Mitarbeiterkapitalbeteiligung - 27. März 2024

Impuls für Gründer

Durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz wurde die sogenannte Dry-Income-Problematik im Rahmen eines Anteilserwerbs von Start-ups sowie kleinen und mittleren Unternehmen deutlich abgemildert.

Gerade junge Unternehmen mit einem technologischen Schwerpunkt und einem innovativen Ansatz sind in der ersten Phase nach Unternehmensgründung stark darauf angewiesen, hochqualifiziertes Personal zu akquirieren. Hierbei stehen Start-ups allerdings in unmittelbarer Konkurrenz zu etablierten Marktteilnehmern, haben jedoch regelmäßig nicht die finanziellen Möglichkeiten, um bereits in der Anfangsphase marktgerechte Gehälter zu zahlen. Um in dieser Marktposition für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer attraktiv zu sein, bieten Start-ups ihren Führungs- und Kernmitarbeitern häufig Unternehmensbeteiligungen als Entgeltbestandteil an. Zu unterscheiden sind hierbei verschiedene Beteiligungsmodelle.

Virtuelle Mitarbeiterbeteiligung

Die sicherlich am meisten verbreitete Form der Mitarbeiterbeteiligung ist in virtuellen Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, sogenannten Virtual Stock Option Plans (VSOP), zu sehen. Die Mitarbeiter erhalten einmalig oder über einen längeren Zeitraum (Vesting) virtuelle Geschäftsanteile. Auf Grundlage einer schuldrechtlichen Vereinbarung werden die Mitarbeiter als Inhaber virtueller Geschäftsanteile meist nur für den Fall des Verkaufs wesentlicher Anteile der Gesellschaft an Dritte (sogenannter Exit) echten Gesellschaftern wirtschaftlich gleichgestellt. Im Fall eines Exits, der im jeweiligen Beteiligungsprogramm entsprechend zu definieren ist, erhalten die Mitarbeiter für ihre virtuellen Geschäftsanteile einen Anteil am durch den Exit erzielten Veräußerungserlös. Steuerlich erscheint die Beteiligung über ein VSOP im Zeitpunkt der Gewährung der virtuellen Anteile für den Arbeitnehmer zunächst attraktiv, weil bei Erwerb der jeweiligen virtuellen Anteile keine Steuern anfallen. Im Zeitpunkt der Auszahlung beim Exit werden die Ausschüttungen jedoch als Arbeitslohn behandelt, der der regulären Einkommensteuer gemäß §§ 8 Abs. 1 und 19 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) unterliegt. Damit werden die Ausschüttungen mit bis zu 45 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer besteuert.

Echte Mitarbeiterbeteiligung

Alternativ gibt es die Möglichkeit, den Mitarbeitern echte Geschäftsanteile – gegebenenfalls unentgeltlich oder zu einem reduzierten Kaufpreis – im Rahmen eines echten Mitarbeiterbeteiligungsprogramms zu gewähren. Dies hat für die Mitarbeiter den Vorteil, dass sie echte Gesellschafter werden und tatsächlich an den Wertsteigerungen ihres Unternehmens partizipieren, ohne dass ein Exit erfolgen muss. Ein weiterer Vorteil ist, dass Einkünfte aus der Kapitalbeteiligung als Kapitalerträge einem begünstigten Steuerregime unterfallen – grundsätzlich Abgeltungsteuer in Höhe von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer. Nachteilig ist eine solche echte und direkte Beteiligung für die Gesellschaft vor dem Hintergrund, dass es mit einem zersplitterten Gesellschafterbestand mit vielen Kleinbeteiligungen regelmäßig schwieriger ist, weitere Investoren zu gewinnen. Diesen Umstand kann die Gesellschaft abmildern, indem die den Mitarbeitern zur Verfügung gestellten Geschäftsanteile in einer Poolpersonengesellschaft zusammengefasst werden und die Mitarbeiter dann jeweils Anteile an der Poolpersonengesellschaft erhalten. Gleichfalls umsetzbar ist eine Treuhandlösung hinsichtlich der Geschäftsanteile. Bei einem unentgeltlichen oder vergünstigten Erwerb von echten Geschäftsanteilen durch den Mitarbeiter entsteht bei diesem im Hinblick auf die Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem Verkehrswert der Anteile allerdings ein geldwerter Vorteil, der wiederum der regulären Einkommensbesteuerung unterliegt. Diese Einkommensteuer entsteht grundsätzlich im Zeitpunkt der Anteilsübertragung. Dies führt dazu, dass der Arbeitnehmer zu von ihm erworbenen Geschäftsanteilen Steuern abführen muss, obwohl ihm zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Liquidität zugeflossen ist (sogenannte Dry-Income-Problematik). Da dem Arbeitnehmer regelmäßig nicht die notwendigen liquiden Mittel zur Verfügung stehen, um die anfallenden Steuern zu bedienen, muss er gegebenenfalls ein Darlehen aufnehmen. Dies ließe die echte Mitarbeiterbeteiligung in vielen Fällen unattraktiv erscheinen.

