Mittelstand in der Krise - 23. September 2021

Trotz Schieflage stabil

Zwei Faktoren hatten wesentlichen Einfluss auf die mittelständischen Betriebe während der Corona-Pandemie: die Branche und die Schnelligkeit, sich anzupassen. Digitalisierte Unternehmen waren hier im Vorteil.

Die Krise kam ohne Vorwarnung, der Lockdown dauerte Mo­nate. Die Folgen für Un­ternehmen des deut­schen Mittelstands waren ganz unterschiedlich. In dieser Zeit wurde deutlich, dass zwei Parameter aus­schlaggebend sind, wie ein Betrieb aus der Krise hervor­geht: die Branche und die An­passungsfähigkeit des Unter­nehmens. Für Restrukturiererin­nen beziehungsweise Restruktu­rierer bedeutet das, neben der Prüfung der Finanzsituation auch die Digitalisierung des Betriebs zu untersuchen.

Fokus Liquidität

Die Corona-Krise hat in vielen Unterneh­men eine Vollbremsung verursacht. Das Geschäftsklima litt unter der Pandemie, Zukunftsperspektiven wurden über Nacht ungewiss, Investitionen mussten zurückge­stellt werden. Zu Beginn des ersten Lock­downs bestand die wichtigste Aufgabe darin, die Liquidität der Mandanten sicherzustellen. Sofort- und Überbrückungshilfen, Steuerer­leichterungen und die Anmeldung der Kurzar­beit konnten in vielen betroffenen Unternehmen kurzfristig für Zahlungsfähigkeit sorgen. Zentrale Fragen waren:

  • Wie kann der Betrieb zahlungsfähig bleiben?
  • Wie können laufende Verbindlichkeiten bedient werden?
  • Welche rechtlichen Werkzeuge kann der Unterneh­mer zur Sicherung seines Betriebs nutzen?

Die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen zu sichern und eine Perspektive zu erarbeiten, die die Fortführung des Betriebs gewährleistet, war die zweite zentrale Auf­gabe. Die Anpassung des Geschäftsmodells von Unter­nehmen, die sich vor der Krise mit digitalen Lösungen beschäftigt oder diese umgesetzt hatten, funktionierte ein­facher und schneller als bei Betrieben, denen digitale Lö­sungen neu waren.

Branchen am Tropf der Corona-Hilfen

Zwei Wirtschaftszweige hat die Pandemie besonders getroffen. Unternehmen, die stark von funktionierenden Lieferketten ab­hängig sind, waren nicht von direkten Schließungen tangiert. Rohstoffe und Produkte aus Asien, wie Kunststoffteile, technische Bauteile und Metall, waren nicht lieferbar oder nur gegen horren­den Aufschlag zu bekommen. In der Folge stauten sich Aufträge; Produktionslinien und ganze Standorte wurden heruntergefah­ren oder mussten zeitweise schließen. Der Handel und Export, ei­gentlich die Stärke deutscher Unternehmen, wurden durch welt­weite Lieferengpässe gestört. Schwer getroffen hat die Pandemie auch Betriebe, die davon leben, dass Menschen an einem Ort zu­sammenkommen, wie die Gastronomie, der lokale Einzelhandel, die Kulturbranche und der Tourismussektor. Wer keine alternati­ve Einnahmequelle entwickeln und am Markt etablieren konnte, musste monatelang schließen. Zum Teil konnten Corona-Hilfen die finanzielle Situation abfedern. Obwohl Hilfen in Anspruch ge­nommen wurden, zehrte die Krise am Eigenkapital der Betriebe. Investitionen mussten in die Zukunft verschoben werden. Neben dem finanziellen Schaden verschärfte sich die Personalsituation in der Gaststätten- und Hotelbranche. Betriebe berichten davon, dass sie nicht wieder öffnen könnten, da Mitarbeiter während des Lockdowns andere krisensichere Jobs angenommen hatten. Kaum Auswirkungen ergaben sich bis Mitte des Jahres für Hand­werksbetriebe. Absatz- und Umsatzzahlen zeigten keine Beein­trächtigung. Aufträge wurden weiterhin abgewickelt. Corona-Hil­fen wurden nicht gebraucht. Probleme traten nur auf, wenn infol­ge von Infektionen oder Quarantänemaßnahmen Personal aus­fiel. Abgesichert haben sich Betriebe, indem sie mehrere Einsatztrupps gebildet haben, die sich physisch nicht mehr tra­fen. Seit den Sommermonaten berichten Handwerksbetriebe von Materialengpässen und deutlichen Preissteigerungen. Aufgrund der hohen Nachfrage wirkt sich das bisher kaum auf die Auftrags­lage aus. Spitzt sich die Situation zu, könnte es vermehrt zu Ar­beitsausfällen wegen fehlenden Materials kommen.

