Das Erbrecht ist spannend und anspruchsvoll – und zudem ein sehr „lebendiges“ Rechtsgebiet, nicht zuletzt auch durch regelmäßige, höchstrichterliche Entscheidungen.
Der Erblasser muss mit dem Willen handeln, eine rechtsverbindliche letztwillige Verfügung von Todes wegen zu errichten. Dieser letzte Wille kann sich grundsätzlich aus einem eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Brief des Erblassers ergeben. Hierfür muss sich aber aus der Erklärung ein ernstlicher Testierwille ergeben. Dieser muss im Wege der Auslegung nach § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unter Berücksichtigung aller erheblichen, auch außerhalb der Urkunde liegenden Umstände beurteilt werden. Insbesondere sind bei einem Brieftestament strenge Anforderungen an den Nachweis des Testierwillens zu stellen, wobei § 2084 BGB unberücksichtigt bleibt. Nach Auffassung des OLG Hamm können sich Zweifel an einem endgültigen Testierwillen auch aus ungewöhnlichen Schreibmaterialien, ungewöhnlichen Errichtungsformen, der inhaltlichen Gestaltung oder einem ungewöhnlichen Aufbewahrungsort ergeben. Entsprechend wurde die Wirksamkeit eines Testaments verneint, welches auf einem ausgeschnittenen Stück Papier und einem gefalteten Bogen errichtet wurde, keine vollständigen Sätze enthielt und mit der Überschrift „Tesemt“ versehen wurde.
Testierfähigkeit
Die Fähigkeit zur Errichtung eines Testaments ist entweder gegeben oder fehlt ganz.
Der Erblasser muss bei der Errichtung einer Verfügung von Todes wegen testierfähig sein. Die Testierfähigkeit beginnt mit der Vollendung des 16. Lebensjahrs nach § 2229 Abs. 1 BGB und endet zu dem Zeitpunkt, zu dem der Erblasser testierunfähig wird. Das OLG München hat jüngst die ständige Rechtsprechung zur Testierunfähigkeit bestätigt. Testierunfähig ist derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind, sondern vielmehr von diesen krankhaften Einwirkungen beherrscht werden. Gemäß eines Beschlusses des OLG Frankfurt am Main liegt die Testierunfähigkeit auch dann vor, wenn die Motive für die Errichtung des Testaments auf einer krankheitsbedingten Unfreiheit beruhen. Nach Auffassung des Gerichts existiert keine nach einem Schwierigkeitsgrad des Testaments abgestufte Testierfähigkeit. Die Fähigkeit zur Errichtung eines Testaments ist entweder gegeben oder fehlt ganz. In Abgrenzung zu alterstypischen verbohrten Meinungen können wahnhafte Störungen die freie Willensbildung zur Testamentserrichtung ausschließen, wenn sie krankhaft sind.
Gültigkeit eines Einzeltestaments
Eine letztwillige Verfügung muss bei einem privatschriftlichen Testament nach § 2247 Abs. 1 BGB durch den Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben worden sein. Das OLG Köln hat in einer jüngst veröffentlichten Entscheidung ein Testament für wirksam erklärt, das von einem Rechtshänder mit der linken Hand geschrieben wurde. Die Geschwister des Erblassers zweifelten die Gültigkeit des Testaments an, da das Schriftbild des Testaments durch die schreibungewohnte Hand wesentlich unregelmäßiger aussehen müsste. Die Beschwerde blieb erfolglos, da auch Menschen mit einer schreibungewohnten Hand ein regelmäßiges Schriftbild erzeugen können.
Nottestament
Für den Fall, dass eine letztwillige Verfügung nicht durch einen Notar beurkundet werden kann oder der Erblasser zur eigenhändigen Errichtung nicht mehr in der Lage ist, sieht das Gesetz in den §§ 2249 ff. BGB das Nottestament vor. Das OLG Köln musste in einer Entscheidung über die Wirksamkeit eines Nottestaments vor drei Zeugen entscheiden. Der Erblasser konnte aufgrund einer körperlichen Schwäche kein eigenhändiges Testament mehr errichten, wodurch er das Testament mündlich gegenüber den am Sterbebett befindlichen Personen nach § 2250 Abs. 2 BGB zugunsten seiner Lebensgefährtin errichtete. Einer der Zeugen war der Sohn der Lebensgefährtin. Das OLG Köln sprach dem Testament seine Wirksamkeit ab, da der Sohn der Lebensgefährtin nicht wirksamer Zeuge nach § 2250 Abs. 3 Satz 2 BGB, § 7 Nr. 3 Beurkundungsgesetz (BeurkG) sein konnte.
