Zwei Faktoren hatten wesentlichen Einfluss auf die mittelständischen Betriebe während der Corona-Pandemie: die Branche und die Schnelligkeit, sich anzupassen. Digitalisierte Unternehmen waren hier im Vorteil.
Die Krise kam ohne Vorwarnung, der Lockdown dauerte Monate. Die Folgen für Unternehmen des deutschen Mittelstands waren ganz unterschiedlich. In dieser Zeit wurde deutlich, dass zwei Parameter ausschlaggebend sind, wie ein Betrieb aus der Krise hervorgeht: die Branche und die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens. Für Restrukturiererinnen beziehungsweise Restrukturierer bedeutet das, neben der Prüfung der Finanzsituation auch die Digitalisierung des Betriebs zu untersuchen.
Fokus Liquidität
Die Corona-Krise hat in vielen Unternehmen eine Vollbremsung verursacht. Das Geschäftsklima litt unter der Pandemie, Zukunftsperspektiven wurden über Nacht ungewiss, Investitionen mussten zurückgestellt werden. Zu Beginn des ersten Lockdowns bestand die wichtigste Aufgabe darin, die Liquidität der Mandanten sicherzustellen. Sofort- und Überbrückungshilfen, Steuererleichterungen und die Anmeldung der Kurzarbeit konnten in vielen betroffenen Unternehmen kurzfristig für Zahlungsfähigkeit sorgen. Zentrale Fragen waren:
- Wie kann der Betrieb zahlungsfähig bleiben?
- Wie können laufende Verbindlichkeiten bedient werden?
- Welche rechtlichen Werkzeuge kann der Unternehmer zur Sicherung seines Betriebs nutzen?
Die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen zu sichern und eine Perspektive zu erarbeiten, die die Fortführung des Betriebs gewährleistet, war die zweite zentrale Aufgabe. Die Anpassung des Geschäftsmodells von Unternehmen, die sich vor der Krise mit digitalen Lösungen beschäftigt oder diese umgesetzt hatten, funktionierte einfacher und schneller als bei Betrieben, denen digitale Lösungen neu waren.
Branchen am Tropf der Corona-Hilfen
Zwei Wirtschaftszweige hat die Pandemie besonders getroffen. Unternehmen, die stark von funktionierenden Lieferketten abhängig sind, waren nicht von direkten Schließungen tangiert. Rohstoffe und Produkte aus Asien, wie Kunststoffteile, technische Bauteile und Metall, waren nicht lieferbar oder nur gegen horrenden Aufschlag zu bekommen. In der Folge stauten sich Aufträge; Produktionslinien und ganze Standorte wurden heruntergefahren oder mussten zeitweise schließen. Der Handel und Export, eigentlich die Stärke deutscher Unternehmen, wurden durch weltweite Lieferengpässe gestört. Schwer getroffen hat die Pandemie auch Betriebe, die davon leben, dass Menschen an einem Ort zusammenkommen, wie die Gastronomie, der lokale Einzelhandel, die Kulturbranche und der Tourismussektor. Wer keine alternative Einnahmequelle entwickeln und am Markt etablieren konnte, musste monatelang schließen. Zum Teil konnten Corona-Hilfen die finanzielle Situation abfedern. Obwohl Hilfen in Anspruch genommen wurden, zehrte die Krise am Eigenkapital der Betriebe. Investitionen mussten in die Zukunft verschoben werden. Neben dem finanziellen Schaden verschärfte sich die Personalsituation in der Gaststätten- und Hotelbranche. Betriebe berichten davon, dass sie nicht wieder öffnen könnten, da Mitarbeiter während des Lockdowns andere krisensichere Jobs angenommen hatten. Kaum Auswirkungen ergaben sich bis Mitte des Jahres für Handwerksbetriebe. Absatz- und Umsatzzahlen zeigten keine Beeinträchtigung. Aufträge wurden weiterhin abgewickelt. Corona-Hilfen wurden nicht gebraucht. Probleme traten nur auf, wenn infolge von Infektionen oder Quarantänemaßnahmen Personal ausfiel. Abgesichert haben sich Betriebe, indem sie mehrere Einsatztrupps gebildet haben, die sich physisch nicht mehr trafen. Seit den Sommermonaten berichten Handwerksbetriebe von Materialengpässen und deutlichen Preissteigerungen. Aufgrund der hohen Nachfrage wirkt sich das bisher kaum auf die Auftragslage aus. Spitzt sich die Situation zu, könnte es vermehrt zu Arbeitsausfällen wegen fehlenden Materials kommen.
Kaum vorbereitet auf die Krise
Die Corona-Krise zeigt, dass Unternehmen blitzartig und unverschuldet in eine Krisensituation gelangen können. Viele Unternehmen waren auf die wirtschaftlichen Einbußen der Pandemie nicht ausreichend vorbereitet. Einen funktionierenden Krisenplan gab es häufig nicht – unabhängig von der finanziellen Ausgangslage der Unternehmen. Diesen galt es schnellstmöglich nachzuholen, Ideen zu entwickeln und die Kostenseite in den Griff zu bekommen. In stark betroffenen Branchen mussten teils Finanzierungen restrukturiert und Kredite gekündigt werden. Die finanzielle Lage mancher Wirtschaftszweige befeuert auch den Nachfolge- und Übernahmemarkt von Unternehmen. Vor allem im Umsatzbereich zwischen fünf und 15 Millionen Euro Jahresumsatz steigt die Nachfrage nach übernahmefähigen Betrieben.
