Eine Vielzahl an Überstunden und Wochenendschichten, genervte Mandanten und Probleme bei der Abwicklung der Hilfen – dies ist eine Bilanz von eineinhalb Jahren Unterstützung während der Corona-Krise. Dem deutlichen Mehr an Arbeit stehen zudem noch Honorardiskussionen mit den Bewilligungsstellen und noch weniger Anerkennung gegenüber. Das sagt Steuerberater Lukas Hendricks aus Bonn.
DATEV magazin: Herr Hendricks, mitunter hört man, die steuerlichen Beraterinnen und Berater seien die Gewinner der Krise. Stimmt das?
LUKAS HENDRICKS: Wenn ich das höre, dann kann ich nur den Kopf schütteln. Gewiss, es geht uns in finanzieller Hinsicht während und nach der Pandemie natürlich bedeutend besser als vielen in der Existenz unmittelbar betroffenen Mandanten. Aber, ob und in welchem Maße sich eine Pleitewelle beziehungsweise ein Unternehmenssterben mit einem zeitlichen Versatz auch auf die Steuerberatung auswirken könnte, wird erst die Zukunft zeigen. Pro-bono-Tätigkeiten für krisengeschüttelte Mandanten und Honorarausfälle sowie Burnouts bei den Berufsträgern und deren Mitarbeitern haben jedoch bereits jetzt schon in der Branche der Steuerberater spürbar zugenommen. Auf jeden Fall waren die Corona-Hilfen und deren Umsetzung kein Konjunkturpaket für uns steuerliche Berater, sondern führten zu deutlich mehr Arbeit für ein nach wie vor zweifelhaftes Honorar und noch weniger Anerkennung. Dies zeigt auch die spontane „Begeisterung“ vieler Kollegen für eine erneute Verlängerung der Überbrückungshilfen im vierten Quartal 2021.
Sie kritisieren nicht nur die vielen Arbeitsstunden, sondern vor allem auch den Ablauf der Corona-Hilfen, speziell die Bewilligungsstellen und die sogenannten prüfenden Vierten. Was meinen Sie damit?
Zunächst einmal nahmen mit jedem neuen Programm – wohl infolge wachsender Routine – die Anzahl und Qualität der Nachfragen von den Bewilligungsstellen weiter zu. Besonders irritierend war dabei aber die Unterstützung der Bewilligungsstellen durch spezielle prüfende Vierte aus unserem benachbarten Berufsfeld, die kontrollieren, ob der prüfende Dritte – also wir Steuerberater – unseren Job richtig machen. Anstatt der Sorgfalt, Qualität und Gewissenhaftigkeit der Arbeit von uns Steuerberaterinnen und Steuerberatern zu vertrauen, haben es einige wenige schwarze Schafe geschafft und wohl auch Defizite im Registrierungsprozess dazu geführt, in den Bewilligungsstellen ein Klima des generellen Misstrauens gegenüber uns prüfenden Dritten zu erzeugen. Seit etwa Mai 2021 verzeichne ich darüber hinaus ein zunehmend penibles und teilweise absurdes Rückfrageverhalten, wie etwa Beleganforderungen für 25 Euro, Wiederholung von bereits erfolgten Bestätigungen sowie ein Abwälzen von Rechtsfragen auf den prüfenden Dritten durch einige Bewilligungsstellen.
Wie man hört, kamen auch noch einige bürokratische Hürden hinzu. Wie haben Sie das erlebt?
