Bei der Schlussabrechnung zu den sogenannten Corona-Maßnahmen hört man vermehrt den Einwand, dass ein verbundenes Unternehmen vorläge. Grund genug, sich damit, aber auch mit anderen Risiken auseinanderzusetzen, um bei der juristischen Stellungnahme entsprechende Gegenargumente vorzutragen.
Prüfende Dritte sollten bei Schlussabrechnungen zu gewährten Überbrückungshilfen beziehungsweise November- und Dezemberhilfen rechtliche Risiken, insbesondere die Gefahr eines Unternehmensverbunds, berücksichtigen. Es drohen detaillierte juristische Prüfungen und damit Rückzahlungen gewährter Leistungen. Daher lautet meine Handlungsempfehlung, bei Einreichung der Schlussabrechnung eine juristische Stellungnahme mit abzugeben, die sich vor allem detailliert mit der Frage befasst, ob ein Unternehmensverbund vorliegt oder nicht.
Schlussabrechnung – worum geht es?
Die Frist zur Einreichung der Schlussabrechnung wurde verlängert. Leistungsempfängerinnen und -empfänger müssen bis zum 30. Juni 2023 detaillierte Schlussabrechnungen vorlegen. Neben realisierten Umsatzzahlen und Fixkostenabrechnungen können hier juristische Stellungnahmen mit erforderlich sein. Aktuell ist jedenfalls zu beobachten, dass die Bewilligungsstellen Sachverhalte detaillierter prüfen, als dies bei den Antragstellungen in den Jahren 2020 und 2021 der Fall war. Die Bewilligungsstellen versuchen, unberechtigte Auszahlungen zu korrigieren. Daher bietet sich den Leistungsempfängern bei der Schlussabrechnung auch eine Chance, mithilfe neuer Anlagen sowie juristischer Stellungnahmen zu potenziellen Angriffsflächen fehlerhafte Angaben bei der ursprünglichen Antragstellung nachträglich zu korrigieren. Von dieser Möglichkeit sollten die Leistungsempfänger und deren Steuerberater Gebrauch machen.
Grundlagen eines Unternehmensverbunds
Nach der zugrunde liegenden EU-Verordnung sind solche Unternehmen als verbunden anzusehen, die zueinander in einer der nachfolgenden Beziehungen stehen. Ein Unternehmen hält die Mehrheit der Stimmrechte (mehr als 50 Prozent) eines anderen Unternehmens oder ist berechtigt, die Mehrheit der Mitglieder des Leitungs-, Verwaltungs- oder Aufsichtsgremiums eines anderen Unternehmens zu bestellen oder abzuberufen. Gleiches gilt für ein Unternehmen, das gemäß einem mit einem anderen Unternehmen abgeschlossem Vertrag (unternehmensrechtlichen Vertrag, wie etwa einem Beherrschungsvertrag) oder aufgrund einer Klausel in der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag berechtigt ist, einen beherrschenden Einfluss auf das andere Unternehmen auszuüben. Schließlich ist von einem Verbund auszugehen, wenn ein Unternehmen, das Aktionär oder Gesellschafter eines anderen Unternehmens ist, gemäß einer mit anderen Aktionären oder Gesellschaftern des anderen Unternehmens getroffenen Vereinbarung die alleinige Kontrolle über die Mehrheit der Stimmrechte von dessen Aktionären oder Gesellschaftern ausübt. Unternehmen, die durch ein oder mehrere andere Unternehmen untereinander in einer der zuvor genannten Beziehungen stehen, gelten ebenfalls als verbunden. Unternehmen, die durch eine natürliche Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen miteinander in einer dieser Beziehungen stehen, gelten gleichermaßen als verbundene Unternehmen, sofern diese Betriebe ganz oder teilweise auf demselben Markt oder auf benachbarten Märkten tätig sind.
Entscheidungsgrundlagen der Verwaltung
Welche Normen und Leitlinien verwendet die Verwaltung für die Einordnung der Unternehmen als verbundene Unternehmen? Ausgangspunkt ist hier die Definition des EU-Beihilfenrechts in Anhang I Art. 3 Abs. 3 Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014. Die Definitionen der EU-Verordnung werden durch diverse Auslegungshilfen der Europäischen Kommission konkretisiert. Zu nennen ist hier insbesondere der Benutzerleitfaden zur Definition von KMU der Europäischen Kommission vom 16. Februar 2017. Der KMU-Leitfaden richtet sich insbesondere an Mitarbeiter europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Stellen, die die verschiedenen Programme ausarbeiten und verwalten und die Antragsbearbeitung vornehmen. Der Leitfaden selbst hat keinerlei rechtliche Wirkung und ist für die Kommission in keiner Hinsicht bindend. Die Empfehlung 2003/361/EG der Kommission (veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union L 124 vom 20.05. 2003, S. 36) ist die einzig verbindliche Grundlage bei der Bestimmung der Voraussetzungen für die Erfüllung der KMU-Kriterien. Auf nationaler Ebene wurden durch die Bundesländer Vollzugshinweise beziehungsweise Förderrichtlinien erlassen. Die nationalen Richtlinien spiegeln dabei die Vorgaben und Bestimmungen aus der EU-Verordnung und des KMU-Leitfadens inhaltsgleich wider. Außerdem hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) eine Reihe von FAQ-Erläuterungen zu den wesentlichen Fragen und zur Handhabung des Bundesprogramms für Überbrückungshilfen bereitgestellt.
Wann liegt kein Unternehmensverbund vor?
