HinSchG - 25. Januar 2024

Whistleblowing ist nun legal

Nach zähem Ringen und auf Druck der Europäischen Union ist das Hinweisgeberschutzgesetz Mitte letzten Jahres endlich in Kraft getreten. Es ermöglicht den Mitarbeitern in Unternehmen, Compliance- Verstöße zu melden, ohne eigene Repressalien zu befürchten.

Mit Wirkung zum 2. Juli 2023 trat das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft. Es regelt den Schutz von Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an eine Meldestelle weitergeben. Hinweisgebende Personen, auch Whistleblowerinnen beziehungsweise Whistleblower genannt, sind im Betrieb nicht selten Anfeindungen oder Repressalien ausgesetzt, obwohl sie für die Unternehmen regelmäßig einen wichtigen Beitrag zur Aufdeckung von Fehlverhalten oder gar Gesetzesverstößen leisten. Der Schutz für hinweisgebende Personen sollte daher spürbar verbessert werden.

Anforderungen an Unternehmen

Die Europäische Union (EU) verabschiedete bereits zum 17. Dezember 2019 eine Richtlinie, die den Schutz hinweisgebender Personen EU-weit gewährleisten sollte. Deutschland hat diese Richtlinie letztes Jahr – mit deutlicher Verspätung sowie unter dem Druck des durch die EU eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens – durch das HinSchG umgesetzt. In Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten muss demnach seit dem 2. Juli 2023 grundsätzlich eine interne Meldestelle eingerichtet sein, an die sich die Beschäftigten wenden können. Kleine und mittlere Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten hatten allerdings hierfür noch bis zum 17. Dezember 2023 Zeit. Die Pflicht seit dem 2. Juli 2023 gilt daher genau genommen zunächst nur für Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten. Wer keine interne Meldestelle einrichtet, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Es droht eine Geldbuße. Das Hin-SchG sieht aber vor, dass eine fehlende Meldestelleerst seit dem 1. Dezember 2023 als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden kann. Es ist davon auszugehen, dass gerade wegen des gewährten Aufschubs die Einrichtung der internen Meldestelle künftig nicht ungeprüft bleiben wird. Die Meldestelle hat die Vertraulichkeit der hinweisgebenden Person zu wahren und einen unternehmensinternen Prozess anzustoßen, um gemeldeten Verstößen beziehungsweise Fehlverhalten nachzugehen. Gemeldet werden können aber nur Verstöße, die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der hinweisgebenden Person stehen. Das bedeutet, dass rein private oder bei Gelegenheit erlangte Informationen gegebenenfalls nicht unter den Schutz des HinSchG fallen. Eine Vielzahl von Unternehmen in Deutschland unterhält bereits erfolgreich Whistleblowing-Kanäle – zum Teil mit langjähriger Erfahrung. Hinweise können unter anderem anonym über webbasierte Links, bei Whistleblowing-Hotlines oder bei zentralen Ansprechpartnern abgegeben werden. Sie werden sodann von den für Compliance zuständigen Mitarbeitern bearbeitet. Dabei haben sich gerade anonyme Meldekanäle als zweckmäßig erwiesen, weil sie die Hemmschwelle für potenziell hinweisgebende Personen erheblich absenken. Ganz generell haben interne Meldestellen aus Unternehmenssicht den entscheidenden Vorteil, dass der Hinweis in der eigenen Sphäre sowie der Umgang damit beherrschbar bleibt.

Kritik am Gesetz

Am HinSchG wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens deutliche Kritik laut: zu weit gefasst, zu aufgeblasen, nicht umsetzbar. Auf der Basis des nun geltenden Gesetzestextes ist ein Aspekt exemplarisch herauszugreifen. Es besteht keine Pflicht, den Meldekanal zwingend anonym auszugestalten. Dies hat wohl zum einen den Hintergrund, Unternehmen sowohl finanziell als auch technisch nicht zu überfordern und die missbräuchliche Nutzung – durch Falsch- oder Scherzmeldung – zu verringern; gleichzeitig beseitigt aber nur eine anonyme Meldemöglichkeit weitestgehend die unter Umständen mentalen Hürden auf dem Weg zur Meldung. Natürlich bleibt es den Unternehmen selbst überlassen, ob sie (auch) einen derartigen anonymen Meldekanal vorsehen wollen oder nicht.