Annahme der Erbschaft
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einer Entscheidung mit der Anfechtung der Annahme der Erbschaft wegen eines Inhaltsirrtums nach § 2306 Abs. 1 BGB auseinandergesetzt. Danach kann auch nach der Neufassung des § 2306 Abs. 1 BGB – mit Wirkung zum 1. Januar 2010 – ein zur Anfechtung der Annahme einer Erbschaft berechtigender Irrtum vorliegen, wenn der mit Beschwerungen als Erbe eingesetzte Pflichtteilsberechtigte irrig davon ausgeht, er dürfe die Erbschaft nicht ausschlagen, um seinen Anspruch auf den Pflichtteil nicht zu verlieren.
Ausschlagung der Erbschaft
Das OLG Düsseldorf hat jüngst die Anfechtung der Ausschlagung der Erbschaft für den Fall zugelassen, dass sich der Ausschlagende falsche Vorstellungen darüber gemacht hat, wem die Erbschaft als Nächstberufenem infolge der Ausschlagung zugutekommt. Das Gericht bewertet diesen Irrtum als einen zur Anfechtung berechtigenden Rechtsfolgenirrtum. Die bisherige Rechtsprechung bewertete diesen Irrtum hingegen als unbeachtlichen Motivirrtum. Gegenüber dem OLG Düsseldorf lehnte das OLG Frankfurt die Anfechtung eines Irrtums über die Person, der anstelle des die Erbschaft Ausschlagenden dessen Erbteil zufällt, als einen unbeachtlichen Irrtum über mittelbare Rechtsfolgen der Ausschlagung ab. Ein erheblicher Rechtsfolgenirrtum liegt nach Auffassung des OLG Frankfurt aber vor, wenn der Ausschlagende irrig annimmt, dass mit der eigenen Ausschlagung der eigene Erbteil nur dem aufgrund gesetzlicher Erbfolge mitberufenen Miterben anfällt. Der Ausschlagende irrt sich hier unmittelbar über die Rechtsfolgen von § 1953 Abs. 2 BGB. Sofern der Erblasser ein Kind als Erben eingesetzt hat, kann er die Vermögenssorge der Eltern nach § 1638 Abs. 1 BGB ausschließen. Der BGH hat entschieden, dass sich der durch Verfügung von Todes wegen angeordnete Ausschluss der elterlichen Vermögensverwaltung für vom Kind ererbtes Vermögen nach § 1638 Abs. 1 BGB auch auf die Befugnis zur Ausschlagung der Erbschaft bezieht. Daher ist eine von den Eltern erklärte Ausschlagung mangels Vertretungsmacht unwirksam.
Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments
Gemäß § 2267 Satz 1 BGB genügt es zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments, wenn einer der Ehegatten das Testament in der dort vorgeschriebenen Form errichtet und der andere Ehegatte die gemeinschaftliche Erklärung eigenhändig mitunterzeichnet. Das OLG Düsseldorf hat ein gemeinschaftliches Testament für wirksam erklärt, das von der Erblasserin errichtet und vom Erblasser mitunterzeichnet wurde, wobei dieser weder Ort noch Datum angegeben hat. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf genügt die bloße Unterzeichnung, da § 2267 BGB diese Formerleichterung vorsieht. Zudem sind die fehlenden Zeitangaben unschädlich, da § 2267 Satz 2 in Verbindung mit § 2247 Abs. 2 BGB eine bloße Sollvorschrift ist. Daneben kann nach Auffassung des OLG Düsseldorf ein gemeinschaftliches Testament trotz einer Scheidung und späteren Wiederheirat mit demselben Partner wirksam bleiben. Entgegen der Vorschrift von § 2268 BGB kann sich aus den Gesamtumständen ergeben, dass ein innerhalb der ersten Ehezeit errichtetes, zwischenzeitlich nicht widerrufenes gemeinschaftliches Testament auch weiterhin gültig bleibt.