Krisenfrüherkennung und StaRUG
Seit Beginn des Jahres 2021 stellt der Gesetzgeber höhere Anforderungen an die Krisenfrüherkennung und an das Krisenmanagement von Betrieben. Mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) hat der Gesetzgeber die präventive EU-Restrukturierungsrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Die Geschäftsleitung ist nun verpflichtet, fortlaufend für 24 Monate die Entwicklung des Unternehmens zu überwachen. Das soll gewährleisten, dass die Geschäftsführung frühzeitig auf negative Entwicklungen reagiert und das Unternehmen in seinem Bestand gesichert ist. Solche Frühwarnsysteme sind in mittelständischen Unternehmen derzeit kaum verbreitet. Das erschwert die Überwachung wichtiger Kennzahlen. Hier gilt es, Unternehmer zu informieren und bei der Implementierung zu unterstützen. Das neue Gesetz ermöglicht außerdem eine außerinsolvenzrechtliche Sanierung. Dieses Restrukturierungsverfahren schließt die Lücke zwischen freier Sanierung und gerichtlichem Insolvenzverfahren. Die Restrukturierung lässt sich in stiller Form – also nicht öffentlich – durchführen. Das Verfahren können nur Unternehmen anwenden, die drohend zahlungsunfähig sind und deren Fortbestand gefährdet ist. Ihnen stehen Instrumente zur Verfügung, die das Unternehmen stabilisieren können. Dazu gehören beispielsweise die Aussetzung der Vollstreckungsmöglichkeit der Gläubiger sowie eine Abstimmung des Restrukturierungsplans mit und ohne Gericht. Im Vergleich zu einem Insolvenzplanverfahren sind die Sanierungswerkzeuge eingeschränkt. Das betrifft unter anderem arbeitsrechtliche Schritte. Zudem ist eine hohe Fachkompetenz nötig, um das Restrukturierungsverfahren zu nutzen und den erforderlichen Sanierungsplan zu erstellen. Daher ist in den meisten Fällen professionelle Hilfe notwendig.
Weniger Insolvenzen trotz schwächelnder Wirtschaft
2020 haben rund 15 Prozent weniger Betriebe eine Insolvenz angezeigt als im Jahr zuvor. Dazu beigetragen hat einerseits die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG). Diese wurde schrittweise eingeschränkt und stand bis zu deren Auslaufen Ende April nur noch überschuldeten Betrieben zur Verfügung, die auf die Auszahlung der Corona-Hilfen warteten. Corona-Hilfen und Kurzarbeitergeld sorgten für Liquidität bei allen antragsberechtigten Unternehmen. Auch unrentable Betriebe ohne funktionierendes Geschäftsmodell konnten staatliche Hilfen nutzen und sich so über Wasser halten. Zudem schätzt man, dass viele Unternehmen, vor allem kleine, den Betrieb eingestellt haben, ohne die Insolvenz anzumelden. Bis zum Ende des Jahres wird ein schrittweiser Anstieg von Insolvenzanträgen erwartet.
Was ist entscheidend für Unternehmen?
Die Corona-Pandemie ist ein massiver Einschnitt für die Wirtschaft. Mitarbeiter arbeiteten von zu Hause, das Geschäftsmodell verlagerte sich ins Netz. Der Personalmangel konnte in Teilen von durchdachten Geschäftsprozessen abgefedert werden. Unternehmen, die sich regelmäßig selbst auf den Prüfstand stellen, zeigten sich vergleichsweise robust. Unternehmern ist zu empfehlen, regelmäßig die finanzwirtschaftliche Lage, aber auch Produkte und Dienstleistungen zu prüfen. Verträge mit Lieferanten, Kunden, Partnern müssen analysiert und Strategien gegebenenfalls angepasst werden. Unternehmen, die erheblich von Lieferanten abhängig sind, sollten sich um alternative Zulieferer bemühen, um Lieferengpässe zu vermeiden. Dies kann dazu beitragen, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten behoben werden können, bevor das Unternehmen zahlungsunfähig, drohend zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Die Krise hat gezeigt, dass Unternehmen, die sich vor der Pandemie mit der Digitalisierung beschäftigt hatten, schnell und flexibel auf die neue Situation reagieren konnten. Vor allem der Handel musste umdenken und zügig Strukturen aufbauen, die kontaktloses Einkaufen ermöglichen und gestörte Lieferketten umschiffen. So gesehen hat die Corona-Krise die Digitalisierung auch angeschoben. Digitale Geschäftsprozesse und Markterschließung sind heute ein wichtiger Teil der Restrukturierung. Wird dies mit Maß und Ziel für das Unternehmen genutzt, trägt das zur Zukunftsfähigkeit des Betriebs bei.
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