Beispielhaft sei hier eine zusätzliche Excel-Tabelle genannt, die bei der Bewilligungsstelle der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern zum Einsatz kommt und zu einer Verzögerung bei der Antragsbearbeitung führt. Diese Tabelle macht es bei größeren Antragsbeträgen erforderlich, für eine Analyse der Werte durch die Bewilligungsstelle nicht nur die bereits im Antragsportal eingetragenen Zahlen, sondern auch noch einmal zusätzlich sämtliche Vergleichszahlen aus dem Jahr 2019 manuell zu erfassen. Kombiniert mit einer zunehmenden Anzahl von betroffenen Unternehmen sowie ständig neuen inhaltlichen Anforderungen sowohl an die prüfenden Dritten als auch die Mitarbeiter der Bewilligungsstellen, führte dies zwangsläufig zu einer verzögerten Bearbeitungsdauer, die von der IHK München im Extremfall mit bis zu drei Monaten angegeben wurde, in der Praxis aber auch noch länger betragen kann. Dazu kamen permanent auch technische Schwierigkeiten. So sind bis heute noch nicht alle Anträge auf die Novemberhilfe bearbeitet und ausbezahlt. Widerspruchsverfahren gegen Ablehnungen werden seit Monaten gar nicht bearbeitet.
Im Frühjahr 2020 hatte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) doch eine Beraterförderung für betriebswirtschaftliche Beratung in der Krise angeboten. War das keine Unterstützung für die Steuerberater?
Zunächst einmal sollte das eine Unterstützung für beratungsbedürftige Mandanten sein. Aufgrund der herausragenden Vertrauensposition des Steuerberaters in vielen Mandatsverhältnissen wäre der Steuerberater eigentlich der prädestinierte Partner in betriebswirtschaftlichen Fragen, gerade auch im ersten Schock des Lockdowns. Letztendlich wurde diese Förderung aber wohl von einigen dubiosen Unternehmensberatern schnell ausgenutzt, weshalb die wohl offensichtlich sehr überschaubar bemessenen Fördertöpfe gleich leer waren. Viele Steuerberater hatten da schon einen umfangreichen Zertifizierungsprozess durchlaufen, Qualitätshandbücher und Musterberichte erstellt und sich akkreditieren lassen, um dann nach Wochen oder Monaten des Wartens zu erfahren, dass nicht nur diese Arbeit umsonst war, sondern auch die Fördertöpfe längst geleert waren. Welche Auswirkungen hatte das auf die Beratungspraxis sowie die Abwicklung der Corona-Hilfen?
Viele Steuerberater mussten ihren Mandanten in der Krise deshalb mit betriebswirtschaftlicher Beratung und Krisenmanagement pro bono beistehen, weil die Mandanten in der Zeit, in der sie die Beratung am dringendsten benötigten, einfach kein Geld hatten, um sich diese Beratung zu leisten. Ich kenne viele Kollegen, die die komplette Mehrarbeit oder die Abrechnung und nachträgliche Korrektur von Kurzarbeitergeld ohne gesonderte Vergütung vorgenommen haben, sich Monate später dann aber mit Haftungsansprüchen wegen einer unterlassenen erneuten Anzeige der Kurzarbeit konfrontiert sahen.
Nicht nur die Unternehmen haben Federn gelassen. Was hat diese Zeit mit den Steuerberatern gemacht?
Der steuerliche Berater wird immer gerne als geduldiges Arbeitstier bemüht, sobald jedoch gute Arbeit und auch bestehende Haftungsrisiken entlohnt werden sollen, findet die wohlwollende Betrachtung, insbesondere auch in der öffentlichen Wahrnehmung, kolportiert durch Honorardiskussionen und angeblich zu hoher Beraterhonorare für Hilfsanträge, ihr rasches Ende. Ich glaube, auch die Hausärzte können ein ähnliches Lied singen, da sie für eine Impfung all-inclusive 20 Euro erhalten, wohingegen in den Impfzentren ein Mehrfaches an Kosten pro Impfung anfällt. Schwer nachzuvollziehen ist es auch, dass es für zahlreiche Tätigkeiten, die weit weniger komplex, arbeitsintensiv und haftungsträchtig sind als das Stellen eines Corona-Hilfsantrags, vollkommen normal und üblich ist, die Vergütung nach dem Gegenstandswert zu bemessen, und wir Steuerberater gleichzeitig trotz zum Teil Millionenvolumen der betreuten Anträge die Höhe des Stundensatzes sowie die Anzahl der benötigten Stunden gegenüber der Bewilligungsstelle rechtfertigen müssen, nur weil die Fördermittelberatung keine Vorbehaltstätigkeit ist.