Jede Situation ist individuell. Die Bewilligungsstellen argumentieren meiner Erfahrung nach undifferenziert. Gegen grobe Verallgemeinerungen bei der Frage des Unternehmensverbunds sollten Leistungsempfänger den Ist-Zustand detailliert darlegen und eine juristische Einordnung vornehmen. Ich prüfe bei Fragestellungen dieser Art nach den Beteiligungsverhältnissen und etwaigen Vereinbarungen der Gesellschafter stets, ob eine sogenannte organisatorische Leitungsmacht bei einem der Unternehmen vorliegt. Auch anderen, in der Regel standardisiert vorgetragenen Argumenten für die Annahme eines Unternehmensverbunds können Leistungsempfänger begegnen. Soweit Bewilligungsstellen etwa pauschal „familiäre Verbindungen“ aufführen, um den Unternehmensverbund zu fingieren, ist zwischen Kernfamilie und beispielsweise angeheirateten Verwandten zu differenzieren. Zudem muss berücksichtigt werden, ob die Anteilseigner des Leistungsempfängers etwa in einer Lebens- oder Erziehungsgemeinschaft leben und welche sonstigen wirtschaftlichen Verflechtungen bestehen oder gerade nicht bestehen.
Benachbarter Markt
Oft ist die entscheidende Frage, ob die vermeintlich verbundenen Unternehmen in einem benachbarten Markt tätig sind. Gerade in diesem Punkt kann eine juristische Stellungnahme wichtig werden. Hintergrund: Wird auf das gemeinsame Handeln natürlicher Personen beziehungsweise einer Gruppe von Personen abgestellt, ist zusätzliche Voraussetzung für das Vorliegen eines Verbunds, dass die jeweiligen Unternehmen auf demselben oder benachbarten Märkten tätig sind. Der Begriff desselben oder benachbarten Markts ist besonders problematisch, da die EU-Verordnung ihn nur an einer einzigen Stelle und ohne tiefergehende Erläuterung erwähnt: „Als ‚benachbarter Markt‘ gilt der Markt für eine Ware oder eine Dienstleistung, der dem betreffenden Markt unmittelbar vor- oder nachgeschaltet ist.“ Der KMU-Leitfaden geht zum Begriff des benachbarten/relevanten Markts wiederum deutlicher weiter. Die Erläuterung im KMU-Leitfaden differenziert einleitend zwischen „benachbarten Märkten“ einerseits und „eng miteinander verbundenen benachbarten Märkten“ andererseits, ohne jedoch diese Unterscheidung aufzulösen und klarzustellen, welche Unterscheidung damit einhergeht. Seit der Überbrückungshilfe II beinhalten auch die FAQ des Bundes für die Bestimmung des benachbarten beziehungsweise desselben Markts folgenden Zusatz: „Mehrere Unternehmen sind im Sinne der Überbrückungshilfe unter anderem immer dann in demselben oder in sachlich benachbarten Markt tätig, wenn sich ihre wirtschaftliche Tätigkeit ganz oder teilweise demselben Wirtschaftszweig gemäß der ersten drei Ziffern der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 zuordnen lässt (WZ 2008) (zum Beispiel 55.1: „Hotels, Gasthöfe und Pensionen“).“ Soweit ersichtlich, hält die Rechtsprechung ein Abstellen auf die Ziffern der Klassifikation der Wirtschaftszweige für zulässig, dies auch und vor allem unter dem Gesichtspunkt einer gleichmäßigen und willkürfreien Mittelverteilung. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Eine nicht durch sachliche Unterschiede zu rechtfertigende Differenzierung ist unzulässig. Andererseits betont die Rechtsprechung die zweckorientierte Auslegung des Begriffs benachbarter Markt und dass stets auf Umstände des Einzelfalls abzustellen ist. Betroffene Unternehmen können sich diese Ungenauigkeiten zunutze machen, indem sie ihre Situation genau analysieren und entsprechend bestimmt gegenüber den Bewilligungsstellen vortragen.
Darlegungslast und Stellungnahme

Schließlich ist auch die Darlegungslast für die Annahme des Unternehmensverbunds ein Argument, mit dem sich Leistungsempfänger auseinandersetzen sollten. Es besteht nämlich die Vermutung, dass kein beherrschender Einfluss ausgeübt wird, sofern sich die Beteiligten nicht direkt oder indirekt in die Verwaltung des betroffenen Unternehmens einmischen. Pauschale Vermutungen der Bewilligungsstellen reichen nicht aus, um den Unternehmensverbund in Zweifelsfragen zu bejahen. Auch wenn die vorhandene Rechtsprechung erfahrungsgemäß keine Präzedenz für jeden Einzelfall schafft, geht aus ihr doch umso deutlicher hervor, dass nicht verallgemeinert werden darf. Meines Erachtens ist aber genau das der Fall, wenn Bewilligungsstellen auf pauschale Argumentationen abstellen. Gerade deswegen kann eine fundierte juristische Stellungnahme wichtig werden. Dies zeigen uns eine Vielzahl von Verfahren im Zusammenhang mit Corona-Wirtschaftshilfen in den letzten zwei Jahren.
Wie geht es weiter?
Die Schlussabrechnung der ersten Programme, also Überbrückungshilfe I bis III, November- und Dezemberhilfe, läuft seit dem 5. Mai 2022 und muss bis zum 31. Dezember 2022 erfolgen. Betroffene Unternehmen sollten nicht abwarten, bis die Bewilligungsstelle von sich aus auf bis jetzt unbemerkte Sachverhalte aufmerksam wird, sondern sich proaktiv um eine juristische Absicherung kümmern, denn eines ist klar: Die Bewilligungsstellen werden versuchen, unberechtigte Auszahlungen zu korrigieren. Die Betrachtung des Einzelfalls darf diesem im Grunde berechtigten Ziel jedoch nicht zum Opfer fallen.