Unterstützung des Sanierungsexperten - 26. November 2020

Die richtige Wahl

In der aktuellen wirtschaftlichen Situation befinden sich viele Unternehmen in schwierigem Fahrwasser. Bei der Auswahl der anstehenden Maßnahmen zur Restrukturierung kommt auch dem steuerlichen Berater eine nicht zu unterschätzende Rolle zu.

Der Corona-bedingte Lockdown hat in vielen Branchen Umsätze wegbrechen lassen und Kunden sowie Lieferanten erheblich verunsichert. Kunden werden, selbst wenn ihr Geschäft noch gut läuft, vorsichtiger in Bezug auf Bestellungen. Lieferanten werden vorsichtiger, was die Bonität ihrer Kunden angeht, und verkürzen Zahlungsziele. Das sind die ersten Signale dafür, dass sich etwas zusammenbraut.

Schwarze Wolken am Horizont

In den vergangenen Monaten haben die aufgrund der Viruspandemie staatlich zur Verfügung gestellten Hilfszahlungen und Kredite sicherlich viele Schwierigkeiten zunächst überwinden helfen können. Einige Kreditversicherer haben aber nun Ende August 2020 angekündigt, zum Jahreswechsel vielen Unternehmen mit schwacher Bonität das Limit zu streichen oder erheblich zurückzufahren. Die Situation hat bereits bei vielen Unternehmen zu einer erheblichen Verengung der Liquidität geführt, und dies wird voraussichtlich zum kommenden Jahresanfang nicht besser. Nicht zuletzt darum steht der deutschen Wirtschaft also noch so einiges bevor. Der steuerliche Berater eines Unternehmens ist in aller Regel als langjähriger Begleiter des Betriebs erster Ansprechpartner der Geschäftsführung, wenn es um die wirtschaftliche Situation des Unternehmens geht. Er hat dabei den besten Blick auf die Zahlen, und in aller Regel findet er auch ein offenes Ohr bei der Geschäftsführung, wenn er schwierige Themen anspricht. Insbesondere in diesen Zeiten sollte er sich daher regelmäßig mit seinen Auftraggebern austauschen und mit großem Augenmerk mit ihnen über etwaige Maßnahmen zur Krisenprävention oder gar über eine eventuelle Neuaufstellung des Unternehmens beraten.

Zusammenspiel von Steuerberater und Sanierungsexperte

Da ein Steuerberater in aller Regel nicht täglich mit derartigen Krisensituationen zu tun haben, ist es sinnvoll, weitere Experten hinzuzuziehen. Gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, keine Zeit zu verlieren. Die praktische Erfahrung von Spezialisten ist ein entscheidender Vorteil, wenn es darum geht, die richtigen Entscheidungen in kurzer Zeit zu treffen. In den meisten Fällen arbeiten Steuerberater und Sanierungsexperten daher eng zusammen. Denn der Fachmann für Restrukturierungen und Sanierungen ist auf die Expertise des Steuerberaters angewiesen, weil dieser das zu sanierende Unternehmen in der Regel seit Jahren begleitet und mit seinem Detailwissen zu den betriebswirtschaftlichen Zahlen des jeweiligen Betriebs helfen kann, schnell die erforderliche Datenbasis für die zu treffenden Entscheidungen aufzubauen. Dabei sollten beide im Rahmen eines ersten Quick Checks zunächst herausarbeiten, ob das Unternehmen im Krisenfall überhaupt eine Chance auf Rettung hat und welche wesentlichen Meilensteine hierfür erreicht werden müssen.

Dem Steuerberater kommt dabei gerade bei kleineren mittelständischen Unternehmen eine entscheidende Rolle zu, da er in Betrieben dieser Größenordnung oft einen tieferen Einblick in die Zahlen des Unternehmens hat als der Unternehmer selbst. Bei größeren mittelständischen Unternehmen werden viele Zahlen oft auch vom Unternehmen selbst bereitgestellt. Hier ist aber dennoch die Unterstützung des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers extrem wichtig, um eine objektive Sicht auf das gelieferte Zahlenmaterial zu erhalten, die der Unternehmer dem Sanierungsexperten häufig nicht in der erforderlichen Neutralität vermitteln kann. In vielen Sanierungsfällen sind zudem die verschiedenen Sanierungsschritte auch auf ihre steuerlichen Auswirkungen hin zu beurteilen. Diese Beurteilung kann nur der mit dem Unternehmen vertraute Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer leisten. Sofern es um steuerliche Weichenstellungen für die Zukunft geht, ist dies umso bedeutsamer. Ziel ist es stets, das Unternehmen so aufzustellen, dass es nach der Krise eigenständig und solide finanziert weiter im Markt agieren kann, sodass der Steuerberater es auch mittel- und langfristig weiterbegleiten kann. Der Sanierungsexperte verlässt in aller Regel nach Beendigung der akuten Krise das Unternehmen. Im Anschluss ist aber häufig noch sicherzustellen, dass das Unternehmen nicht in alte Gewohnheiten zurückfällt, sondern weiter auf seinem neuen Kurs bleibt. Das sollte die Aufgabe des Steuerberaters sein.