Was bedeutet das für das Honorar der steuerlichen Berater?
Trotz des herausragenden Engagements zahlreicher Kolleginnen und Kollegen in Kammern und Verbänden, die in endlos langen Sitzungen versucht hatten, Klarstellungen in den Formulierungen zu erreichen und eine Schadensbegrenzung zu betreiben, hat man uns in der Frage des Honorars letztendlich im Regen stehen lassen und durch irreführende Honorarangaben teilweise sogar noch eine falsche Erwartungshaltung geweckt. Damit wurde dem gesamten Berufsstand ein Bärendienst erwiesen. So kann es eigentlich nicht sein, denn die Spielregeln müssen vorher feststehen. Dann kann jeder frei entscheiden, ob er zu diesen Konditionen Anträge überhaupt stellen will oder nicht.
Können Sie das bitte genauer erläutern?
Der zeitliche Aufwand für die Unterstützung der Mandanten während der noch andauernden Corona-Krise war und ist noch immer immens. Daher sollte die Begleitung der Mandanten auch entsprechend vergütet werden. Das steht doch wohl außer Frage. Sofern ein Berater im Rahmen eines Hilfsantrags vor der Aufgabe steht, den kontrollierten Abschluss eines Unternehmensverbunds zu erstellen – inklusive aller damit verbundenen Bereinigungen und Konsolidierungen, die aufgrund eines fehlenden Konzerns in der laufenden Buchhaltung noch nicht angelegt waren und deshalb manuell erfolgen –, darf diese Tätigkeit nicht weniger kosten als ein vergleichbarer Konzernabschluss. Zumal bei den Corona-Hilfsanträgen im Vergleich zu einem normalen Konzernabschluss wesentlich höhere Komplexität der zugrunde liegenden Rechtsmaterie beziehungsweise der Versicherung des Beraters sowie den damit verbundenen straf- und haftungsrechtlichen Risiken vorliegt.
Wie lautet Ihr Fazit nach etwas mehr als eineinhalb Jahren?
Es waren für alle Beteiligten umständliche, harte und in jeder Hinsicht besondere eineinhalb Jahre. Uns Steuerberaterinnen und Steuerberatern ist es während der Pandemie bestimmt nicht langweilig geworden. Zeit für Sport, die Familie oder ein Buch blieb während der vielen Nacht- und Wochenendschichten in Diensten unserer Mandanten eher nicht. Ich bin mir sicher, dass sich viele Mandatsbeziehungen vertieft haben, weil die Mandanten ihren Steuerberater als verlässlichen Partner in allen Lebenslagen erfahren haben. Viele Mandanten sind sehr dankbar und schätzen, dass ihr Steuerberater sie durch diese schwierige Zeit lotst. Aber für eine Volkswirtschaft unserer Größenordnung kann ich dem bisherigen politischen Krisenmanagement kein gutes Zeugnis ausstellen. Sollte die Corona-Pandemie noch weiter andauern, müssen die Prozesse und die Abwicklung deutlich besser, die finanziellen Hilfen schneller ausbezahlt werden, der bürokratische Aufwand muss sich reduzieren und der Ablauf muss noch besser werden. Und das Vertrauen in uns Steuerberater als seriöse Krisenmanager darf nicht infrage gestellt werden. Die Corona-Überbrückungshilfen III bis IV bekommen wir auch noch hin. Die nächste große Herausforderung besteht in den Schlussabrechnungen der gesamten Hilfen im ersten Halbjahr 2022.
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Folgen der Corona-Krise für das Baugewerbe, www.datev.de/shop/35194
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