Damit die mittelständischen Unternehmen des deutschen Handwerks auch im Normalgeschäft wieder zu alter Stärke zurückkehren können, müssen sie in die Lage versetzt werden, die nächsten Monate zu überstehen. Nur dann können sie wieder einer der Motoren unserer Wirtschaft sein.
Die Corona-Pandemie stellte für die überwiegend kleinen und mittelständischen Betriebe des Handwerks eine harte Zäsur dar. 2020 war das Handwerk mit einem soliden Umsatzwachstum aus dem Vorjahr, mit vollen Auftragsbüchern und besten Konjunkturaussichten ins Jahr gestartet. Schon in den Vorjahren konnten die rund eine Million Betriebe mit 5,62 Millionen Beschäftigten in 130 Berufen und circa 363.000 Auszubildenden mit bester Auslastung ihren unverzichtbaren und stabilisierenden Beitrag für Deutschlands Wirtschaftsentwicklung, Beschäftigung und Ausbildung leisten.
Am Rande der Existenzfähigkeit
Im Frühjahr 2020 dann plötzlich der herbe Rückschlag: Betriebsschließungen und Kontakteinschränkungen führten bei vielen Betrieben zu monatelangen Umsatzausfällen. Und selbst nach den Lockerungen blieben wegen einer gestiegenen Zurückhaltung auf Kundenseite neue Aufträge teils aus. Während des Sommers stabilisierte sich die Geschäftslage für die Betriebe etwas – auch, weil sie zügig und mit Unterstützung der Handwerkskammern, Berufsfachverbände und Berufsgenossenschaften ausgefeilte Hygienekonzepte erarbeitet hatten, um auch unter den erschwerten Bedingungen weiter für ihre Kunden da sein zu können. Doch mit der zum Jahresende wieder ansteigenden Infektionsdynamik bremste der neuerliche Teil-Lockdown die wirtschaftliche Erholung der Betriebe zum zweiten Mal aus. Dass dieser über den Jahreswechsel schließlich in einen sich fortsetzenden Dauer-Lockdown im Jahr 2021 mündete, zehrte bei nicht wenigen Handwerksbetrieben schließlich letzte Kraftreserven auf und brachte sie an den Rand ihrer Existenzfähigkeit.
Heterogene Branche
Die Vielfalt des Handwerks trägt zwar dazu bei, dass das Handwerk das letzte Jahr im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen insgesamt gut gemeistert hat – unterm Strich konnten wir 2020 sogar ein kleines Umsatzplus verzeichnen. Vor allem die Bau- und Ausbauhandwerke sind gut durch die Krise gekommen. Doch ausgerechnet dort drohen die aktuelle Materialknappheit und die damit verbundenen Preisexplosionen die Konjunkturaussichten auch in diesem Bereich derzeit massiv einzutrüben. In anderen Handwerksbereichen ließen die Corona-Einschränkungen zum Teil die komplette Geschäftsgrundlage wegbrechen. Das Geschäft der Messebauer etwa lag über Nacht brach. Gebäude- und Textilreinigern fehlen noch immer viele Aufträge aus der Hotellerie und Gastronomie, weil diese Branchen über Monate geschlossen waren. In den Lebensmittelgewerken fehlten Bäckern, Fleischern, Konditoren, Brauern und Speiseeisherstellern wegen geschlossener Café- und Imbissbereiche wichtige Einnahmen, zudem fiel das Veranstaltungs-Catering für Hotels und Gaststätten beinahe vollständig aus. Während der Lockdowns mussten auch viele Verkaufsräume und Ladenlokale geschlossen bleiben – das betraf Autohäuser genauso wie Friseursalons oder Schuhmachergeschäfte, um nur einige zu nennen. Vielen Gesundheitshandwerkern blieben die Aufträge aus, weil Arztbesuche zurückgestellt wurden.
