Die neue Energiepreispauschale - 25. April 2022

Entlastende Maßnahme

Der Krieg in der Ukraine sorgt nicht nur für unendliches Leid der direkt Betroffenen. Er hat auch Auswirkungen auf die Bevölkerung hierzulande. Deshalb hat die Politik reagiert und ein Paket geschnürt, bei dem allerdings noch viele Fragen offen sind.

Die Energiepreise sind im Frühjahr 2022 deutlich gestiegen. Dies bekommen Bürgerinnen und Bürger insbesondere an der Tankstelle und beim Heizen zu spüren. Um für eine entsprechende Entlastung zu sorgen, hat die Bundesregierung am 23. März 2022 ein Maßnahmenpaket präsentiert. Dies sieht verschiedene Entlastungen vor, die die Entwicklung auf dem – insbesondere auch aus dem Ukraine-Konflikt resultierenden – angespannten Markt abfedern soll.

Ausgangslage

Ziel der Ampelkoalition ist es, insbesondere einkommensschwache Teile der Bevölkerung finanziell zu entlasten. „Wir sichern den Bürgerinnen und Bürgern mehr Geld im Portemonnaie und wir sichern den Betrieben Liquidität“, sagte Finanzminister Christian Lindner im Bundestag. „Damit stützen wir langfristig die Zuversicht in eine gute wirtschaftliche Entwicklung“, so Lindner weiter. Aber wie kann das im Einzelnen gelingen? Hier soll nun das angesprochene Maßnahmenpaket vom 23. März 2022 Abhilfe schaffen. Darin ist als zentraler Ansatzpunkt für die erwünschte Entlastung der Mitte der Gesellschaft die sogenannte Energiepreispauschale festgehalten. Unabhängig von anderen Maßnahmen soll hier allen einkommenssteuerpflichtigen Erwerbstätigen (Steuerklassen 1-5) ein pauschaler Betrag in Höhe von 300 Euro ausgezahlt werden. Die entsprechende Auszahlung soll dabei als Zuschuss zum Gehalt über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers beziehungsweise des Dienstherrn erfolgen.

Selbstständige hingegen erhalten einen Vorschuss über eine einmalige Senkung ihrer Einkommenssteuer-Vorauszahlung und sollen darüber profitieren. Zu beachten ist zudem, dass der Pauschalbetrag nach den jetzigen Plänen der Bundesregierung der Einkommenssteuer unterliegt und damit versteuert werden muss.

Praktische Umsetzung

Wie genau die praktische Umsetzung der geplanten Maßnahmen aussehen soll, bleibt jedoch zunächst offen. Denn Teile des notwendigen Gesetzes müssen noch Bundestag und Bundesrat passieren. Laut Tagesschau wird damit gerechnet, dass die entsprechenden Gesetze womöglich erst im Mai verabschiedet werden können. Nach Medieninformationen aus Koalitionskreisen ist mit einem Start frühestens zum 1. Juni 2022 zu rechnen. Damit ist zunächst auch noch unklar, wann die Energiepreispauschale für Arbeitnehmer ausgezahlt werden soll und was steuerrechtlich zu beachten ist. Möglich erscheinen die nachfolgenden Modelle für die Organisation der Auszahlung.

Vorauszahlung durch den Arbeitgeber

Die erste denkbare Möglichkeit bildet eine Vorauszahlung seitens des Arbeitgebers. In diesem Szenario hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro als Zuschuss zu dessen Gehalt auszuzahlen. Er wird insoweit also vorleistungspflichtig. Im Anschluss kann er sich dann den ausgezahlten Betrag vom Staat wiederholen. Dies wäre dann wohl durch entsprechende Anträge oder durch ein anderes, noch zu definierendes Verfahren möglich und denkbar.Problematisch erscheint dabei zum einen der erhöhte bürokratische Aufwand für die Unternehmen selbst und zum anderen das Risiko der Vorleistungspflicht. Denn gerade für kleinere Unternehmen würde eine entsprechende Vorleistungspflicht eine – wenn auch nur vorübergehende – erhebliche Mehrbelastung bedeuten. Sicherlich ist nicht jedes Unternehmen problemlos in der Lage, für jeden Arbeitnehmer 300 Euro Zuschuss vorzustrecken. Und auch die organisatorische Mehrarbeit für das Unternehmen würde entsprechende Kosten bedingen.

