Der Sanierer - 27. August 2020

Krisen überwinden

Die nachhaltige und langfristige Begleitung eines Unternehmens in Schieflage dient dem Zweck, den Betrieb wieder wettbewerbsfähig zu machen. Gerade auch Steuerberater können durch erhöhte Aufmerksamkeit und dadurch kurze Reaktionszeiten eine erfolgreiche Sanierung einleiten.

Nach vielen Jahren des Aufschwungs zeigten sich schon vor Corona in diversen Branchen konjunkturelle Dellen. Nicht nur Betriebe der Automobilbranche kämpften mit geringeren Auftragseingängen. In vielen Branchen waren Unternehmen unterschiedlichster Größen in der Krise dann gezwungen, Kurzarbeit anzumelden. Die Pandemie offenbarte ein Risiko für Betriebe: unvorhersehbare und im Ausmaß nicht kalkulierbare Krisen. Um nicht nur die aktuelle Phase überstehen, sondern derartige Herausforderungen frühzeitig erkennen und das Unternehmen zukünftig krisenfest aufstellen zu können, sollten jetzt Frühwarnsysteme implementiert und ein nachhaltiger Prozess der leistungswirtschaftlichen Sanierung angestoßen werden.

Die Krise frühzeitig erkennen

Viele Unternehmen im deutschen Mittelstand haben keinerlei Frühwarnsysteme in ihren Strukturen implementiert. Oder die nachhaltige, korrekte Pflege derartiger Systeme wird – teilweise sträflich – vernachlässigt. So kommt es, dass nahende finanzielle Engpässe durch die Unternehmensführung nicht rechtzeitig erkannt werden und eine Liquiditätskrise auslösen. Im besten Fall kann eine solche finanzielle Unterdeckung durch kurzfristige Maßnahmen beseitigt werden. Oft führt das jedoch zu dem Trugschluss, dass dies einer Sanierung des Unternehmens gleichkommt. Jedoch sind diese Maßnahmen, auch wenn beispielsweise Controlling-Prozesse eingeführt wurden, nur als reine Symptombehandlung einer Krise zu verstehen. Mit anderen Worten: Die tatsächliche Ursache der Schieflage kann durch derartige Maßnahmen nicht behoben werden. Die Folge wird in den meisten Fällen ein erneut aufkommender Liquiditätsengpass sein, der je nach Geschäftsverlauf – linear oder saisonal – früher oder später eintreten wird. Damit das betroffene Unternehmen und deren Führungskräfte nicht Opfer eines solchen Trugschlusses werden, gilt es, nach Sicherstellung der Unternehmensfinanzierung durch fundamentale Analysen eine eindeutige Identifikation sämtlicher Krisenursachen durchzuführen. Im zweiten Schritt müssen diese Ursachen durch gezielte Maßnahmen behoben werden. Bei Ausarbeitung der Maßnahmen sollten kurzfristige Effekte, die den Unternehmensfortbestand sichern, im Vordergrund stehen. Anschließend, in einem dritten Schritt, wird die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens durch gezielte Maßnahmen aufgebaut.

Gesamte Wertschöpfungskette durchleuchten

Die fundamentalen Analysen der leistungswirtschaftlichen Sanierung müssen die gesamte Wertschöpfungskette eines Unternehmens durchleuchten. Betroffen ist die gesamte Prozesslandschaft vom Auftragseingang über den Einkauf für die Produktion bis hin zum Versand inklusive sämtlicher unterstützender Bereiche. So können Krisenursachen in allen Bereichen des Unternehmens lauern: Im Rahmen der Auftragsannahme und -ausarbeitung können lange Reaktions- und Durchlaufzeiten oder auch die fehlerhafte Umsetzung von Kundenwünschen die Liefertreue und -qualität maßgeblich belasten. In der Fertigung kann es durch ein suboptimales Shopfloor Management oder Investitionsrückstände beziehungsweise nicht aufeinander abgestimmte technologische Ausgestaltung von Fertigungsschritten zu Ineffizienzen kommen. Im Einkauf können aufgrund fehlender oder nicht umfassend geführter Lieferantenmanagementsysteme erhebliche Preis- und Qualitätsnachteile gegenüber dem Wettbewerb entstehen. Der Vertrieb wird oft durch mangelhafte Preisbildungskompetenz und eine fehlende kundenorientierte Steuerung belastet. Und auch die unterstützenden Bereiche sind von erheblicher Bedeutung: Ineffizienzen und Intransparenzen im Rechnungswesen sowie im Controlling, ein am Markt vorbeigehendes Produktdesign oder mangelhafte oder instabile IT-Systeme mit schlechter Datenverfügbarkeit können Ursachen der Krise sein.