Eigene Rücklagen und staatliche Hilfen
All das hat zahlreiche mittelständische Handwerksbetriebe vor massive wirtschaftliche Herausforderungen gestellt. Für fast jeden zweiten Betrieb hat die Pandemie Umsatzverluste gebracht, in einigen Gewerken waren sogar zwei Drittel der Betriebe von Rückgängen und Umsatzausfällen betroffen. Um bei eingeschränkter Geschäftstätigkeit und fehlenden Einnahmen die laufenden Kosten zu bewältigen und die Beschäftigung abzusichern, wurden vielfach die betrieblichen finanziellen Rücklagen angerührt, im Verlauf der Pandemie auch vollständig aufgebraucht. Nicht wenige Betriebsinhaberinnen und -inhaber griffen sogar auf private Mittel zurück, um weitermachen zu können – sogar auf die eigene Altersvorsorge. Viele von ihnen konnten sich in den Monaten der Einschränkungen und danach nur mit den umfangreichen staatlichen Stützungsmaßnahmen für die Wirtschaft – wie Kurzarbeitergeld, Steuer- und Beitragsstundungen, verbürgte Liquiditätshilfen und nicht zurückzahlbare Zuschüsse – über Wasser halten. Die meisten dieser staatlichen Hilfen wurden schon zu Beginn der Pandemie zügig auf den Weg gebracht und waren für die Betriebe, die unverschuldet in diese Krise geraten waren, auch dringend notwendig.
Insolvenzwelle dürfte ausbleiben
Ein richtiger Ansatz in dieser Zeit war auch, den Gestaltungsspielraum des Insolvenzrechts zu nutzen und die Insolvenzantragspflicht vorübergehend auszusetzen. Dies war aber nur für die im Handwerk kaum vertretenen Kapitalgesellschaften relevant, da die Insolvenzantragspflicht nicht für Personengesellschaften gilt. Daher dürften aller Voraussicht nach die Auswirkungen bei Rückkehr zum insolvenzrechtlichen Normalbetrieb überschaubar bleiben: Auch wenn einige Betriebe von der Insolvenz betroffen sein werden, ist eine Insolvenzwelle wohl nicht zu erwarten. Schwer zu prognostizieren bleibt allerdings, inwieweit Handwerksbetriebe als Gläubiger und von Folgeinsolvenzen betroffen sein werden.
Defizite bei den Überbrückungshilfen
Was mit Blick auf die Überbrückungshilfen in der Folge des ersten Lockdowns zudem noch gut klappte, wurde zu Ende des Jahres ungleich schwieriger: Die Umsetzung der November- und Dezemberhilfe und der Überbrückungshilfe III verlief nur äußerst schleppend, selbst bei den dann eingeführten Abschlagszahlungen. Viele Handwerksbetriebe mussten deswegen bis ins Frühjahr hinein auf die dringend benötigte finanzielle Unterstützung warten. Die Antragstellung war äußerst komplex, beratungsintensiv und forderte alle Beteiligten – von den Betrieben, die sich neben den Herausforderungen im Alltagsbetrieb mit diesen zusätzlichen bürokratischen Hürden auseinandersetzen mussten, über die Kammerberater bis hin zu den Steuerberatern und den Genehmigungsstellen. Zumindest einige im Prozess aufgetretene Detailprobleme konnten mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gemeinsam im Sinne der Betriebe gelöst werden. Politische Äußerungen – wie die Bazooka-Ankündigung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz – schürten bei den Betrieben allerdings Erwartungen, die sich in der Praxis oft nicht erfüllten. Und auch bei den seit dem 1. Juli 2021 erweiterten Corona-Hilfen ist noch Optimierungs- beziehungsweise Anpassungsbedarf. Nachgesteuert werden muss bei der Neustarthilfe, die aus Sicht des Handwerks dringend auf eine monatliche Betrachtungsweise umzustellen ist. Nicht nachvollziehbar ist ferner, warum etwa Gesellschafterdarlehen nicht als Eigenkapital anerkannt werden, wenn es um die Entscheidung geht, ob es sich beim Antragsteller um ein Unternehmen in Schwierigkeiten handelt oder nicht. Zudem sollten die aktuellen Preis- und Beschaffungsprobleme für betroffene Betriebe bei der Überbrückungshilfe als nachlaufende Corona-Folgen mit berücksichtigt werden.
