Handwerksbetriebe - 23. September 2021

Heraus aus dem Tief

Damit die mittelständischen Unternehmen des deutschen Handwerks auch im Normalgeschäft wieder zu alter Stärke zurückkehren können, müssen sie in die Lage versetzt werden, die nächsten Monate zu überstehen. Nur dann können sie wieder einer der Motoren unserer Wirtschaft sein.

Die Corona-Pandemie stell­te für die überwiegend kleinen und mittelständischen Betriebe des Handwerks eine harte Zäsur dar. 2020 war das Handwerk mit einem soliden Umsatzwachstum aus dem Vorjahr, mit vollen Auftragsbüchern und besten Konjunktur­aussichten ins Jahr gestartet. Schon in den Vorjahren konn­ten die rund eine Million Be­triebe mit 5,62 Millionen Be­schäftigten in 130 Berufen und circa 363.000 Auszubildenden mit bester Auslastung ihren unverzichtbaren und stabilisierenden Beitrag für Deutsch­lands Wirtschaftsentwicklung, Beschäftigung und Ausbil­dung leisten.

Am Rande der Existenzfähigkeit

Im Frühjahr 2020 dann plötzlich der herbe Rückschlag: Be­triebsschließungen und Kontakteinschränkungen führten bei vielen Betrieben zu monatelangen Umsatzausfällen. Und selbst nach den Lockerungen blieben wegen einer gestiege­nen Zurückhaltung auf Kundenseite neue Aufträge teils aus. Während des Sommers stabilisierte sich die Geschäftslage für die Betriebe etwas – auch, weil sie zügig und mit Unter­stützung der Handwerkskammern, Berufsfachverbände und Berufsgenossenschaften ausgefeilte Hygienekonzepte erar­beitet hatten, um auch unter den erschwerten Bedingungen weiter für ihre Kunden da sein zu können. Doch mit der zum Jahresende wieder ansteigenden Infektionsdynamik bremste der neuerliche Teil-Lockdown die wirtschaftliche Erholung der Betriebe zum zweiten Mal aus. Dass dieser über den Jah­reswechsel schließlich in einen sich fortsetzenden Dauer-Lockdown im Jahr 2021 mündete, zehrte bei nicht wenigen Handwerksbetrieben schließlich letzte Kraftreserven auf und brachte sie an den Rand ihrer Existenzfähigkeit.

Heterogene Branche

Die Vielfalt des Handwerks trägt zwar dazu bei, dass das Handwerk das letzte Jahr im Vergleich zu anderen Wirt­schaftsbereichen insgesamt gut gemeistert hat – unterm Strich konnten wir 2020 sogar ein kleines Umsatzplus ver­zeichnen. Vor allem die Bau- und Ausbauhandwerke sind gut durch die Krise gekommen. Doch ausgerechnet dort drohen die aktuelle Materialknappheit und die damit verbundenen Preisexplosionen die Konjunkturaussichten auch in diesem Bereich derzeit massiv einzutrüben. In anderen Handwerks­bereichen ließen die Corona-Einschränkungen zum Teil die komplette Geschäftsgrundlage wegbrechen. Das Geschäft der Messebauer etwa lag über Nacht brach. Gebäude- und Textilreinigern fehlen noch immer viele Aufträge aus der Ho­tellerie und Gastronomie, weil diese Branchen über Monate geschlossen waren. In den Lebensmittelgewerken fehlten Bäckern, Fleischern, Konditoren, Brauern und Speiseeisher­stellern wegen geschlossener Café- und Imbissbereiche wichtige Einnahmen, zudem fiel das Veranstaltungs-Cate­ring für Hotels und Gaststätten beinahe vollständig aus. Während der Lockdowns mussten auch viele Verkaufsräume und Ladenlokale geschlossen bleiben – das betraf Autohäu­ser genauso wie Friseursalons oder Schuhmachergeschäfte, um nur einige zu nennen. Vielen Gesundheitshandwerkern blieben die Aufträge aus, weil Arztbesuche zurückgestellt wurden.

