Einkommensteuer - 27. März 2024

Stopp auf halber Strecke

Die Neufassung des § 19a Einkommensteuergesetz ist ein zu begrüßender Schritt in Richtung einer Besteuerung, die der Beteiligung von Mitarbeitern an ihrem Unternehmen dient. Allerdings bleibt der Wille des Gesetzgebers erkennbar, diese Erleichterung in erster Linie Beschäftigten von Start-ups zu gewähren.

Die Beteiligung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist für viele Arbeitgeber ein probates Mittel, um Leistungsträger an das eigene Unternehmen zu binden. In Zeiten des Fachkräftemangels gilt dies umso mehr. Die Übertragung von Anteilen und der damit verbundene Zufluss eines geldwerten Vorteils führt jedoch regelmäßig zur Besteuerung von Arbeitslohn. Diese Besteuerung von Dry Income konterkariert aber den eigentlichen Zweck der Beteiligungsgewährung. Unter den Voraussetzungen des § 19a Einkommensteuergesetz (EStG) kann diese Besteuerung aufgeschoben werden. Allerdings war schon bei (Wieder-) Einführung der Regelung im Jahr 2021 kritisiert worden, dass deren Voraussetzungen viel zu eng seien und nur einige wenige Unternehmen beziehungsweise deren Arbeitnehmer hiervon profitieren könnten. Nun änderte die Bundesregierung die Regelung durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz mit Wirkung ab dem 1. Januar 2024. Dabei war es das erklärte Ziel, den Anwendungsbereich des neuen § 19a EStG auszudehnen. Allerdings ist nach wie vor der Wille des Gesetzgebers erkennbar, die Erleichterung in erster Linie für Beschäftigte von Start-ups zu gewähren. Bevor nachfolgend die neuen Voraussetzungen des § 19a EStG dargestellt werden, zunächst noch ein wichtiger Hinweis: Die Anwendung der Einzelnorm führt nur dazu, dass die Besteuerung des geldwerten Vorteils aufgeschoben wird, der sich aus der Gewährung der Beteiligung ergibt. Auf die Besteuerung der künftigen Beteiligungs- beziehungsweise Veräußerungserträge war die Bestimmung auch schon vor ihrer Änderung nicht anzuwenden. Diese richtet sich allein nach § 20 EStG oder gegebenenfalls auch nach § 17 EStG.

Welche Regelungen unberührt bleiben

Unverändert geblieben ist zunächst der Verweis auf die abschließende Aufzählung der begünstigten Beteiligungen im Vermögensbildungsgesetz (VermBG), deren Übertragung an Arbeitnehmer in den Anwendungsbereich des § 19a EStG fällt. Deshalb kann dazu auch weiterhin auf die Erläuterung hierzu in der Textziffer 4 des BMF-Schreibens vom 16. November 2021 (BStBl I 2021, 2308) verwiesen werden. Insbesondere bleibt es künftig dabei, dass rein virtuelle Beteiligungen nicht begünstigt sind. Virtual Stock Option Plans (VSOP) sind also auch weiterhin von der Begünstigung ausgeschlossen. Gleichfalls bleibt es bei der bisherigen Regelung, dass der Empfänger der gewährten Beteiligung mit der Anwendung des Steueraufschubs einverstanden sein muss, dass diese zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden muss und dass eine Aufzeichnung im Lohnkonto erfolgt (§ 19a Abs. 6 EStG). Ebenso gilt weiterhin, dass die Beteiligung an dem Unternehmen gewährt werden muss, das als lohnsteuerlicher Arbeitgeber auftritt. Eine Konzernklausel, wie in der Parallelvorschrift des § 3 Nr. 39 EStG, enthält die Neufassung des § 19a EStG weiterhin nicht. Allerdings stellt der Gesetzgeber klar, dass nicht unbedingt das Unternehmen selbst die Beteiligung durch Ausgabe neuer Anteile gewähren muss. Auch ein oder mehrere Gründer des Unternehmens können dies nun tun. Hier zeigt sich wiederum, dass Start-ups im Fokus des § 19a EStG stehen. Oft kommt es bei diesen zu der Situation, dass Gründer andere Leistungsträger aus dem Unternehmen beteiligen wollen. Investoren, die zwischenzeitlich gleichfalls Gesellschafter geworden sind, sprechen sich aber gegen eine weitere Verwässerung ihrer Beteiligung aus. Unternehmensgründer, die insbesondere zu Beginn mehrerer Finanzierungsrunden noch nominal über eine relativ hohe Beteiligungsquote verfügen, haben demnach die Möglichkeit, statt neuer Unternehmensanteile bestehende aus ihrer eigenen Beteiligung zu übertragen, ohne dass deshalb die Verschonungsregelung des § 19a EStG entfallen würde.

Neue Grenzen für KMU

Wesentliche Änderungen gibt es seit Beginn des Jahres im Hinblick auf die Größe der begünstigten Unternehmen beziehungsweise Arbeitgeber sowie die einzuhaltenden zeitlichen Grenzen, die im Zeitpunkt der Vermögensübertragung nicht überschritten sein dürfen. Bisher galten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) hier die Kriterien aus der Empfehlung der EU-Kommission. Diese wurden hinsichtlich der Bilanzsumme und des Jahresumsatzes verdoppelt und in Bezug auf die Arbeitnehmerzahl vervierfacht (§ 19 Abs. 3 EStG). Somit sind ab dem 1. Januar 2024 Übertragungen von Beteiligungen an Unternehmen begünstigt, die nicht mehr als 1.000 Mitarbeiter beschäftigen und kumulativ dazu entweder eine Bilanzsumme von maximal 86 Millionen Euro oder einen Jahresumsatz von höchstens 100 Millionen Euro ausweisen. Es genügt künftig, wenn diese Grenzen im Jahr der Vermögensübertragung oder in einem der sechs vorangegangenen Jahre nicht überschritten wurden. Bisher wurden hier nur das Übertragungsjahr sowie das vorangegangene Jahr in die Betrachtung einbezogen. Zusätzlich darf das Unternehmen, an dem die Beteiligung eingeräumt wird, im Zeitpunkt der Übertragung nicht älter als 20 Jahre, statt wie bisher 12, sein.

