Investitionen in Start-ups - 27. März 2024

Die Rendite prüfen

Mit dem zum Jahresbeginn in Kraft getretenen Zukunftsfinanzierungsgesetz kommt es auch zu Anpassungen beim sogenannten INVEST-Zuschuss. Betroffen sind dabei die Regelungen zur Steuerfreiheit.

Seit Mai 2013 fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit dem Programm INVEST – Zuschuss für Wagniskapital (sogenannter INVEST-Zuschuss) Investitionen von Privatpersonen in Start-ups. Diese Zuschüsse sollen konzeptionell steuerfrei sein. Nachdem die Förderbedingungen mit Wirkung zum 6. Februar 2023 angepasst wurden und die Förderung bis zum 31. Dezember 2026 verlängert wurde, war nun auch eine korrespondierende Änderung des § 3 Nr. 71 Einkommensteuergesetz (EStG) geboten. Die Anpassungen in der Förderrichtlinie, die das EStG nun entsprechend abbildet, lauten wie folgt:

  • 25 Prozent Erwerbszuschuss bei direktem Anteilserwerb (bisher 20 Prozent) und bei Wandeldarlehen (bisher 10 Prozent),
  • Einführung eines INVEST-Budgets in Höhe von 100.000 Euro an Erwerbszuschüssen pro Investorin beziehungsweise Investor, also keine weitere INVEST-Förderung mehr, wenn 100.000 Euro an Erwerbszuschüssen ausgezahlt oder bewilligt wurden,
  • 10.000 Euro Mindestinvestitionssumme (bisher 25.000 Euro),
  • 200.000 Euro maximal förderfähige Investitionssumme pro Investment pro natürlicher Person,
  • förderfähig sind ausschließlich Erstinvestitionen,
  • Begrenzung des Exitzuschusses auf 25 Prozent (bisher
    80 Prozent) der Investitionssumme,
  • Erweiterung der zulässigen Rechtsformen für förderfähige
    Unternehmen auf eingetragene Genossenschaften (eG).

Hintergrund

Zielsetzung des INVEST-Zuschusses ist es, Investitionen in Start-ups attraktiver zu machen. Zu diesem Zweck können Privatpersonen Zuschüsse durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erhalten, wie sich aus der Förderrichtlinie zur Bezuschussung von Wagniskapital privater Investoren für junge innovative Unternehmen vom 6. Februar 2023 ergibt (BAnz AT 15.03.2023, B1). Der INVEST-Zuschuss bietet zwei Fördermöglichkeiten: zum einen den Zuschuss zum Investitionszeitpunkt (sogenannter Erwerbszuschuss) und zum anderen den Zuschuss auf den Veräußerungsgewinn (sogenannter Exitzuschuss). Der Erwerbszuschuss soll die Investition selbst attraktiver machen, der Exitzuschuss soll pauschal für die mit dem Verkauf verbundenen Steuern kompensieren. Ein Exitzuschuss kann jedoch nur gewährt werden, wenn für die veräußerte Beteiligung bereits ein Erwerbszuschuss bewilligt wurde. Die Regelungen des § 3 Nr. 71 EStG stellen die genannten Zuschüsse steuerfrei. Die Steuerfreiheit ist dem Wortlaut nach nicht auf den INVEST-Zuschuss begrenzt, jedoch vom Gesetzgeber auf diesen zugeschnitten, was auch zur Anpassung der Regelungen geführt hat. Die entsprechende Förderrichtlinie stellt jedoch weitere Anforderungen, die so nicht im § 3 Nr. 71 EStG aufgeführt sind, wie zum Beispiel die Definition der begünstigten innovativen Branchen. Diese sind entsprechend gesondert zu prüfen.

Einzelheiten des Erwerbszuschusses

Zuwendungsberechtigt sind volljährige natürliche Personen, die ihren Hauptwohnsitz im europäischen Wirtschaftsraum haben. Sie müssen die Anteile im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und von eigenem Geld erwerben. Der Einsatz von Fremdkapital ist unzulässig. Der Zuwendungsempfänger darf sich jedoch einer Beteiligungsgesellschaft in der Form einer Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt (UG) oder GmbH sowie einer vergleichbaren Gesellschaft gemäß Anhang I zu Artikel 1 der Richtlinie 2009/102/EG vom 16. September 2009 bedienen, um die Anteile zu erwerben. Bei der erworbenen Beteiligung muss es sich um

  • neu ausgegebene,
  • gewöhnliche, also nicht mit Nebenabreden versehene, und
  • voll risikotragende Anteile am Zielunternehmen handeln.