Verrechnung in der Lohnsteueranmeldung

Vorzugswürdig gegenüber der zuvor ausgeführten Möglichkeit erscheint daher die ebenfalls denkbare Option einer Verrechnung der Energiepreispauschale in der Lohnsteueranmeldung. Welche Vorteile diese Durchführung birgt, zeigt sich bereits auf den ersten Blick: denn hiernach hat der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer den Betrag in Höhe von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt zwar ebenfalls auszuzahlen. Gleichzeitig kann dann der Arbeitgeber die 300 Euro allerdings mit der von ihm abzuführenden Lohnsteuer verrechnen, sodass ihm in dieser Hinsicht keine wirkliche „Vorleistungspflicht“ auferlegt wird. Ein Restrisiko bezüglich der Liquiditätsengpässe bliebe jedoch auch im Rahmen dieser Modalität bestehen. Allerdings wird der bürokratische Mehraufwand für das Unternehmen im Vergleich mit dem anderen Ansatz begrenzt, auch wenn hier in den Unternehmen ebenfalls diverse Vordrucke angepasst und Vorgänge umgestellt werden müssten.Unabhängig von den jeweiligen Umsetzungsansätzen hat der Arbeitnehmer selbst nach Erhalt der Zahlung diese in seiner Steuererklärung anzugeben und in dieser Form zu versteuern.

Kritik am Entwurf und ungeklärte Fragen

Neben der geplanten Energiepauschale sind zusätzliche Maßnahmen vorgesehen. Für Familien soll für jedes Kind ergänzend zum Kindergeld ein Einmalbonus in Höhe von 100 Euro über die Familienkassen ausgezahlt werden. Dieser Familienzuschuss wird auf den Kinderfreibetrag angerechnet. Für Empfängerinnen und Empfänger von Transferleistungen soll ein Einmalbonus in Höhe von 100 Euro pro Person ausgezahlt werden. Befristet für drei Monate soll zudem die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das europäische Mindestmaß abgesenkt werden, wobei sicherzustellen ist, dass diese Absenkung an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wird. Und schließlich versteht die Bundesregierung unter dem Motto „9 für 90“ die Einführung eines Tickets für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) für 9 Euro pro Monat für 90 Tage. Auch hier ist noch offen, wann es zu einer Umsetzung dieser Maßnahmen kommen wird. Hier wird ebenfalls mit einem möglichen Start im Juni 2022 spekuliert. Es gilt jedoch auch hier zunächst die gesetzliche Grundlage abzuwarten.

