Lebensversicherungen - 29. Februar 2024

Wettlauf mit den Bezugsberechtigten

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, sagt man. Dieser Spruch gilt vor allem auch dann, wenn im Rahmen einer Erbschaft Versicherungen eine Rolle spielen. Häufig ist dann entscheidend, wer schneller ist, der Erbe oder die Person, die laut Versicherungsvertrag bezugsberechtigt ist.

In vielen Nachlässen finden die engsten Verwandten bislang unbekannte Lebensversicherungen der oder des Verstorbenen. Eigentlich gehört auch die mit dem Tod fällig werdende Versicherungssumme zum Erbe dazu. Doch die Betonung liegt auf eigentlich. Denn oft haben die Vererbenden in die Policen unter der Rubrik Bezugsberechtigter einen Namen eingesetzt – das reicht von der früheren Ehefrau über die Geliebte bis hin zu völlig fremden Personen. Wenn die Erben jetzt noch an die Versicherungssumme gelangen wollen, müssen sie sich beeilen. Und auch dann kann es bereits zu spät sein.

Bezugsberechtigter nicht gleich Bezugsberechtigter

Setzt der Versicherungsnehmer in dem Vertrag mit einem Versicherer eine dritte Person als Bezugsberechtigten ein, liegt darin ein Schenkungsversprechen. Damit dieses wirksam wird, muss die Schenkung entweder notariell beurkundet oder vollzogen werden. Wenn der Bezugsberechtigte über seine Einsetzung im Versicherungsvertrag – wie meistens – erst nach dem Tod des Versicherungsnehmers durch Mitteilung der Versicherung erfährt, wird die Schenkung erst dadurch vollzogen, dass der Bezugsberechtigte die Schenkung annimmt. Damit erlangt dieser dann einen Auszahlungsanspruch gegenüber der Versicherung. Aber nur, wenn die Einsetzung eines Bezugsberechtigten mit Abschluss des Lebensversicherungsvertrags nach den Versicherungsbedingungen ausdrücklich als unwiderruflich erfolgte, ist die Schenkung vollzogen und die Erben haben dann keinen Zugriff mehr auf das Geld.

Oft entscheidet der Zufall

Die Erben wiederum treten in alle Rechte und Pflichten des Verstorbenen ein. Das heißt, sie werden auch Versicherungsnehmer des Lebensversicherungsvertrags. Als solcher können sie dann auch das Schenkungsangebot des Verstorbenen gegenüber dem Bezugsberechtigten widerrufen. Das ist aber nur so lange möglich, wie das Versicherungsunternehmen das Schenkungsversprechen noch nicht an den Bezugsberechtigten übermittelt hat. Das Ergebnis ist mitunter nicht überzeugend, weil es mehr oder weniger vom Zufall abhängt, ob die Erben den Widerruf schneller erklären, als die Versicherung den Bezugsberechtigten über die Schenkung informiert.

Ex-Ehegatten besser streichen

Ärger mit der Auszahlung von Lebensversicherungen droht auch zwischen altem und neuem Ehegatten, wenn es der Verstorbene nach der Scheidung versäumt, den Namen des Bezugsberechtigten zu aktualisieren, oder als Bezugsberechtigten nur abstrakt Ehegatte eingesetzt hatte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu entschieden, dass der frühere Ehegatte bezugsberechtigt aus der Lebensversicherung bleibt – und zwar selbst dann, wenn er namentlich nicht benannt wurde. Der Grund: Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses werde der durchschnittliche Versicherungsnehmer den individualisierten aktuellen Ehegatten vor Augen haben und keinen abstrakt künftigen Partner.

Jahrelange Rechtsstreitigkeiten drohen

Grundsätzlich muss also der neue Ehegatte, wenn er vom Lebensversicherungsvertrag erfährt, das Schenkungsversprechen gegenüber dem früheren Ehegatten des Verstorbenen widerrufen. Es gibt aber eine Ausnahme von dieser Regel: Auch ohne rechtzeitigen Widerruf kann es an der Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen der Versicherungssumme fehlen, wenn der Verstorbene dem früheren Partner das Geld nicht vorbehaltlos schenken wollte. Man spricht dann von einer ehebedingten Zuwendung. Hiermit ist ein Beitrag für die Ausgestaltung und Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft gemeint. Der Haken dabei: Die Lebensversicherungssumme wird erst nach Ende der Ehe ausgezahlt. Der frühere Partner muss deshalb beweisen, dass er während der Ehe im Wissen um die Bezugsberechtigung aus der Lebensversicherung selbst besondere Anstrengungen und Investitionen für die Sicherung der Ehe getätigt hat, die eine Schenkung nach wie vor rechtfertigen. Kommt es deswegen zu einem Streit, drohen jahrelange Gerichtsverfahren.

Auf Nummer sicher gehen

Der Versicherungsnehmer, der sichergehen will, dass der Bezugsberechtigte nach seinem Tod auch tatsächlich in den Besitz der Geldleistung kommt, hat vier Möglichkeiten, das selbst zu Lebzeiten abzusichern und damit zu verhindern, dass seine Erben das Schenkungsversprechen doch noch widerrufen. Er kann erstens mit dem Bezugsberechtigten einen Schenkungsvertrag abschließen. Zweitens kann er den notariellen Schenkungsvertrag auch allein mit sich abschließen und dabei gleichzeitig als vollmachtloser Vertreter des Bezugsberechtigten agieren. Drittens kann er in seinem Testament ein bedingtes Vermächtnis einbauen. Dann müssen die Erben dem Bezugsberechtigten das Geld aus der Erbschaft auszahlen, wenn die Bezugsberechtigung aus dem Lebensversicherungsvertrag widerrufen wird. Und viertens kann der Versicherungsnehmer gleich zu Beginn des Versicherungsvertrags vereinbaren, dass das Bezugsrecht zugunsten einer bestimmten Person unwiderruflich sei.

Auch die Versicherung lebt gefährlich

Und schließlich kann auch der Bezugsberechtigte selbst etwas tun, indem er mit Kenntniserlangung von der Lebensversicherung unmittelbar proaktiv auf die Lebensversicherung zugeht und von dieser eine offizielle Benachrichtigung über die Bezugsberechtigung verlangt. Reagiert die Assekuranz darauf gar nicht oder zu spät, kann er die Versicherung gegebenenfalls auf Schadenersatz verklagen, wenn er dadurch den Wettlauf mit den Erben verloren hat.

Zum Autor

Dr. Sven Gelbke

Rechtsanwalt in Köln und Geschäftsführer der JustSolutions GmbH

Weitere Artikel des Autors