Kaum vorbereitet auf die Krise

Die Corona-Krise zeigt, dass Unternehmen blitzartig und unver­schuldet in eine Krisensituation gelangen können. Viele Unter­nehmen waren auf die wirtschaftlichen Einbußen der Pandemie nicht ausreichend vorbereitet. Einen funktionierenden Krisen­plan gab es häufig nicht – unabhängig von der finanziellen Aus­gangslage der Unternehmen. Diesen galt es schnellstmöglich nachzuholen, Ideen zu entwickeln und die Kostenseite in den Griff zu bekommen. In stark betroffenen Branchen mussten teils Finanzierungen restrukturiert und Kredite gekündigt werden. Die finanzielle Lage mancher Wirtschaftszweige befeuert auch den Nachfolge- und Übernahmemarkt von Unternehmen. Vor allem im Umsatzbereich zwischen fünf und 15 Millionen Euro Jahres­umsatz steigt die Nachfrage nach übernahmefähigen Betrieben.

Krisenfrüherkennung und StaRUG

Seit Beginn des Jahres 2021 stellt der Gesetzgeber höhere Anfor­derungen an die Krisenfrüherkennung und an das Krisenmanage­ment von Betrieben. Mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) hat der Gesetzgeber die prä­ventive EU-Restrukturierungsrichtlinie in deutsches Recht umge­setzt. Die Geschäftsleitung ist nun verpflichtet, fortlaufend für 24 Monate die Entwicklung des Unternehmens zu überwachen. Das soll gewährleisten, dass die Geschäftsführung frühzeitig auf nega­tive Entwicklungen reagiert und das Unternehmen in seinem Be­stand gesichert ist. Solche Frühwarnsysteme sind in mittelständi­schen Unternehmen derzeit kaum verbreitet. Das erschwert die Überwachung wichtiger Kennzahlen. Hier gilt es, Unternehmer zu in­formieren und bei der Implementierung zu unterstützen. Das neue Gesetz ermöglicht au­ßerdem eine außerinsolvenzrechtliche Sanie­rung. Dieses Restrukturierungsverfahren schließt die Lücke zwischen freier Sanierung und gerichtlichem Insolvenzverfahren. Die Restrukturierung lässt sich in stiller Form – also nicht öffentlich – durchführen. Das Ver­fahren können nur Unternehmen anwenden, die drohend zahlungsunfähig sind und deren Fortbestand gefähr­det ist. Ihnen stehen Instrumente zur Verfügung, die das Unter­nehmen stabilisieren können. Dazu gehören beispielsweise die Aussetzung der Vollstreckungsmöglichkeit der Gläubiger sowie eine Abstimmung des Restrukturierungsplans mit und ohne Ge­richt. Im Vergleich zu einem Insolvenzplanverfahren sind die Sa­nierungswerkzeuge eingeschränkt. Das betrifft unter anderem ar­beitsrechtliche Schritte. Zudem ist eine hohe Fachkompetenz nö­tig, um das Restrukturierungsverfahren zu nutzen und den erfor­derlichen Sanierungsplan zu erstellen. Daher ist in den meisten Fällen professionelle Hilfe notwendig.