Der Anteilserwerb kann auch über ein Wandeldarlehen erfolgen. Das Unternehmen darf unter anderem nicht älter als sieben Jahre sein, höchstens 50 Mitarbeiter (Vollzeitäquivalente) haben und der Jahresumsatz sowie die Jahresbilanzsumme dürfen 10 Millionen Euro nicht übersteigen. Es müssen mindestens 10.000 Euro (bisher 25.000 Euro) investiert werden. Der Erwerbszuschuss beträgt bis zu 25 Prozent (bisher 20 Prozent) der Anschaffungskosten, höchstens jedoch 100.000 Euro pro natürlicher Person. Es ist eine Mindesthaltedauer von drei Jahren zu beachten.

Einzelheiten des Exitzuschusses

Der Exitzuschuss steht nur zur Verfügung, wenn die Beteiligung von einer natürlichen Person gehalten
oder veräußert wird. Der Erwerb der veräußerten Anteile muss bereits durch einen Erwerbszuschuss gefördert worden sein. Neben der oben genannten Mindesthaltedauer ist auch die Höchsthaltedauer von zehn Jahren zu beachten. Der Gewinn aus der Veräußerung muss mindestens 2.000 Euro betragen. Er errechnet sich aus der Differenz zwischen Veräußerungspreis und Anschaffungskosten zuzüglich Agio. Erwerbsneben- und Veräußerungskosten sind nicht zu berücksichtigen. Der Exitzuschuss beträgt 25 Prozent des Veräußerungsgewinns, statt wie bisher 80 Prozent, ist aber auch auf 25 Prozent der ursprünglichen Anschaffungskosten begrenzt. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass § 3 Nr. 71 Buchst. b EStG zwar nicht die Obergrenze von 100.000 Euro enthält wie Buchst. a, die entsprechende Förderrichtlinie diese Obergrenze jedoch auch auf den Exitzuschuss anwendet (vergleiche dort unter Ziffer 5.2). Wird die Obergrenze pro Investor überschritten, wird der Zuschuss nur bis zur Obergrenze bewilligt.

Steuerliche Folgen für Investoren

Der INVEST-Zuschuss ist ein echter Investitionszuschuss der öffentlichen Hand. Im Ergebnis ist die Steuerfreiheit, sowohl des Erwerbs- als auch des Exitzuschusses, sicherzustellen – gleich, ob die Beteiligung im Privat- oder Betriebsvermögen beziehungsweise über eine Beteiligungsgesellschaft gehalten wird.

Erwerbszuschüsse

Beim Erwerbszuschuss ist zwischen einer Beteiligung am Betriebsvermögen beziehungsweise über eine Beteiligungsgesellschaft und am Privatvermögen zu differenzieren. Erwerbszuschüsse zu Anschaffungskosten von im Betriebsvermögen erworbenen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften sind Betriebseinnahmen des Erwerbs. Nach wohl herrschender Auffassung soll auch der INVEST-Zuschuss zu einem Wahlrecht nach R 6.5 Abs. 2 Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) führen. Der Erwerber kann den Zuschuss im Veranlagungszeitraum der Gewährung entweder in voller Höhe außerbilanziell vom Gewinn abziehen oder in Ausübung des Wahlrechts die Anschaffungskosten der Beteiligung entsprechend erfolgsneutral kürzen. Eine Ausübung des Wahlrechts und damit eine Minderung der Anschaffungskosten erscheint aber nicht sinnvoll, da der Zuschuss dann wirtschaftlicher Teil eines höheren späteren Veräußerungsgewinns ist. Somit käme es allein zu einer Steuerstundung, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt waren. Wird eine Beteiligung am Privatvermögen gehalten, kommt § 3 Nr. 71 Buchst. a EStG deklaratorische Wirkung zu. Der Zuschuss lässt sich, anders als die Beteiligung selbst, im Falle der Veräußerung im Rahmen des § 2 EStG weder § 17 EStG noch § 20 Abs. 2 EStG zuordnen und ist daher nicht steuerbar. Ein Wahlrecht nach EStR 6.5 Abs. 2 dürfte folglich nicht bestehen.