Umfassender Instrumentenkasten

Ist eine Restrukturierung und Sanierung außergerichtlich nicht (mehr) möglich, stellt sich die Frage, inwieweit eine Sanierung mit den Mitteln der Insolvenzordnung (InsO) gelingen kann. Die InsO bietet Unternehmen hierbei drei Verfahrensarten: das Regelverfahren, die Eigenverwaltung und den Schutzschirm. Das Regelverfahren kann auch zu einer Sanierung genutzt werden, es wird sich aber in aller Regel für den Unternehmer, der die Sanierung eigenverantwortlich durchführen möchte, nicht anbieten, weil dann ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter die Steuerung des Verfahrens übernimmt und für den Unternehmer der Ausgang ungewiss ist. Für den Unternehmer werden daher nur das Eigenverwaltungsverfahren (§ 270a InsO, zukünftig § 270b InsO) sowie das Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO, zukünftig § 270d InsO) in Betracht kommen, da er dort die Handlungs- und Verfügungsbefugnis behält und die Sanierung weitestgehend selbst gestalten kann. Diese wird aber natürlich stark durch die Vorgabe der InsO – der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung (§ 1 InsO) – über- lagert. Beide Verfahren sind davon geprägt, dass man zunächst mit dem Werkzeugkasten der InsO den operativen Sanierungsplan für das Unternehmen umsetzt und dann im Rahmen eines Insolvenzplans auch die quotale Befriedigung der Gläubiger festlegt. Diese kann entweder durch Einmalzahlungen oder durch eine Befriedigung aus zukünftigen Erträgen erfolgen.

Die Eigenverwaltung

Ein Eigenverwaltungsverfahren kann bei drohender oder bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingeleitet werden. Allerdings ist zu beachten, dass die Anordnung eines Eigenverwaltungsverfahrens nicht mehr in Betracht kommt, wenn eine Insolvenzverschleppung vorliegt. Dies ist in aller Regel der Fall, wenn bereits Sozialversicherungsabgaben oder Steuern über einen längeren Zeitraum nicht gezahlt oder auch sonstige Verbindlichkeiten über mehrere Monate nicht beglichen wurden und das Unternehmen sich deswegen seit geraumer Zeit bereits in der Zahlungsunfähigkeit befindet. Einem Geschäftsführer, der dadurch dokumentiert, dass er gegen seine Insolvenzantragspflichten verstößt, will die Insolvenzordnung nicht mehr die Möglichkeit zur Eigensanierung geben. Dies wird ab dem 1. Januar 2021 voraussichtlich sogar auch entsprechend gesetzlich normiert sein.

Der Schutzschirm

Das Schutzschirmverfahren kann nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit eingeleitet werden Es hat vor allem den Vorteil der attraktiveren Bezeichnung (Schutzschirm), die in den vergangenen Jahren auch in der allgemeinen Öffentlichkeit immer stärker mit einer Sanierung des Unternehmens und weniger mit einer Insolvenz in Verbindung gebracht wird. Daneben bietet es den Vorteil, dass man sich seinen Sachwalter aussuchen kann. Der Sachwalter ist die Person, die im Auftrag des Gerichts sicherstellt, dass die Sanierung in dem Verfahren unter Einhaltung aller insolvenzrechtlichen Vorschriften erfolgt.

Weitgehende Möglichkeiten

Sowohl Schutzschirmverfahren als auch Eigenverwaltungsverfahren bieten die Möglichkeit, für drei Monate Insolvenzgeld zu beziehen, sich vereinfacht und kostengünstiger von Mitarbeitern sowie Vertragsverhältnissen zu lösen. Auch eine Befreiung von Pensionslasten ist möglich. Es können also neben der Restrukturierung der Passivseite auch aktiv Restrukturierungsmaßnahmen im operativen, leistungswirtschaftlichen Bereich des Unternehmens bewältigt werden. Das Insolvenzgeld verhilft dem Unternehmen dabei oftmals dazu, dass auch für die Umsetzung weiterer notwendiger Sanierungsschritte, wie beispielsweise Umstellungen in der Produktion oder Investitionen in Produktionsmittel, Liquidität vorhanden ist, die vorher gefehlt hat.