Vorteile des Gesetzes

In der Vergangenheit haben hinweisgebende Personen noch mit Kündigungen oder anderen Repressalien nach einer Meldung rechnen müssen. Das HinSchG sieht nun ein klares Verbot von Repressalien gegen die hinweisgebende Person vor. Dieses Verbot richtet sich in erster Linie an den Arbeitgeber, der die hinweisgebende Person nicht abstrafen können soll, obwohl diese zuvor im Interesse des Unternehmens Informationen offengelegt hat. Das Verbot wird ergänzt durch eine sogenannte Beweislastumkehr, gemäß der im Fall der tatsächlichen Benachteiligung der hinweisgebenden Person, beispielsweise durch den Arbeitgeber, vermutet wird, dass die Benachteiligung eine Repressalie für deren Meldung oder Offenlegung ist. Der Arbeitgeber müsste dann beweisen, dass die Benachteiligung hinreichend gerechtfertigt ist oder gerade nicht auf der Meldung beruhte. Im Fall einer Abmahnung oder Kündigung müsste der Arbeitgeber also darlegen können, dass diese auf Umstände gestützt wird, die außerhalb des gemeldeten Sachverhalts liegen. Bei einem Verstoß gegen das Verbot von Repressalien kann sich die benachteiligende Person der hinweisgebenden Person gegenüber sogar schadenersatzpflichtig machen. Zudem brauchen hinweisgebende Personen grundsätzlich nicht zu befürchten, dass sie sich für die Beschaffung der gemeldeten Informationen rechtlich verantworten müssen. Das gilt zumindest, sofern die Beschaffung nicht als solche eine eigenständige Straftat darstellt. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn sich die hinweisgebende Person zur Informationsgewinnung unbefugt Zugang zu Daten verschaffen würde, die nicht für sie bestimmt und gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, wie etwa durch das Ausspähen von Daten gemäß § 202a Strafgesetzbuch (StGB). Dennoch stellt das Gesetz klar, dass bei wissentlich wahrheitswidrig abgegebenen Meldungen der Hinweisgeber nicht dem Schutz des Gesetzes unterfällt und in einem solchen Falle eine Ordnungswidrigkeit begeht, die mit Geldbuße belegt werden kann. Das HinSchG sieht überdies eine externe Meldestelle des Bundes vor. Hinweisgebenden Personen soll es danach freistehen, ob sie die Meldung über den unternehmenseigenen Hinweisgeberkanal oder gegenüber einer dritten, unabhängigen staatlichen Stelle abgeben. Dabei gelten grundsätzlich mit der internen Meldestelle vergleichbare Vertraulichkeitsregelungen. Es steht Hinweisgebern folglich auch ein externer Meldeweg offen, falls Bedenken an der Vertraulichkeit oder Zweckmäßigkeit einer internen Meldung bestehen. Es dürfen ihnen aber auch keine Repressalien drohen, wenn sie die interne Meldestelle bevorzugen. Der Weg zur externen Meldestelle ist auf jeden Fall eröffnet, wenn es an einer internen Meldestelle fehlt oder dort der Eindruck erweckt wird, dass die eingegangene Meldung nicht bearbeitet wird.

