag in einzelne Wohnungen aufgeteilt ist, hat die Prüfung der Grenze für jede einzelne Wohnung zu erfolgen. Soweit möglich, sollte in der Praxis eine Teilung bei geplanter Instandsetzung und Modernisierung des Gesamtgebäudes erst zu einem späteren Zeitpunkt erklärt werden.

Fazit und Ausblick

Entgegen der gesetzgeberischen Absicht bestehen bei der Fiktion von HK aufgrund der Höhe und zeitlichen Nähe in der Praxis nach wie vor die Abgrenzungsschwierigkeiten. Das machen die voranstehenden Erörterungen der einzelnen Begriffsdeterminanten des anschaffungsnahen Herstellungsaufwands deutlich. Es scheint, dass mit Einführung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG vor allem der steuerliche Sofortabzug von EA erheblich eingeschränkt werden sollte. Die strikte Auslegung der Determinanten des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG kann eine dringend gebotene energetische Sanierung der Gebäudesubstanz behindern. Daher bedarf es mit Blick auf die Nachhaltigkeitsstrategien, die von der Bundesregierung zur dringend gebotenen Erreichung der Klimaziele mit Priorität verfolgt werden, einer kritischen Überprüfung der Vorschrift. Schließlich gilt es, die Immobilienwirtschaft als einer der wesentlichen Player bei dieser Zielerreichung sinnvoll zu unterstützen.

Zu den Autoren

AL
Andreas Lichel

Steuerberater und Partner bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Mazars in Berlin. Einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildet die laufende und gestaltende Steuerberatung von nationalen und internationalen Mandanten in den Bereichen Real Estate, Hotellerie und HealthCare.

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SD
Dr. Sebastian Drescher

Steuerberater und Manager bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Mazars in Berlin. Einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildet u.a. die laufende und gestaltende Steuerberatung von nationalen und internationalen Mandanten im Bereich Real Estate.

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