Externe Unterstützung unabdingbar

Die Vielzahl der voranstehend, nur auszugsweise erläuterten, möglichen Krisenursachen bestätigt, dass für eine fundamentale Analyse Unterstützung von extern unumgänglich ist. Denn bei einer rein internen Analyse des Unternehmens besteht die Gefahr, dass einzelne Krisenherde übersehen, als unlösbar eingestuft oder gar nicht erst als mangelhaft erkannt werden, denn es fehlt eine externe Reflexion („Das machen wir schon immer so“). Ein weiteres Risiko ergibt sich aus dem fehlenden Blick für Interdependenzen der einzelnen Unternehmensbereiche und deren Prozesse. Denn die Fülle potenzieller Krisenherde kann dazu führen, dass man Zusammenhänge einfach übersieht. Gleiches gilt für mögliche Faktoren, die dazu führen, dass sich die Schieflage des Betriebs unerwartet schnell realisiert. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass eine nachhaltige Sanierung oft nicht gelingt, weil Ursachen der Krise unentdeckt bleiben oder ungelöst fortbestehen beziehungsweise übersehene Interdependenzen im Unternehmen einer erfolgreichen Umsetzung der ausgearbeiteten Maßnahmenpakete entgegenstehen.

Sanierungsberater hilft Soll-Prozesse zu definieren

Eine erfolgreiche Sanierung wird also häufig nur mit einem externen Sanierungsberater gelingen. Sein Erfahrungsschatz sowie sein Blick auf das Unternehmen und dessen Abläufe, auch unter Gesichtspunkten des Benchmarking, ist unabdingbar, um die voranstehend skizzierten Barrieren abzubauen. Insbesondere auch bei der Prozessoptimierung hilft ein derartiger, unvoreingenommener Blick. Während langjährige Mitarbeiter des Unternehmens in der Krise zumeist versuchen, die Ist-Prozesse auf Fehler zu untersuchen und sie zu beseitigen, muss bei einer Sanierung in Soll-Prozessen gedacht werden. Die Unternehmensprozesse sind an die Anforderungen externer Anspruchsgruppen anzupassen – man muss sie insbesondere aus Sicht der Kunden, aber auch aus Sicht der Lieferanten oder anderer Stakeholder betrachten. Nur so kann es gelingen, Soll-Prozesse zu definieren und die vorhandenen Strukturen entsprechend zu optimieren. Aus Sicht des Unternehmens sind Steuerberater meist die ersten Externen, die kritische Veränderungen erkennen können beziehungsweise je nach Krisenstadium auch erkennen müssen. Aufgrund des Vertrauensverhältnisses zum Mandanten können sie diese Informationen auch offen ansprechen. Durch fundamentales Wissen über die Krisenerkennung sowie ein gutes Netzwerk zu Sanierungsberatern können auch steuerliche Berater somit die Reaktionszeiten verkürzen und frühzeitig Sanierungen einleiten.

Mitarbeiter als Baustein der Sanierung

Eine erfolgreiche Sanierung wird der externe Berater allein jedoch nicht garantieren können. Insbesondere vor dem Ziel einer nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens aus eigener Kraft ist es wichtig, vorhandene Ressourcen des Unternehmens – soweit möglich – zu mobilisieren und für die notwendigen Veränderungen zu begeistern. Zu Beginn einer jeden Sanierung muss der externe Beater zunächst das Organigramm, die jeweilige Besetzung sämtlicher Führungsebenen sowie die Schnittstellen der Hierarchie analysieren. Dabei kommt es ganz besonders auf eine effiziente Kommunikation an. Ineffizienzen sind zu beseitigen und klare Einheiten und Bereiche mit kompetent besetzten Führungspositionen zu schaffen. Diese organisatorische Maßnahme ist aus zwei Gründen von enormer Bedeutung. Zum einen kann der externe Berater die Sanierungsmaßnahmen zwar gemeinsam mit den Mitarbeitern des Unternehmens definieren, eine erfolgreiche Umsetzung im gesamten Betrieb liegt jedoch zum überwiegenden Teil in den Händen der Beschäftigten. Das setzt motivierte und veränderungswillige Führungskräfte voraus – ohne sie wird eine erfolgreiche Umsetzung der Maßnahmen im Bereich der Mitarbeiter nicht gelingen. Zum anderen darf man bei einer Sanierung den langfristigen und nachhaltigen Fokus nicht aus den Augen verlieren. Denn erklärtes Ziel muss sein, dass der Betrieb nach der Phase der Sanierung – den Zeitraum bestimmen die Komplexität und der Härtegrad der Krise – zukünftig aus eigener Kraft potenzielle Ursachen einer Schieflage erkennen und abbauen kann. Das Unternehmen muss nachhaltig wettbewerbs- und renditefähig aufgestellt sein. Gelingen wird das aber nur mit der richtigen Organisationsstruktur.