Herausforderungen für Unternehmen

Die vordringliche Herausforderung für viele Unternehmen bestand in dem Umsetzungsdruck. Existiert heute noch keine interne Meldestelle, muss sie umgehend eingerichtet und betrieben werden. In dem betreffenden Unternehmen müssen zudem unter anderem Entscheidungen zu folgenden Fragen getroffen werden:

  • Wie soll der Meldekanal ausgestaltet und soll hierfür ein digitales Tool in Anspruch genommen werden?
  • Sollen Meldungen auch anonym gemacht werden können?
  • Sollen eingehende Hinweise durch eine interne Stelle bearbeitet oder ausgelagert werden?
  • Soll in einem größeren Unternehmensgeflecht, zum Beispiel Konzerngesellschaften, eine Meldestelle für die gesamte Gruppe fungieren und bei welcher Gesellschaft ist diese anzusiedeln?
  • Soll die Meldestelle international genutzt werden? In diesem Fall ist zu bedenken, dass außerhalb Deutschlands beziehungsweise der EU immer auch das jeweils nationale Recht des Drittstaats zu berücksichtigen ist.

Darüber hinaus ist – soweit vorhanden – der Betriebsrat einzubeziehen und eine Whistleblowing Policy als interne Richtlinie zu entwerfen. Zudem sind datenschutzrechtliche Aspekte sorgfältig zu berücksichtigen und mit den technischen Gegebenheiten in Einklang zu bringen. So darf die Vertraulichkeit des Meldekanals etwa nicht durch eine technische Rückverfolgbarkeit zu der hinweisgebenden Person konterkariert werden. Auch eine entsprechende Kommunikation an die Belegschaft, welche Verstöße gemeldet werden sollen, ist vorzubereiten. Unternehmen, die bereits über ein Hinweisgebersystem verfügen, sollten es zumindest mit den gesetzlichen Anforderungen abgleichen.

Auswirkungen auf das (Wirtschafts-)Strafrecht

Es ist nicht auszuschließen, dass es aufgrund der Einführung von Meldekanälen zu einem Anstieg von Meldungen kommt. Dies wird sich aber in der Folgezeit wahrscheinlich regulieren. Ob darüber hinaus das HinSchG positive Auswirkungen auf die Aufklärungsraten im (Wirtschafts-)Strafrecht haben wird, bleibt offen; vor allem deshalb, weil dies nicht die grundsätzliche Stoßrichtung des Gesetzes ist. Das Gesetz dient in erster Linie dem Schutz hinweisgebender Personen. Mittelbar trägt es aber auch den Interessen des Unternehmens Rechnung. Ein funktionierendes Hinweisgebersystem ist Bestandteil eines angemessenen Compliance-Management-Systems. Da Compliance nicht nur das Einschreiten bei Gesetzesverstößen ermöglichen, sondern auch deren Begehung verhindern soll, trägt das HinSchG dadurch mittelbar auch zur Kriminalitätsprävention bei.

Fazit und Ausblick

Dennoch sollte man sich nicht blenden lassen: Kriminelle gab es schon immer. Eine entscheidende Rolle wird daher spielen, ob die Existenz eines funktionierenden Hinweisgebersystems und die Anpassung der unternehmensinternen Prozesse potenzielle Täter abschrecken werden. Dies hängt maßgeblich davon ab, welchen Stellenwert das jeweilige Unternehmen seinem Hinweisgebersystem beziehungsweise der Nachverfolgung von und dem Umgang mit Hinweisen zumisst. Mit anderen Worten: Die Einführung der internen Meldestelle sollte nicht lediglich als lästige Pflicht oder Bürokratiemonster empfunden, sondern als Chance genutzt werden, den Umgang mit Verstößen – und damit auch die eigene Unternehmenskultur – nachhaltig zu verbessern, um zukünftig den Unternehmenserfolg zu sichern.

Zu den Autoren

UG
Ulrike Grube

Rechtsanwältin sowie Partnerin bei Rödl & Partner in Nürnberg. Sie leitet dort ein Team von Juristen im ­Bereich Prävention und ­Verteidigung, das mittelständische Unternehmen in allen ­wirtschaftlichen und steuerstrafrechtlichen Fragestellungen berät.

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SL
Dr. Stefan Lehner

Rechtsanwalt und Associate im Team Prävention und Verteidigung bei Rödl & Partner in Nürnberg.

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