Exitzuschüsse

Auch bei den Exitzuschüssen ist zwischen einer Beteiligung am Betriebsvermögen beziehungsweise über eine Beteiligungsgesellschaft und einer Beteiligung am Privatvermögen zu unterscheiden. Der Exitzuschuss ist bei Beteiligungen am Betriebsvermögen Teil des Veräußerungspreises. Wieder sind die Betriebseinnahmen außerbilanziell zu kürzen. Bei einer Beteiligung am Privatvermögen ist der Exitzuschuss im Rahmen der §§ 17, 20 II EStG zu berücksichtigen. Das Veräußerungsentgelt ist im Rahmen der Einkünfteermittlung um den Zuschuss zu mindern. Aus steuerlicher Sicht ist im Einzelfall zu prüfen, ob sich der Erwerb über eine Beteiligungskapitalgesellschaft lohnt – auch wenn diese durch Gründung und laufende Kosten teurer ist. Denn aufgrund der Deckelung des Exitzuschusses in § 3 Nr. 71 Buchst. b EStG ist die direkte Veräußerung als natürliche Person deutlich unattraktiver, sobald ein Veräußerungsgewinn die Anschaffungskosten übersteigt oder die auch für den Exitzuschuss geltende Obergrenze von 100.000 Euro pro natürlicher Person überschritten wird.

Fallbeispiel

Investor A erwirbt im Veranlagungszeitraum (VZ) 1 Anteile an der Gesellschaft X für 100 Euro und erhält einen Erwerbszuschuss. Er hält diese im Privatvermögen. Er ist damit zu 5 Prozent an der Gesellschaft X beteiligt. Investor B nutzt eine Beteiligungsgesellschaft in Form einer UG und erwirbt ebenfalls Anteile an der Gesellschaft X für 100 Euro im VZ 1. Im VZ 5 kommt es zur Veräußerung. Der Veräußerungsgewinn beträgt für A und B jeweils 400 Euro. Investor A unterliegt einem Steuersatz von 42,5 Prozent. A erfüllt die Voraussetzungen des Exitzuschusses, der ihm gewährt wird. Bei Investor A unterliegt die Veräußerung gemäß § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG dem Teileinkünfteverfahren und ist zu 40 Prozent steuerfrei. Ferner erhält er den Exitzuschuss, der jedoch gemäß § 3 Nr. 71 Buchst. b Doppelbuchst. ee EStG auf 25 Euro begrenzt ist (25 Prozent der Anschaffungskosten). Steuerfrei sind zunächst 160 Euro, 240 Euro sind mit einem Satz von 42,5 Prozent zu versteuern. Inklusive Exitzuschuss bleiben damit nach Steuern 323 Euro. Bei Investor B hat die Beteiligungsgesellschaft den Veräußerungsgewinn zu versteuern. Sie kann keinen Exitzuschuss beantragen, die Veräußerung ist jedoch gemäß § 8b Abs. 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) privilegiert. Sie ist im Ergebnis zu 95 Prozent steuerfrei, was zu einer effektiven Steuerbelastung von circa 1,5 Prozent führt, also 5 Prozent von circa 30 Prozent inklusive Gewerbesteuer. Nach Steuern verbleiben damit 394 Euro. Entsprechendes gilt, wenn die Obergrenze von 100.000 Euro für den Exitzuschuss überschritten wird. Der Exitzuschuss kann dann die steuerliche Mehrbelastung auf Ebene des Investors im Vergleich zur Beteiligungsgesellschaft nicht mehr ausgleichen. Der Erwerb über eine Beteiligungskapitalgesellschaft ist damit unter Umständen attraktiver, auch unter Berücksichtigung des ursprünglichen Erwerbszuschusses.

Fazit

Die Gesetzesänderungen sind erstmals für den Veranlagungszeitraum 2023 anzuwenden (§ 52 Abs. 4 S. 27 EStG). In der Praxis empfiehlt es sich, für die Antragstellung für den INVEST-Zuschuss selbst zunächst einen Rechtsberater hinzuzuziehen. Ferner sollte bereits bei Erwerb gründlich überlegt werden, ob sich der Erwerb über eine Beteiligungsgesellschaft empfiehlt. Dies gilt insbesondere jetzt nach der Gesetzesänderung, da der Exitzuschuss nunmehr auf 25 statt 80 Prozent der Anschaffungskosten der Beteiligung gedeckelt ist. Eine Beteiligungsgesellschaft rentiert sich immer dann, wenn sich die erworbene Beteiligung sehr positiv entwickelt. Die im Fokus des INVEST-Zuschusses liegenden jungen, innovativen Unternehmen bieten, im Gegenzug für ein erhöhtes Risiko, aber in der Regel gerade solche Chancen.

Zum Autor

MS
Marius Siemen

Rechtsanwalt bei der Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB – Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer in München

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