Eigene Rücklagen und staatliche Hilfen

All das hat zahlreiche mittelständische Handwerksbetriebe vor massive wirtschaftliche Herausforderungen gestellt. Für fast jeden zweiten Betrieb hat die Pandemie Umsatzverluste gebracht, in einigen Gewerken waren sogar zwei Drittel der Betriebe von Rückgängen und Umsatzausfällen betroffen. Um bei eingeschränkter Geschäftstätigkeit und fehlenden Einnahmen die laufenden Kosten zu bewältigen und die Be­schäftigung abzusichern, wurden vielfach die betrieblichen finanziellen Rücklagen angerührt, im Verlauf der Pandemie auch vollständig aufgebraucht. Nicht wenige Betriebsinha­berinnen und -inhaber griffen sogar auf private Mittel zu­rück, um weitermachen zu können – sogar auf die eigene Al­tersvorsorge. Viele von ihnen konnten sich in den Monaten der Einschränkungen und danach nur mit den umfangrei­chen staatlichen Stützungsmaßnahmen für die Wirtschaft – wie Kurzarbeitergeld, Steuer- und Beitragsstundungen, ver­bürgte Liquiditätshilfen und nicht zurückzahlbare Zuschüs­se – über Wasser halten. Die meisten dieser staatlichen Hil­fen wurden schon zu Beginn der Pandemie zügig auf den Weg gebracht und waren für die Betriebe, die unverschuldet in diese Krise geraten waren, auch dringend notwendig.

Insolvenzwelle dürfte ausbleiben

Ein richtiger Ansatz in dieser Zeit war auch, den Gestaltungs­spielraum des Insolvenzrechts zu nutzen und die Insolvenz­antragspflicht vorübergehend auszusetzen. Dies war aber nur für die im Handwerk kaum vertretenen Kapitalgesell­schaften relevant, da die Insolvenzantragspflicht nicht für Personengesellschaften gilt. Daher dürften aller Voraussicht nach die Auswirkungen bei Rückkehr zum insolvenzrechtli­chen Normalbetrieb überschaubar bleiben: Auch wenn eini­ge Betriebe von der Insolvenz betroffen sein werden, ist eine Insolvenzwelle wohl nicht zu erwarten. Schwer zu prognosti­zieren bleibt allerdings, inwieweit Handwerksbetriebe als Gläubiger und von Folgeinsolvenzen betroffen sein werden.

Defizite bei den Überbrückungshilfen

Was mit Blick auf die Überbrückungshilfen in der Folge des ersten Lockdowns zudem noch gut klappte, wurde zu Ende des Jahres ungleich schwieriger: Die Umsetzung der Novem­ber- und Dezemberhilfe und der Überbrückungshilfe III ver­lief nur äußerst schleppend, selbst bei den dann eingeführ­ten Abschlagszahlungen. Viele Handwerksbetriebe mussten deswegen bis ins Frühjahr hinein auf die dringend benötigte finanzielle Unterstützung warten. Die Antragstellung war äu­ßerst komplex, beratungsintensiv und forderte alle Beteilig­ten – von den Betrieben, die sich neben den Herausforderun­gen im Alltagsbetrieb mit diesen zusätzlichen bürokratischen Hürden auseinandersetzen mussten, über die Kammerbera­ter bis hin zu den Steuerberatern und den Genehmigungs­stellen. Zumindest einige im Prozess aufgetretene Detailpro­bleme konnten mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gemeinsam im Sinne der Betriebe gelöst werden. Politische Äußerungen – wie die Bazooka-An­kündigung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz – schürten bei den Betrieben allerdings Erwartungen, die sich in der Praxis oft nicht erfüllten. Und auch bei den seit dem 1. Juli 2021 erweiterten Corona-Hilfen ist noch Optimierungs- beziehungsweise Anpassungsbedarf. Nachgesteuert werden muss bei der Neustarthilfe, die aus Sicht des Handwerks dringend auf eine monatliche Betrach­tungsweise umzustellen ist. Nicht nach­vollziehbar ist ferner, warum etwa Gesell­schafterdarlehen nicht als Eigenkapital an­erkannt werden, wenn es um die Entschei­dung geht, ob es sich beim Antragsteller um ein Unternehmen in Schwierigkeiten handelt oder nicht. Zudem sollten die ak­tuellen Preis- und Beschaffungsprobleme für betroffene Betriebe bei der Überbrückungshilfe als nach­laufende Corona-Folgen mit berücksichtigt werden.

