Work from anywhere - 25. Januar 2024

Win-win-Modelle für beide Seiten

Die Arbeitswelt befindet sich in einem rasanten Wandel. Mitarbeiter fordern zunehmend Flexibilität und Mobilität im Rahmen ihrer Tätigkeit. Aber auch Arbeitgeber sehen Vorteile, die moderne Arbeitsformen mit sich bringen.

Attraktivität als Arbeitgeber, Incentivierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Kostenersparnis – das sind zunehmend Aspekte, mit denen sich viele Unternehmen beschäftigen. Schließlich möchten sie die besten Talente für ihr Unternehmen gewinnen. Gleichzeitig befürchten sie, Talente an Konkurrenten zu verlieren, die attraktive Work-fromanywhere-Lösungen anbieten. Bereits in Stellenanzeigenwerben nicht wenige Unternehmen inzwischen oft mit mobilem Arbeiten von jedem Ort aus. Aber auch qualifizierte Mitarbeiter im Ausland zu gewinnen und von dort aus zu beschäftigen, ist für international agierende Firmen mittlerweile ein Aspekt ihrer strategischen Überlegungen. Dabei können die tatsächlichen Ausprägungen des Work from anywhere durchaus variieren. Denkbar ist etwa ein vereinzeltes Arbeiten im Ausland, etwa an einem ausländischen Urlaubsort oder im eigenen Ferienhaus (Workation).

Arbeitsmodelle

Bei Workation handelt es sich typischerweise um eine eher kurze Tätigkeit im Ausland. Wohnsitz und Lebensmittelpunkt befinden sich dabei nicht im Ausland. Der Mitarbeiter möchte für eine gewisse Zeit vor oder nach seinem Urlaub Arbeitstage im Urlaubsland anhängen. Andere Beispiele für Workation sind das vorübergehende Arbeiten aus einem Ferienhaus oder sogenannte Überwinterungsfälle. Davon zu unterscheiden ist ein permanentes mobiles Arbeiten im Ausland. Hierbei handelt es sich um ein dauerhaftes Arbeiten aus dem ausländischen Homeoffice, in dem sich der Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt des Mitarbeiters befindet. Der Arbeitgeber hingegen sitzt in einem anderen Staat. Auch eine solche Beschäftigung von Mitarbeitern, die im Ausland leben und dauerhaft von dort für ein Unternehmen arbeiten, etwa im Homeoffice, ist denkbar. Denn nicht selten scheitert der Wechsel zum ausländischen Arbeitgeber an der mangelnden Bereitschaft, mit der ganzen Familie ins Ausland zu ziehen. Ein dadurch bedingter Schulwechsel oder die Aufgabe des Arbeitsplatzes durch den Ehepartner stehen dem entgegen. Bietet ein Unternehmen alternative Lösungen an, vergrößert sich der Talent-Pool enorm. Dadurch öffnen sich viel mehr Türen auf dem internationalen Rekrutierungsmarkt mit flexiblen Arbeitsmodellen wie Homeoffice und Mobile Working, kombiniert mit gelegentlichen Geschäftsreisen. Ein kompletter Familienumzug ist nicht mehr notwendig. Das macht die Beschäftigung für mehr ausländische Spitzentalente attraktiv.

Mehrere Rechtsgebiete tangiert

Technisch und praktisch ist Work from anywhere inzwischen verhältnismäßig leicht umzusetzen. Doch wichtig ist, vorab auch an die steuerrechtlichen Konsequenzen zu denken. Wenn es darum geht, die Herausforderungen eines ortsunabhängigen Arbeitens anzugehen, suchen viele Unternehmen steuerrechtlichen Rat zu der Frage, wie man dem Wunsch der Mitarbeiter, außerhalb der Landesgrenze zu arbeiten, am besten entsprechen kann. Ziel ist grundsätzlich, die Risiken und administrativen Aufwendungen so gering wie möglich zu halten. Die praktische Umsetzung und Ausgestaltung des Work from anywhere hängt im Wesentlichen von der Risikound Investitionsbereitschaft des Unternehmens ab. Grundsätzlich sind die steuer-, sozialversicherungs- und arbeitsrechtlichen Konsequenzen des permanenten mobilen Arbeitens im Ausland umfassender als bei Workation.

Chancen und Risiken abwägen

In die unternehmerische Entscheidung sollten dabei die Bewertung möglicher Chancen und Risiken sowie die damit verbundenen Kosten einfließen. So gehören zu den potenziellen Kosten beispielsweise Analysen, um die (steuer-)rechtlichen Risiken zu bewerten und zu minimieren. Gleiches gilt für die Steuer-, Arbeitsrechtsund sonstige Rechtsberatung in Ländern, in denen die Mitarbeiter arbeiten möchten beziehungsweise rekrutiert werden, das Unternehmen aber nicht vertreten ist. Im Gegenzug kann es zu erheblichen Einsparungspotenzialen bei Büroflächen und damit verbundenen Kosten kommen.

Herausforderungen für Unternehmen

Wichtig ist vor allem, den Blick auf die zwei betroffenen Ebenen zu richten: die Unternehmens- und die Mitarbeiterebene. Was erwarten die Mitarbeiter von ihrem zukünftigen Arbeitgeber? Welche Formen des Arbeitens werden die neue Normalität? Was bedeutet das für die globale Mobilität? Wie weit ist das Unternehmen bereit, sich diesem New Work zu öffnen? Jeder, der sich mit der internationalen Anwerbung von Fachkräften beschäftigt, weiß, dass schnelles Handeln erforderlich ist. Anderenfalls entscheidet sich der Bewerber für einen Konkurrenten. Schnelle Antworten und rasche Lösungen auf die Fragen der Bewerber sind unerlässlich. Bei der Planung sowie Umsetzung von Work from anywhere gibt es verschiedene Themengebiete und Fragestellungen, die berücksichtigt werden müssen. Was ist aus steuer-, sozialversicherungs- und arbeitsrechtlicher Sicht zu beachten? Welches Arbeitsrecht gilt zum Beispiel, wenn ein niederländischer Mitarbeiter für einen deutschen Arbeitgeber hauptsächlich vom niederländischen Homeoffice aus arbeitet?