Weniger Insolvenzen trotz schwächelnder Wirtschaft

2020 haben rund 15 Prozent weniger Betriebe eine Insolvenz an­gezeigt als im Jahr zuvor. Dazu beigetragen hat einerseits die Aus­setzung der Insolvenzantragspflicht (COVID-19-Insolvenzausset­zungsgesetz – COVInsAG). Diese wurde schrittweise einge­schränkt und stand bis zu deren Auslaufen Ende April nur noch überschuldeten Betrieben zur Verfügung, die auf die Auszahlung der Corona-Hilfen warteten. Corona-Hilfen und Kurzarbeitergeld sorgten für Liquidität bei allen antragsberechtigten Unternehmen. Auch unrentable Betriebe ohne funktionierendes Geschäftsmodell konnten staatliche Hilfen nutzen und sich so über Wasser halten. Zudem schätzt man, dass viele Unternehmen, vor allem kleine, den Betrieb eingestellt haben, ohne die Insolvenz anzumelden. Bis zum Ende des Jahres wird ein schrittweiser Anstieg von Insol­venzanträgen erwartet.

Was ist entscheidend für Unternehmen?

Die Corona-Pandemie ist ein massiver Einschnitt für die Wirt­schaft. Mitarbeiter arbeiteten von zu Hause, das Geschäftsmodell verlagerte sich ins Netz. Der Personalmangel konnte in Teilen von durchdachten Geschäftsprozessen abgefedert werden. Unterneh­men, die sich regelmäßig selbst auf den Prüfstand stellen, zeigten sich vergleichsweise robust. Unternehmern ist zu empfehlen, re­gelmäßig die finanzwirtschaftliche Lage, aber auch Produkte und Dienstleistungen zu prüfen. Verträge mit Lieferanten, Kunden, Partnern müssen analysiert und Strategien gegebenenfalls ange­passt werden. Unternehmen, die erheblich von Lieferanten ab­hängig sind, sollten sich um alternative Zulie­ferer bemühen, um Lieferengpässe zu vermei­den. Dies kann dazu beitragen, dass wirt­schaftliche Schwierigkeiten behoben werden können, bevor das Unternehmen zahlungsun­fähig, drohend zahlungsunfähig oder über­schuldet ist. Die Krise hat gezeigt, dass Unter­nehmen, die sich vor der Pandemie mit der Digitalisierung beschäftigt hatten, schnell und flexibel auf die neue Situation reagieren konn­ten. Vor allem der Handel musste umdenken und zügig Strukturen aufbauen, die kontaktlo­ses Einkaufen ermöglichen und gestörte Lieferketten umschiffen. So gesehen hat die Corona-Krise die Digitalisierung auch ange­schoben. Digitale Geschäftsprozesse und Markterschließung sind heute ein wichtiger Teil der Restrukturierung. Wird dies mit Maß und Ziel für das Unternehmen genutzt, trägt das zur Zukunftsfä­higkeit des Betriebs bei.

Mehr dazu

Digitalisierung von Geschäftsprozessen im Rechnungswesen, 3. Auflage, http://www.datev.de/shop/35461

So nutzen Sie die Digitalisierung für Ihr Unternehmen, 2. Auflage, http://www.datev.de/shop/35477

Neue Gesetzeslage – Sanierungs-und Restrukturierungs­möglichkeiten ab 2021, Präsenzseminar, www.datev.de/shop/78296 oder Dialogseminar online, www.datev.de/shop/78526


Krisenmandanten frühzeitig erkennen und richtig beraten – auch in Bezug auf StaRUG, Präsenzseminar, www.datev.de/shop/78049

www.datev.de/chance-liquiditaet

Zu den Autoren

AB
Andreas Bachmeier

Unternehmensberater bei Ecovis in Dingolfing

Weitere Artikel des Autors
AW
Alexander Waschinger LL.M.

Unternehmensberater bei Ecovis in Dingolfing

Weitere Artikel des Autors