Fondsstandortgesetz

Auch der Gesetzgeber hat die Dry-Income-Problematik erkannt und im Sommer 2021 im Rahmen des Fondsstandortgesetzes einen ersten Versuch unternommen, diese abzumildern und auf diese Weise die Attraktivität echter Mitarbeiterunternehmensbeteiligungen zu steigern. Die Problematik sollte durch Gewährung eines zinslosen Besteuerungsaufschubs gelöst werden. Der neu eingeführte § 19a EStG fand bis Ende des Jahres 2023 auf Unternehmen Anwendung, die im Zeitpunkt der Anteilsübertragung als kleine oder mittlere Unternehmen zu qualifizieren waren. Grenzwerte waren bis zu 250 Mitarbeiter, ein Jahresumsatz bis 50 Millionen Euro sowie eine Jahresbilanzsumme von bis zu 43 Millionen Euro. Außerdem durfte die Gründung des jeweiligen Unternehmens nicht mehr als zwölf Jahre zurückliegen. Eine Nachversteuerung – allerdings zu den Anteilswerten im Übertragungszeitpunkt – wurde durch die folgenden Ereignisse ausgelöst:

  • vollständige oder teilweise entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung der Vermögensbeteiligung auf einen Dritten,
  • Ablauf von zwölf Jahren seit der Übertragung,
  • Beendigung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses.

Die eingeführte Regelung fand bislang wegen verschiedener Regelungsschwächen kaum Anwendung. So war zunächst der Anwendungsbereich wegen der Beschränkung auf junge kleine und mittlere Unternehmen (KMU) relativ gering. Weiter konnte eine Lohnsteueranrufungsauskunft zur Bestätigung der Höhe des geldwerten Vorteils erst nach Anteilserwerb gestellt werden, was zu Bewertungsunsicherheiten im Übertragungszeitpunkt führte. Zu beachten ist weiterhin, dass im Falle einer Nachversteuerung, die nicht durch einen Exit, sondern durch Zeitablauf oder Ausscheiden aus dem Unternehmen ausgelöst wird, wiederum die Dry-Income-Problematik entsteht, weil es hinsichtlich der erworbenen Geschäftsanteile regelmäßig keinen Markt gibt, auf dem der Arbeitnehmer diese veräußern könnte. Zuletzt sah § 19a EStG in der durch das Fondsstandortgesetz eingeführten Fassung auch ausschließlich die Möglichkeit vor, dass die erworbenen Anteile durch den Mitarbeiter direkt erworben werden. Ein Erwerb über eine Holdingstruktur des Mitarbeiters, wie sie bei Start-ups üblich ist, war nicht vorgesehen.