Weitere geplante Maßnahmen

Nicht berücksichtigt werden in den aktuellen Plänen rund um das Maßnahmenpaket der Ampelkoalition andere Bevölkerungsgruppen wie Rentner, Arbeitslose, Studenten oder Minijobber. Darüber hinaus sind auch Selbstständige innerhalb des Grundfreibetrags von den bisherigen Plänen ausgeschlossen. Daher ist zunächst zu beachten, dass das Einkommen vieler Selbstständigen – vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen – pandemiebedingt deutlich niedriger als noch in der Zeit vor Corona ist. Viele haben mitunter gegenwärtig gar keine Vorauszahlungen zur Einkommenssteuer zu leisten. Diese Selbstständigen könnten ihre Steuerlast folglich gegebenenfalls erst im Zuge ihrer Jahressteuererklärung, und damit zeitlich deutlich später, mindern. Dabei bleibt auch die Frage nach der steuerrechtlichen Einordnung unklar. Offen bleibt nämlich aktuell auch, ob die geplante Anrechnung auf die Vorauszahlung beim Selbstständigen einen echten Zuschuss zur Folge haben soll oder aber ob es sich lediglich um eine Steuerstundung handeln wird. Insofern erscheint fraglich, wie ein solcher Zuschuss zur Abminderung steigender Energiepreise, der ausschließlich Erwerbstätigen zugutekommt, und die damit einhergehenden erheblichen Steuerbelastungen gerechtfertigt werden können. Die oben beschriebenen steigenden Energiekosten treffen schließlich alle Bevölkerungsschichten gleich. Wie bereits erwähnt soll die geplante Energiepreispauschale der Einkommenssteuer unterliegen. Daraus ergeben sich auch noch weitere, ungeklärte Frage. Denn insbesondere lässt sich aus den aktuellen Plänen nicht schlussfolgern, auf welcher Grundlage diese Steuerpflicht eingeführt werden soll. Der Energiepreispauschale liegt nämlich kein Leistungsverhältnis beziehungsweise kein Bezug zur Erwerbstätigkeit zugrunde. Allein aus der bloßen Funktion des Arbeitgebers zur Auszahlung der Pauschale lässt sich eine Einordnung als Arbeitslohn nicht herleiten, so der Verband der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe (DStV) in einer Stellungnahme zum Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 2022. Eine rechtliche Einordnung sei insoweit dringend notwendig. Offen bleibt auch die Frage nach der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung der Pauschale und damit zugleich, ob auf den Pauschalbetrag in Höhe von 300 Euro noch eine Summe für die Sozialversicherung abzuführen ist. Im Übrigen stellen sich noch weitere einzelfallbezogene Fragen. So ist beispielsweise nicht klar, was mit Steuerpflichtigen passiert, die sich sowohl in einem Angestelltenverhältnis befinden als auch selbstständig tätig sind. Bekommen sie den Bonus doppelt? Wenn nicht, welche Regelung gilt für diese Personen? Was wird für Mitarbeiter gelten, die gerade Kurzarbeitergeld beziehen? Wie werden die übrigen Personengruppen berücksichtigt, wie etwa Langzeiterkrankte, Praktikanten, Eltern in Mutterschutz beziehungsweise Elternzeit, im entsprechenden Monat Arbeitssuchende, Personengesellschafter und Personengesellschafterinnen? Werden diese Gruppen gänzlich ausgenommen und profitieren damit nicht vom Bonus? Aufgrund der vielen offenen sowie ungeklärten Fragen lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt auch keine genaue Einordnung darüber abgeben, inwieweit der Bonus tatsächlich seinem Ziel, nämlich einer Abfederung der steigenden Energiepreise sowie einer Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger, gerecht wird.

Ausblick für die Praxis

Momentan wird mit einer Umsetzung der Pauschale zum 1. Juni spekuliert. Doch an welchen Stellschrauben sollte der Gesetzgeber noch drehen, um ein möglichst effektives Instrumentarium zu schaffen? Hier wäre zum einen zu beachten, dass die Auszahlung der Pauschale über die Arbeitgeber möglichst liquiditätsschonend erfolgen sollte. Auch Arbeitgebern mit einer vierteljährlichen oder jährlichen Lohnsteueranmeldung muss eine zeitnahe Rückerstattung ermöglicht werden. Eine entsprechende, denkbare Vorleistung von Seiten des Arbeitgebers sollte möglichst zeitnah erstattet werden. Zum anderen sollte die praktische Umsetzung für Selbstständige insofern angepasst werden, dass auch Steuerpflichtige ohne Einkommenssteuer-Vorauszahlung zeitnah profitieren. Im Übrigen sollten von der Pauschale auch Rentner und weitere, im Maßnahmenpaket derzeit nicht berücksichtigte Bevölkerungsgruppen, profitieren. Hintergrund ist, dass die steigenden Energiepreise schließlich alle Menschen im Land gleich treffen. Darüber hinaus werden Stimmen laut, die die Pauschale als steuer- und sozialversicherungsfreien Zuschuss fordern. Dies sei insbesondere im Hinblick auf den deutlich geringeren bürokratischen Aufwand vorzugswürdig. Insgesamt bleibt also abzuwarten, wie genau der entsprechende Gesetzesentwurf und die daraus folgende gesetzliche Regelung genau ausgestaltet sein werden.

Zum Autor

FN
Frank Nordhoff

Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwalt sowie Fachanwalt für Steuerrecht. Er ist Partner der Kanzlei SPIEKER & JAEGER in Dortmund.

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