Nachversteuerung bei Anteilsübertragung

Eine kleinere Überarbeitung haben auch die Ereignisse in § 19a Abs. 4 EStG erfahren, die jeweils für sich zur Nachversteuerung des zunächst nicht besteuerten Vermögensvorteils aus der Anteilsübertragung führen. Unverändert sind die entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung der Anteile durch den Arbeitnehmer sowie die Beendigung des Dienstverhältnisses mit dem bisherigen Arbeitgeber. Als dritter Grund für die nachträgliche Versteuerung ist der Ablauf einer Frist seit Übertragung der Beteiligung vorgesehen. Diese Frist wurde nunmehr von 12 auf 15 Jahre verlängert. Aufgrund fehlender Sondervorschriften zur Anwendung dieser Fristverlängerung gilt sie auch für Beteiligungen, die vor dem 1. Januar 2024 gewährt wurden.

Möglichkeit zum Ausschluss der Nachversteuerung

Komplett neu ist die Möglichkeit, die eigentlich vorgesehene Nachversteuerung in den Fällen der Beendigung des Dienstverhältnisses sowie bei Ablauf der Frist von 15 Jahren vollständig auszuschließen. In § 19a Abs. 4a EStG ist nunmehr vorgesehen, dass diese Nachversteuerung in den beiden genannten Fällen unterbleibt, wenn der Arbeitgeber spätestens mit der dem jeweiligen Ereignis, also bei Beendigung des Dienstverhältnisses oder bei Zeitablauf, nachfolgenden Lohnsteueranmeldung erklärt, die Haftung für die entstehende Steuer aus der Nachversteuerung zu übernehmen. Es bleibt dann als einziger Grund für eine Nachversteuerung die entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung der Beteiligung durch den Arbeitnehmer. Der Wert für die Nachversteuerung ist grundsätzlich der gemeine Wert im Zeitpunkt der Übertragung auf den Arbeitnehmer. Somit ist insbesondere der § 11 Abs. 2 Bewertungsgesetz (BewG) auch hier anzuwenden. Die Möglichkeit, die Höhe des zunächst nicht besteuerten geldwerten Vorteils bereits im Zeitpunkt der Übertragung im Rahmen einer Anrufungsauskunft feststellen zu lassen, bleibt bestehen (§ 19a Abs. 5 EStG). Ebenso gilt weiterhin die Anwendung der Fünftelregelung, wenn seit der Übertragung auf den Arbeitnehmer mindestens drei Jahre vergangen sind (§ 19a Abs. 4 S. 2 EStG). Die ursprünglich vorgesehene Möglichkeit zur Pauschalierung der Nachversteuerung ist im endgültigen Gesetzestext hingegen nicht mehr enthalten. Zudem ist bei einer nachträglichen Wertminderung der eingeräumten Beteiligung weiterhin nicht der gemeine Wert im Zeitpunkt der Übertragung, sondern der dann niedrigere Wert im Zeitpunkt des Nachversteuerungsereignisses als Bemessungsgrundlage für die nachträgliche Versteuerung heranzuziehen (§ 19a Abs. 4 S. 4, 1. HS EStG). Neu ist eine Sonderregelung für sogenannte Bad-Leaver-Konstellationen. In diesen sind die Arbeitnehmer als Sanktion für bestimmte Ereignisse, zum Beispiel die Kündigung des Arbeitnehmers, verpflichtet, die ursprünglich erhaltene Beteiligung zu einem deutlich niedrigeren Entgelt oder auch unentgeltlich an den Arbeitgeber zurückzuübertragen. Dieser Wert kann deutlich unter dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Übertragung auf den Arbeitnehmer liegen. In diesen Fällen wird lediglich dieses Entgelt für die Nachversteuerung herangezogen (§ 19a Abs. 4 S. 4, 2. HS EStG).

Fazit

Insgesamt ist die Überarbeitung des § 19a EStG ein Schritt in Richtung einer Besteuerungssystematik, die einer adäquaten Beteiligung von Mitarbeitern an ihrem Unternehmen nicht im Wege steht. Dieses Ziel ist aber mit den Änderungen durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz bei Weitem noch nicht erreicht. Es ist natürlich zu begrüßen, dass durch eine Erhöhung der Grenzen für die Unternehmensgrößen der Kreis der von der Regelung begünstigten Arbeitnehmer erweitert wird. Andererseits ist es aber nicht verständlich, warum größeren oder älteren Unternehmen generell die Möglichkeit verwehrt werden soll, Mitarbeiterbeteiligungen auszugeben, ohne Dry Income bei den Arbeitnehmern zu generieren. Auch diese sind ohne Zweifel auf moderne Methoden zur Mitarbeitergewinnung und -bindung angewiesen. Ebenso sollten von der vorläufigen Steuerverschonung nicht nur die Beteiligungen im Sinne des VermBG begünstigt werden. Um attraktive Mitarbeiterbeteiligungen für Arbeitnehmer aufzulegen, sollten auch VSOP in die Regelung aufgenommen werden.

MEHR DAZU

Mandanten-Info-Broschüre „Mitarbeiterbeteiligung

Zum Autor

DW
Dirk Wellner

Steuerberater und Rechtsanwalt sowie Fachanwalt für Steuerrecht bei Ecovis in Greifswald

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