Anpassungen durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz

Den vorbeschriebenen Schwächen begegnete der Gesetzgeber durch eine Reform des § 19a EStG im Rahmen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes, das zum 1. Januar 2024 in Kraft trat. Zunächst einmal wurde der Anwendungsbereich deutlich erweitert. § 19a EStG findet nunmehr Anwendung auf Unternehmen mit bis zu 1.000 Mitarbeitern, einem Jahresumsatz bis 100 Millionen Euro sowie einer Jahresbilanzsumme von bis zu 86 Millionen Euro. Die Gründung des Unternehmens darf nunmehr bis zu 20 Jahre zurückliegen. Weiterhin wurden neue Regelungen für den Fall des Zeitablaufs seit Übertragung der Anteile getroffen. Zunächst wurde der Zeitraum von 12 auf 15 Jahre verlängert. Neu geregelt ist zudem, dass es, wenn der Zeitraum von 15 Jahren abgelaufen ist oder aber der Arbeitnehmer das Unternehmen verlässt, dennoch nicht zu einer Besteuerung mit Eintritt dieser Ereignisse kommt. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber spätestens mit der dem betreffenden Ereignis folgenden Lohnsteueranmeldung (Ablauf von 15 Jahren nach Gewährung oder Beendigung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses) unwiderruflich erklärt, bei einer Übertragung der gewährten Geschäftsanteile für die betreffende Lohnsteuer zu haften (§ 19a Abs. 4a EStG n. F). Auf diese Weise wird für eine Vielzahl von Fällen die Dry-Income-Problematik gelöst und die Attraktivität echter Anteilsoptionsprogramme deutlich gesteigert. Auf der anderen Seite ist es Voraussetzung, dass sich der Arbeitgeber auch bereit erklärt, die hier drohenden Verbindlichkeiten wirtschaftlich zu tragen und gegebenenfalls auch zu passivieren. Die Zulässigkeit eines Erwerbs der Geschäftsanteile über eine Holdingstruktur des Arbeitnehmers war im Regierungsentwurf zunächst vorgesehen, wurde dann allerdings im Anwendungsbereich des § 19a EStG weiterhin nicht umgesetzt. Eine andere Frage ist, ob bestehende VSOP in echte Beteiligungen, also Employee Stock Option Plans (ESOP), umgewandelt werden können. Dies ist grundsätzlich möglich, wobei Detailfragen mit der Finanzverwaltung zu klären sind.

Fazit und Ausblick

Es bleibt abzuwarten, ob die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallenden Unternehmen nunmehr verstärkt von der echten Mitarbeiterbeteiligung Gebrauch machen werden. Zu begrüßen ist jedenfalls, dass der Gesetzgeber eine handhabbare Lösung für die Dry-Income-Problematik zur Verfügung gestellt hat. Auf der anderen Seite hat es der Gesetzgeber versäumt, wirklich grundlegende und umfassende Vereinfachungen umzusetzen. So war im Regierungsentwurf unter anderem noch vorgesehen, dass die zu übertragenden Anteile nicht nur vom Arbeitgeber selbst, sondern auch von mit ihm verbundenen Unternehmen gewährt werden können (sogenannte Konzernklausel). Eine solche Regelung hätte den Anwendungsbereich deutlich erweitert, wurde aber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen. Ebenso war im Referentenentwurf noch eine Pauschalbesteuerung in Höhe von 25 Prozent vorgesehen, die im Ergebnis leider nicht umgesetzt wurde. Insoweit wäre nicht nur die Einführung der Pauschalbesteuerung, sondern auch deren Ausdehnung auf virtuelle Anteile wünschenswert gewesen. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die mit dem Gesetz umgesetzten Lösungen einen Schritt zur Verbesserung der Attraktivität des Standorts Deutschland im globalen Wettbewerb um Talente für Start-ups und Wachstumsunternehmen darstellen können.

Zu den Autoren

SK
Stefanie Kalke

Rechtsanwältin sowie Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht. Sie ist Equity-Partnerin bei FPS in Berlin.

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JS
Justus Schweizer

Rechtsanwalt und Associate Partner bei FPS in Berlin

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