Neuerungen bei der Unternehmenssanierung

Für die Sanierung von Unternehmen wird sich in den kommenden Monaten vieles ändern. Der Gesetzgeber bereitet gerade ein neues Gesetzespaket vor, um die Sanierung von Unternehmen um eine Facette zu erweitern. Sofern noch kein Insolvenzantragsgrund vorlag, hat man bislang in aller Regel versucht, eine Insolvenz zu vermeiden und das Unternehmen durch die Verhandlung von Vergleichen mit den wesentlichen Stakeholdern zu sanieren. Nur, wenn dies nicht möglich war, ging in aller Regel der Blick auf die insolvenzrechtlichen Sanierungsmöglichkeiten des Schutzschirms und der Eigenverwaltung. Dies kann sich jetzt ändern. Der Gesetzgeber hat am 14. Oktober 2020 den Regierungsentwurf für das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanINsFoG) vorgelegt. Dieses Gesetz soll möglichst bis zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Es basiert auf einer EU-Richtlinie, die im vergangenen Jahr in Kraft getreten ist und die Schaffung eines gesetzlichen Restrukturierungsrahmens bis Ende 2021 vorschreibt. Der deutsche Gesetzgeber sieht sich angesichts der Corona-Krise in der Pflicht, diesen Rahmen nun schneller zur Verfügung zu stellen.

Stabilisierung und Restrukturierung

Wesentlicher Teil des SanInsFoG ist da Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG). Dieses besteht im Wesentlichen aus zwei Komponenten. Zum einen kann ein Unternehmen über einen Restrukturierungsplan von seinen Verbindlichkeiten befreit werden. Zum anderen kann es sich durch eine Stabilisierungsanordnung für drei Monate in eine Art Zahlungsmoratorium begeben. Der Restrukturierungsplan soll dabei ohne Eingangsvoraussetzung durchgeführt werden können. Er soll in einem erörternden Teil die Situation des Unternehmens, der Krise und der Maßnahmen zur Beseitigung der Krise beschreiben und in einem gestaltenden Teil dann die Wirkungen (Verzichte) für die beteiligten Gläubiger regeln. Dabei muss nicht zwingend in die Rechte aller Gläubiger eingegriffen werden. Es können auch nur bestimmte Gläubigergruppen einbezogen werden. Nicht betroffene Gläubiger dürfen allerdings über den Plan dann auch nicht abstimmen. Es ist zu erwarten, dass dieses Instrument nur bei Vorliegen einer nachhaltigen Unternehmenskrise genutzt werden kann, weil die Gläubiger ihre Zustimmung in aller Regel nicht geben werden, wenn sie nicht von der Krise des Unternehmens überzeugt sind. Der Restrukturierungsplan erfordert die Mehrheit von 75 Prozent aller abstimmenden Gläubiger.

Die Gläubiger sind nach bestimmten Kriterien in unterschiedliche Gruppen einzuteilen, gegebenenfalls kann auch eine Gruppe überstimmt werden, wenn sie durch den Plan objektiv nicht schlechtergestellt wird. Der Sanierungsplan kann grundsätzlich ohne gerichtliche Beteiligung durchgeführt werden. Sofern das Unternehmen drohend zahlungsunfähig ist, kann es aber auch gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen bei der Durchführung des Planabstimmungsverfahrens. In diesem Fall soll zudem noch die Möglichkeit geschaffen werden, dass durch Entscheidung des Gerichts Dauerschuldverhältnisse, die das Unternehmen belasten, beendet werden. Grundsätzlich kann der Plan auch nicht fällige oder bedingte Forderungen umfassen. Wichtig zu beachten ist aber, dass er Forderungen aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis nicht verändern kann. Dies gilt auch für die betriebliche Altersversorgung. Ist eine Restrukturierungssache beim Gericht anhängig gemacht, ruht die Insolvenzantragspflicht nach § 15a Insolvenzordnung (InsO) und § 42 Abs. 2 BGB. Sie kann aber durch eine Entscheidung des Gerichts wieder aufleben.