Die Sanierung als Prozess verstehen

Nachdem die Ursachen der Krise fundiert analysiert, zielgerichtete Maßnahmen definiert und geeignete Organisationsstrukturen aufgesetzt worden sind, muss der externe Berater die Fortschritte und den Stand der Sanierung überwachen und messbar kontrollieren. Zum einen ist dies für das Abarbeiten der Maßnahmenlisten relevant, zum anderen, um die Sanierung als lebendigen, sich ständig weiterentwickelnden Prozess zu verstehen. So werden in der Regel im Laufe einer Sanierung weitere Ineffizienzen oder Optimierungspotenziale aufgedeckt. Zu beachten ist dabei, dass auch Bereiche, die gut funktionieren, durch Optimierungen aktiv zum nachhaltigen Sanierungserfolg beitragen können und müssen.

Nachhaltige Neuausrichtung des Unternehmens

Nach Abschluss oder dem Erreichen wesentlicher Meilensteine des Sanierungsvorhabens muss das Unternehmen in der Lage sein, auch ohne die aktive oder gegebenenfalls reduzierte Unterstützung des externen Beraters einen umfassenden, rollierenden und fortlaufenden Prozess der Optimierung zu leben. Die dafür notwendigen Denkanstöße muss das Unternehmen dann automatisch und laufend aus eigener Kraft generieren können. Sofern dies gelingt, arbeitet das Unternehmen auf einem funktionierenden Fundament und kann wettbewerbsfähig agieren. Eine erfolgreiche, leistungswirtschaftliche Sanierung bringt den ehemals kriselnden Betrieb an diesen Punkt. Sie lässt sich aber nicht pauschal an einer allgemeingültigen Maßnahmenliste abarbeiten, sondern ist als lebendiger, fortlaufender Prozess zu verstehen. Um die hohe Komplexität der zahlreichen Faktoren eines solchen Prozesses greifen zu können, empfiehlt es sich, die Hilfe eines erfahrenen Experten in Anspruch zu nehmen, mit dem Ziel, einen ganzheitlichen Blick von außen zu sichern. Dadurch bereitet sich der gerettete Betrieb zugleich auf kommende wirtschaftliche Herausforderungen vor – dies bereits vor Eintritt einer neuen Krise.

Ausblick

Auf Initiative der Europäischen Kommission ist am 16. Juli 2019 die EU-Restrukturierungs-Richtlinie in Kraft getreten. Diese Richtlinie für ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren ist von den Mitgliedstaaten binnen zwei Jahren weitgehend in nationales Recht umzusetzen. Die neuen Regeln unterstreichen die allgemeine Wahrnehmung der hohen Relevanz von Unternehmenssanierungen. Nicht zuletzt auch der steuerliche Berater kann einen aktiven Beitrag dazu leisten, eine Sanierung früh- und rechtzeitig einzuleiten und deren Erfolgswahrscheinlichkeit dadurch zu erhöhen. Da es sich um ein spezielles Feld der betriebswirtschaftlichen Begleitung und Beratung mit komplexen und verantwortungsvollen Aufgaben handelt, gilt es für ihn, sich ein Netzwerk aus kompetenten Beratern aufzubauen.

Mehr dazu

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Kompaktwissen für Berater „Umgang mit insolvenzgefährdeten Mandanten“ (Art.-Nr. 35737)

Zum Autor

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Simon Eickmann

Berater für Sanierung und Restrukturierung bei der PLUTA Rechtsanwalts GmbH in München. Er ist spezialsiert auf das Erstellen sowie die Prüfung von Sanierungskonzepten bzw. Integrierte Unternehmensplanungen.

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