Verlängerung der Hilfen unverzichtbar
Klar ist, dass die unverschuldet von der Krise stark betroffenen Betriebe so lange weiter unterstützt werden müssen, wie die Einschränkungen im Zuge der Pandemie anhalten. Denn in vielen Gewerken bleibt trotz der steigenden Impfquote und der zunehmenden Öffnungsschritte die wirtschaftliche Perspektive ungewiss – zumal es absehbar weitere Einschränkungen und das Geschäft mindernde Hygiene- und Abstandsvorgaben geben wird. Die Verlängerung sowohl der Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld als auch der Überbrückungshilfe III bis zum 30. September waren daher richtig und unverzichtbar. Die zwischenzeitlich angekündigte Verlängerung der Corona-Hilfen bis zum Jahresende werden den Betrieben zudem Planungssicherheit für den Zeitraum der Regierungsneubildung geben, falls es dann zu neuerlichen hohen Inzidenzzahlen und Schließungsanordnungen kommen sollte. Möglich sind darüber hinaus weitere Hilfen: Unverständlich für uns ist etwa, dass sich das Bundesministerium der Finanzen bislang gegenüber dem einfachsten Hilfsinstrument sperrt, nämlich einer zeitlich deutlich stärkeren Ausweitung der Möglichkeit, aktuelle Verluste mit steuerlichen Gewinnen aus den Vorjahren zu verrechnen.
Zuversicht trotz anhaltender Krise
Bei aller Krisenbewältigung wächst im Handwerk mit Blick auf die zweite Jahreshälfte allerdings auch wieder die Zuversicht. Die Pandemie hat vielen die Schlüsselrolle des Handwerks bei der Versorgung und zur Sicherung der Daseinsvorsorge noch einmal vor Augen geführt: Die meisten Handwerksbetriebe konnten trotz Lockdown-Vorgaben für viele Wirtschaftsbereiche weiterarbeiten und ihren Beitrag zur Versorgung mit Gesundheitsprodukten, der Reparatur von Fahrzeugen, der Reinigung von Krankenhäusern und Arztpraxen, der Aufrechterhaltung von Kühlsystemen und Klimaanlagen, Notfalleinsätzen im Sanitärbereich oder beim Weiterbau von Wohnungen und digitaler Infrastruktur und vielem mehr leisten. Das hat in dieser schwierigen Zeit auch viele Handwerker angespornt, durchzuhalten, aus dieser Phase gestärkt hervorzugehen und in Zukunft noch besser für ihre Kunden da zu sein. Für viele war die Corona-Pandemie ein wesentlicher Impuls, die betrieblichen Organisations- und Wertschöpfungsprozesse wie auch die Marktkommunikation und damit die Kundenkontakte weiter zu digitalisieren. Das reicht von der deutlich gestiegenen Nutzung digitaler Kommunikations- und Organisationslösungen über Homeoffice im administrativen Bereich bis zur verstärkten Nutzung von Online-Shops und -Marktplattformen. Sofern Handwerksbetriebe mit Ladengeschäft gemäß Lockdown-Regelungen ihre Umsätze zumindest teilweise durch Click and Meet oder Click and Collect realisieren durften, haben sie auch das vielfach umgesetzt.
Fazit und Ausblick
Auch die nächste Bundesregierung muss dafür Sorge tragen, dass Handwerksbetriebe in ihrer Liquidität gestärkt und krisensicher und zukunftsfest ausgerichtet werden. Dafür brauchen unsere Handwerksbetriebe vor allem eine Wirtschaftspolitik, die mittelstandsfreundliche Rahmenbedingungen ins Zentrum stellt: Sie brauchen weniger Auflagen und wieder mehr Luft zum Atmen. Nur so bleibt ihnen der Raum für wirtschaftliche Erholung und Wachstum, Innovation, Flexibilität und unternehmerischen Mut – als Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg und damit Steuereinnahmen. Genau die braucht Deutschland, um die immensen Kosten der Krise abzutragen und eine Zukunft zum Wohle aller zu gestalten.
Mehr dazu
Informationen zur Beratung der Branche Bau und Handwerk finden Sie unter www.datev.de/branchenberatung und www.datev.de/chance-liquiditaet