Die Stabilisierungsanordnung erfolgt durch das Gericht, wenn sie für das Erreichen des Restrukturierungsziels erforderlich ist. Es werden dann Maßnahmen der Zwangsvollstreckung sowie die Verwertung von Gegenständen, an denen Drittrechte von Gläubigern bestehen, ausgesetzt. Die Anordnung ergeht für bis zu drei Monate und kann um bis zu fünf Monate verlängert werden. Sie setzt allerdings voraus, dass bereits eine Restrukturierungsplanung vorliegt, die den Entwurf eines Restrukturierungsplans und eine Finanzplanung mit Darstellung der Finanzierungsquellen für einen Zeitraum von sechs Monaten umfasst. Zudem sind Lösungsklauseln in Verträgen unwirksam und die Lieferanten sollen verpflichtet werden, das Unternehmen weiter zu den bisherigen Zahlungsbedingungen zu beliefern, ohne auf eine Vorkasse umstellen zu können. Das StaRUG wird damit voraussichtlich ab Anfang nächsten Jahres einen Rahmen für eine außergerichtliche Sanierung bieten, die gegebenenfalls durch eine schwache gerichtliche Beteiligung unterstützt werden kann. Es gibt allerdings nicht die starken Eingriffsmöglichkeiten, die die Insolvenzordnung für eine tiefgreifende und schnelle Sanierung bietet.

Im Zuge der Einführung des StaRUG wird auch die Insolvenzordnung dahingehend geändert, dass für das Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit jetzt im Gesetz ein Prognosezeitraum von 24 Monaten festgeschrieben werden soll. Bisher war dies nicht ganz klar, und man ging in aller Regel von einer Sicht bis zum Ende des kommenden Geschäftsjahrs aus. Bei der Überschuldung wird zudem geändert, dass für die zu prüfende Fortführungsprognose ein Zeitraum von zwölf Monaten gesetzlich normiert wird. Gerade für die Einbeziehung des Gerichts in ein Verfahren zur Umsetzung eines Restrukturierungsplans und gegebenenfalls auch zur Lösung von Dauerschuldverhältnissen wird die Einbindung des Steuerberaters unabdingbar in Zusammenarbeit mit dem Sanierungsberater sein. In diesen Fällen muss dem Gericht zum einen die drohende Zahlungsunfähigkeit nachgewiesen werden und zum anderen im Rahmen einer Finanzplanung auch die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens. Dies erfolgt am besten durch den Steuerberater, der mit dem Unternehmen vertraut ist, aber auch die erforderliche Distanz besitzt.

Resümee

Die Corona-Krise stellt die Unternehmen und damit auch die sie begleitenden Steuerberater und Wirtschaftsprüfer vor große Herausforderungen. Der Staat hat in den vergangenen Monaten durch die verschiedenen Hilfspakete schon in erheblichem Umfang dafür gesorgt, dass Unternehmen fortbestehen können und nicht abgewickelt werden müssen. Die andauernde Krise wird die Unternehmen aber auch im kommenden Jahr vor weitere Herausforderungen stellen. Dem Steuerberater als engsten betriebswirtschaftlichen Berater des Unternehmens kommt damit im Jahr 2021 die vordringliche Aufgabe zu, in engem Kontakt mit seinem Mandanten ständig und immer wieder neu zu überprüfen, ob er noch auf einem gesunden Kurs ist oder gegebenenfalls weitere Instrumente für eine dauerhafte Stabilisierung anwenden muss. Dabei schafft der Gesetzgeber mit dem StaRUG voraussichtlich zum Jahresbeginn 2021 ein neues Werkzeug, das helfen kann, ein Unternehmen neu aufzustellen, wenn es sich im Wesentlichen von Finanzverbindlichkeiten trennen muss. Sollte eine Rettung des Unternehmens nur durch weitergehende Maßnahmen, insbesondere auch eine Personalanpassung möglich sein, ist ein Schutzschirm oder Eigenverwaltungsverfahren die bessere Alternative. Aufgrund der aber auch hier erfolgenden gesetzlichen Nachschärfung wird ein solches Verfahren nur noch beantragt werden können, wenn entsprechende betriebswirtschaftliche Planungen vorliegen. Hier spielt der Steuerberater eine wichtige Rolle, um verlässliche Zahlen zu liefern, die dem Gericht vorgelegt werden können.

Mehr dazu

Dialogseminar online „Jahresabschluss ‚auf dünnem Eis‘ – Besonderheiten bei Mandanten in wirtschaftlich schwieriger Lage“, Art.-Nr. 79510

Zum Autor

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Dr. Dirk Andres

Fachanwalt für Insolvenzrecht und Partner der überregionalen Kanzlei AndresPartner. Er wird von zahlreichen Insolvenzgerichten in Nordrhein-Westfalen zum Insolvenzverwalter bestellt. Darüber hinaus begleitet er Unternehmen, Geschäftsführer, Gesellschafter sowie Gläubiger bei allen Fragen der finanz- und leistungswirtschaftlichen Restrukturierung sowie insbesondere bei Eigenverwaltungsverfahren.

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