Wechselbezüglichkeit und Bindungswirkung
Die Ehegatten können bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments wechselbezügliche Verfügungen im Hinblick auf die Erbeinsetzung, das Vermächtnis, die Auflage und die Wahl des anzuwendenden Erbrechts nach § 2270 Abs. 3 BGB treffen. Das OLG München hat jüngst entschieden, dass die Anordnungen der Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament, die den Pflichtteils- beziehungsweise Erbteilsverzicht der Kinder betreffen, bis beide Eltern verstorben sind, für die wechselbezügliche Anordnung sprechen können, sie als Schlusserben einzusetzen. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf können auch wechselbezügliche Verfügungen im Falle der Testierunfähigkeit eines Ehegatten bei einem gemeinschaftlich errichteten Testament nach §§ 2265, 2267 Satz 1 BGB in ein Einzeltestament umgedeutet werden. Hierfür muss durch Auslegung ermittelt werden, dass der Erblasser die als wechselbezüglich bezeichnete Verfügung auch dann getroffen hätte, wenn er die Unwirksamkeit der anderen Verfügung gekannt hätte. Mit dem Tod eines Ehegatten ist der überlebende Ehegatte an die wechselbezüglichen Verfügungen gebunden. Ein Widerruf kann über § 2271 BGB nur zu Lebzeiten beider Ehegatten erfolgen. Nach Auffassung des OLG München – in Übereinstimmung mit dem BGH – kann der überlebende Ehegatte aber die wechselbezüglichen Verfügungen wegen Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten (§ 2079 BGB) oder wegen eines Motivirrtums (§ 2078 BGB) entsprechend §§ 2281ff. BGB nach dem Tod des Erstversterbenden anfechten. Die Anfechtung zieht die Nichtigkeit derjenigen Verfügungen des vorverstorbenen Ehegatten nach sich, die im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zueinander stehen.
Erbvertrag und Anstandsschenkungen
Einem erbvertraglich gebundenen Erblasser ist es gemäß § 2287 Abs. 1 BGB verboten, Schenkungen in der Absicht vorzunehmen, den Vertragserben zu beeinträchtigen, es sei denn, die Schenkung stellt eine Anstandsschenkung dar. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf ist eine Motorjacht, die der Ehefrau zur Hochzeit vom Ehemann geschenkt wurde, eine nicht ausgleichspflichtige Anstandsschenkung. Ein lebzeitiges Eigeninteresse wird vom OLG Düsseldorf unter anderem damit gerechtfertigt, dass die Motorjacht weniger als fünf Prozent des Erblasservermögens ausgemacht hat. Der BGH hat in einer jüngeren Entscheidung die Prüfungsreihenfolge von § 2287 BGB konkretisiert. Entsprechend muss bei der Prüfung von § 2287 BGB zunächst das Vorliegen einer Schenkung gemäß § 516 BGB geprüft werden, bevor die Beeinträchtigungsabsicht als selbstständiges Merkmal betrachtet wird. Liegt bereits Ersteres nicht vor, so wird eine Zuwendung trotz Beeinträchtigungsabsicht nicht von § 2287 BGB erfasst. Eine Beeinträchtigungsabsicht liegt vor, wenn der Erblasser das ihm verbliebene Recht zur lebzeitigen Verfügung über sein Vermögen missbraucht hat. Ein Mißbrauch liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte. Dem lebzeitigen Eigeninteresse steht es nach Ansicht des BGH nicht entgegen, wenn ein Pflege des Erblassers durch den Beschenkten nur bei Bedarf erfolgen soll. Zugleich wurde festgestellt, dass bei der Prüfung, ob eine (gemischte) Schenkung vorliegt, der in einem Grundstücksübertragungsvertrag vorbehaltene Nießbrauch sowie eine übernommene Pflegeverpflichtung mitberücksichtigt werden müssen.
Rücktritt vom Erbvertrag
Dem Erblasser stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, sich von einem Erbvertrag zu lösen. Neben der Aufhebung durch Vertrag nach § 2290 BGB oder einer Anfechtung nach §§ 2281ff. BGB kann der Erblasser auch vom Erbvertrag nach §§ 2293ff. BGB zurücktreten, sofern er sich den Rücktritt vorbehalten hat. Das OLG Köln hat entschieden, dass ein Rücktritt von einem Erbvertrag wegen Verfehlungen des Vertragspartners nur wirksam ist, wenn Verfehlungen nachgewiesen werden, die auch die Entziehung des Pflichtteils nach § 2333 BGB rechtfertigen würden. Eine Straftat gegen den Ehegatten kann eine solche Verfehlung darstellen. Nach Ansicht des OLG Köln war im zugrunde liegenden Fall kein Vermögensdelikt (Untreue) zulasten des Ehemanns gegeben, da die Ehefrau im Rahmen der ihr eingeräumten Geschäftsführungsbefugnisse und Vollmachten gehandelt hat.
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