Arbeits- und Immigrationsrecht

Wenn es um Work from anywhere geht, ist eine gute Vorbereitung speziell aus arbeitsrechtlicher Perspektive das A und O. Es beginnt mit der Notwendigkeit einer Anpassung beziehungsweise Ergänzung des Arbeitsvertrags. Dies kann notwendig sein, um den Sozialversicherungsschutz für den Arbeitnehmer zu sichern. Relevant ist hier auch eine ausreichende Datenschutzvereinbarung für die Arbeit im Homeoffice, da der Arbeitnehmer regelmäßig mit sensiblen Unternehmens- und Kundendaten arbeitet. Von großer Bedeutung kann auch die richtige Rechtswahl sein. Hier bestehen enge Spielräume, die man kennen und nutzen sollte. Zu beachten sind auch die bußgeldbewehrten Anforderungen des Nachweisgesetzes sowie der ausländischen Pendants dazu. Außerdem sind im Ausland immer zwingend einzuhaltende Mindestarbeitsbedingungen zu beachten. Ein klassisches Beispiel ist der gesetzliche oder auch ein tariflicher Mindestlohn. In einigen Fällen kann es auch notwendig werden, die Auslandstätigkeit des Arbeitnehmers den dortigen Behörden zu melden. Bei einem permanenten Homeoffice im Ausland gilt dann im großen Umfang oder gar vollständig das ausländische Arbeitsrecht, das man als deutscher Arbeitgeber im Einzelnen nicht kennt, aber trotzdem beachten muss. Ebenso ist das Immigrationsrecht ein sensibles Thema, das ebenfalls berücksichtigt werden muss. Hierfür bedarf es für Ausländer regelmäßig eines Aufenthaltstitels sowie einer Arbeitserlaubnis. Ein Verstoß dagegen kann je nach Land zu drakonischen Strafen führen.

Standards und Richtlinien

Häufig werden Begrifflichkeiten vermischt. Ein wesentlicher Punkt für die Klärung des Risikopotenzials und die Entscheidungen über die Standards beziehungsweise Spielregeln ist, ob Workation oder permanentes mobiles Arbeiten gewährt werden soll. Denn wie bereits gesagt, die Konsequenzen bei permanentem mobilen Arbeiten sind umfangreicher. Es ist zu empfehlen, interne Richtlinien im Unternehmen für das Arbeiten von Mitarbeitern im Ausland festzulegen. Durch solche Richtlinien wird bei Entscheidungsträgern in der Firma und bei den Mitarbeitern eine Sensibilisierung dahingehend sichergestellt, dass Entscheidungen, die den Arbeitsort über die Grenze betreffen, Folgen für das Unternehmen und die Mitarbeiter haben können. Sie dienen als Regelwerk für das Unternehmen, wie mit Work from anywhere im konkreten Fall umzugehen ist. Auf Basis interner Richtlinien können sich Mitarbeiter einerseits ohne größeren administrativen Aufwand unter Beachtung gewisser Spielregeln frei bewegen, andererseits aber Fälle mit einem gewissen Risikopotenzial eine vorausschauende Prüfung durchlaufen. Diese Richtlinien können für den Bewerbungsprozess herangezogen werden, um Klarheit darüber zu schaffen, was Bewerbern in bestimmten Ländern angeboten werden kann, ohne dass dies ein Risiko für das Unternehmen oder den Mitarbeiter birgt. Werden steuerliche und andere rechtliche Risiken nicht im Voraus bewertet und finden sie keinen Eingang auf die Richtlinie, kann das weitreichende Folgen für das Unternehmen haben. Wird beispielsweise rückwirkend durch die Art der Tätigkeit im Land der mobilen Arbeit eine Betriebsstätte begründet, hat der Arbeitgeber für den Mitarbeiter rückwirkend ab Tag eins im Ausland Lohnsteuern zu ermitteln und auch abzuführen. Gegebenenfalls ist im anderen Land schon die Verjährung eingetreten und das Unternehmen muss doppelt Steuern zahlen. Neben den Reputationsschäden für das Unternehmen können für verspätete Anmeldungen und Zahlungen Strafen und Zinsen entstehen.

Fazit

Einsätze im Ausland sollten sowohl strategisch als auch für den Einzelfall vorausschauend geplant und geprüft werden, um sicherzugehen, dass entstehende Compliance- Anforderungen erfüllt werden. Aber auch das regelmäßige Monitoring der Tätigkeiten und Zeiten ist sehr wichtig, damit nicht aus sich verändernden Umständen neue Risiken entstehen und den Aufwand im Unternehmen erhöhen. Wichtig ist hier eine Gesamtbetrachtung für die voranstehend skizzierten Themen- und Rechtsgebiete, da diese ineinandergreifen und sich teilweise gegenseitig beeinflussen.

Zu den Autoren

OB
Otfrid Böhmer

Rechtsanwalt und Director der Service Line HR Taxes / Social Security & Labour Relations bei der WTS Group in München

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DH
Doris Huber

Steuerberaterin und Director der Service Line HR Taxes bei der WTS Group in München

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