Verlängerung der Hilfen unverzichtbar

Klar ist, dass die unverschuldet von der Krise stark betroffe­nen Betriebe so lange weiter unterstützt werden müssen, wie die Einschränkungen im Zuge der Pandemie anhalten. Denn in vielen Gewerken bleibt trotz der steigenden Impfquote und der zunehmenden Öffnungsschritte die wirtschaftliche Pers­pektive ungewiss – zumal es absehbar weitere Einschränkun­gen und das Geschäft mindernde Hygiene- und Abstandsvor­gaben geben wird. Die Verlängerung sowohl der Sonderrege­lungen zum Kurzarbeitergeld als auch der Überbrückungs­hilfe III bis zum 30. September waren daher richtig und unverzichtbar. Die zwischenzeitlich angekündigte Verlänge­rung der Corona-Hilfen bis zum Jahresende werden den Be­trieben zudem Planungssicherheit für den Zeitraum der Re­gierungsneubildung geben, falls es dann zu neuerlichen ho­hen Inzidenzzahlen und Schließungsanordnungen kommen sollte. Möglich sind darüber hinaus weitere Hilfen: Unver­ständlich für uns ist etwa, dass sich das Bundesministerium der Finanzen bislang gegenüber dem einfachsten Hilfsinstru­ment sperrt, nämlich einer zeitlich deutlich stärkeren Aus­weitung der Möglichkeit, aktuelle Verluste mit steuerlichen Gewinnen aus den Vorjahren zu verrechnen.

Zuversicht trotz anhaltender Krise

Bei aller Krisenbewältigung wächst im Handwerk mit Blick auf die zweite Jahreshälfte allerdings auch wieder die Zuver­sicht. Die Pandemie hat vielen die Schlüsselrolle des Hand­werks bei der Versorgung und zur Sicherung der Daseinsvor­sorge noch einmal vor Augen geführt: Die meisten Hand­werksbetriebe konnten trotz Lockdown-Vorgaben für viele Wirtschaftsbereiche weiterarbeiten und ihren Beitrag zur Versorgung mit Gesundheitsprodukten, der Reparatur von Fahrzeugen, der Reinigung von Krankenhäusern und Arzt­praxen, der Aufrechterhaltung von Kühlsystemen und Klima­anlagen, Notfalleinsätzen im Sanitärbereich oder beim Wei­terbau von Wohnungen und digitaler Infrastruktur und vielem mehr leisten. Das hat in dieser schwieri­gen Zeit auch viele Handwerker ange­spornt, durchzuhalten, aus dieser Phase gestärkt hervorzugehen und in Zukunft noch besser für ihre Kunden da zu sein. Für viele war die Corona-Pandemie ein wesentlicher Impuls, die betrieblichen Organisations- und Wertschöpfungsprozesse wie auch die Marktkommunikation und da­mit die Kundenkontakte weiter zu digitali­sieren. Das reicht von der deutlich gestie­genen Nutzung digitaler Kommunikations- und Organisationslösungen über Homeoffice im administrati­ven Bereich bis zur verstärkten Nutzung von Online-Shops und -Marktplattformen. Sofern Handwerksbetriebe mit Ladengeschäft gemäß Lockdown-Regelungen ihre Umsätze zumindest teilweise durch Click and Meet oder Click and Collect realisieren durften, haben sie auch das vielfach um­gesetzt.

Fazit und Ausblick

Auch die nächste Bundesregierung muss dafür Sorge tragen, dass Handwerksbetriebe in ihrer Liquidität gestärkt und kri­sensicher und zukunftsfest ausgerichtet werden. Dafür brau­chen unsere Handwerksbetriebe vor allem eine Wirtschafts­politik, die mittelstandsfreundliche Rahmenbedingungen ins Zentrum stellt: Sie brauchen weniger Auflagen und wieder mehr Luft zum Atmen. Nur so bleibt ihnen der Raum für wirt­schaftliche Erholung und Wachstum, Innovation, Flexibilität und unternehmerischen Mut – als Voraussetzungen für wirt­schaftlichen Erfolg und damit Steuereinnahmen. Genau die braucht Deutschland, um die immensen Kosten der Krise ab­zutragen und eine Zukunft zum Wohle aller zu gestalten.

Mehr dazu

Informationen zur Beratung der Branche Bau und Handwerk finden Sie unter www.datev.de/branchenberatung und www.datev.de/chance-liquiditaet

Zum Autor

KS
Karl-Sebastian Schulte

Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Handwerks e. V. in Berlin

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