Besondere Arbeitsformen - 28. Oktober 2021

Die Pandemie als Motor für New Work

Eine moderne Gesellschaft erwartet auch moderne Beschäftigungsmodelle. Daher sind Teilzeit, Homeoffice und Crowdworking sowie Remote-Arbeit spätestens seit der Corona-Krise fester Bestandteil unserer Arbeitswelt.

In den vergangenen Jahren ist der Wunsch nach einer aus­gewogenen Work-Life-Balance und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie stetig gestiegen, wodurch die Arbeitswelt bereits einen Wandel erfahren hat. Vor allem die Nachfrage nach einer größeren örtlichen und zeitlichen Flexibilität ist deutlich angestiegen und drängt das klassische Arbeitszeit­modell mit körperlicher Anwesenheit im Betrieb zurück. Seit Beginn der Covid-19-Pandemie hat sich die deutsche Ar­beitswelt schlagartig und grundlegend verändert. Vom Mit­arbeiter beziehungsweise der Mitarbeiterin sind ausgepräg­te Fähigkeiten bei der Digitalität, der Medienkompetenz und der Selbstorganisation gefragt. Durch die massive Ein­schränkung des öffentlichen Lebens waren viele Arbeitgeber gezwungen, umgehend sowie ohne Vorbereitung zu reagie­ren und ihren Mitarbeitern eine Tätigkeit außerhalb des ge­wöhnlichen Arbeitsumfelds zu ermöglichen. Nahezu ein Drittel der Belegschaft erbringt seit über einem Jahr ihre Ar­beitsleistung nicht mehr zu festen Zeiten im Betrieb, sondern überwiegend flexibel und mobil. Besondere Arbeitsver­hältnisse, die in der Durchführung vom normalen Vollzeitar­beitsverhältnis abweichen, sind daher präsenter denn je und rücken immer mehr in den Fokus. Sie stellen jedoch nach wie vor die Ausnahme dar und werfen teils mangels belast­barer Erfahrungen und teils mangels gesetzlicher Regelun­gen eine Vielzahl von Fragen und rechtliche Probleme auf.

Teilzeit

Die bekannteste Form, die vom klassischen Arbeits(zeit)mo­dell abweicht, ist die Teilzeitarbeit. Sie gewinnt mehr und mehr an Charme, nicht nur seitens der Arbeitnehmer. Viele Arbeitgeber wissen mittlerweile auch Teilzeitarbeit sehr zu schätzen. Denn wenn Teilzeitmodelle im Konsens von Unter­nehmensleitung und Beschäftigten vereinbart werden, stel­len sie ein sehr wichtiges Instrument zur Arbeitgeberattrak­tivität und Familienfreundlichkeit dar und können auch wirt­schaftlich interessant sein. Der Begriff Teilzeit steht für eine Vielzahl von Arbeitszeitlösungen, die alle eines gemeinsam haben: Die Beschäftigten arbeiten durchschnittlich weniger Stunden pro Woche als eine vergleichbare Vollzeitkraft.

Der allgemeine Teilzeitanspruch ist in § 8 Teilzeit- und Be­fristungsgesetz (TzBfG) geregelt. Diesen Anspruch können alle Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht und deren Arbeitgeber mehr als 15 Arbeit­nehmer beschäftigt, geltend machen, und zwar ohne jede (inhaltliche) Begründung. Der Arbeitgeber kann dem Teil­zeitanliegen lediglich betriebliche Gründe entgegenhalten. Ein solcher Grund liegt insbesondere dann vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeits­ablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträch­tigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Seit dem 1. Januar 2019 hat der Gesetzgeber daneben die sogenannte Brückenteilzeit eingeführt (§ 9a TzBfG). Hier kann für einen zeitlich bestimmten Zeitraum – und zwar zwischen einem und fünf Jahren – die Arbeitszeit verringert werden. Weitere Sonderfälle der Teilzeit sind die sogenannte Elternteilzeit (§ 15 Abs. 5 bis 7 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) und die sogenannte Familienpflegezeit (§§ 2, 2a Familien­pflegezeitgesetz), die sich das Ziel der besseren Vereinbar­keit von Beruf und der Betreuung von Kindern sowie der Pflege von Familienangehörigen gesetzt haben.

Homeoffice

Seit Beginn der Covid-19-Pandemie hat sich die Art, zu ar­beiten, radikal gewandelt, und die Zahl der Arbeitnehmer, die im Homeoffice arbeiten, ist rasant angestiegen. Bis zum Beginn der Covid-19-Pandemie war das Arbeiten im Home­office überwiegend als Teil der Tätigkeit im Außendienst oder in der IT-Branche bei Mitarbeitern ohne festen Arbeits­platz im Unternehmen üblich und sonst kaum verbreitet. Nunmehr erbringt der klassische kaufmännische Angestellte seine Arbeitsleistung – entweder gezwungenermaßen oder freiwillig – nur noch oder im Schichtwechsel aus seinem häuslichen Umfeld heraus. Eine gesetzliche Definition von Homeoffice-Arbeit gibt es nicht. Umgangssprachlich ge­meint ist das gelegentliche oder ständige Arbeiten beim Ar­beitnehmer zu Hause an dessen privatem Wohnsitz. Ein ge­setzlicher Anspruch auf das Arbeiten im Homeoffice besteht (derzeit) nicht. Das zuletzt geplante, aber zunächst bis auf Weiteres gestoppte Mobile-Arbeit-Gesetz enthielt in seinem zweiten Gesetzesentwurf lediglich noch eine Erörterungs­pflicht des Arbeitgebers über die Möglichkeiten des mobilen Arbeitens. Der erste Entwurf sah noch einen Rechtsan­spruch auf eine Homeoffice-Tätigkeit vor, was auf erhebli­chen Protest auf Arbeitgeberseite gestoßen war und daher vom Bundeskanzleramt gestoppt wurde. Aufgrund der pan­demischen Lage waren Arbeitgeber zuletzt nach § 2 Abs. 4 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung verpflichtet, den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung (Homeoffice) auszuführen, wenn keine zwingenden be­triebsbedingten Gründe entgegenstehen. Mit Wirkung zum 1. Juli 2021 wurden die Vorschriften zum betrieblichen In­fektionsschutz der positiven Entwicklung des rückläufigen Infektionsgeschehens angepasst, womit die Homeoffice-An­gebotspflicht Ende Juni dieses Jahres auch schon wieder ab­gelaufen war; was im Übrigen auch für die in § 28b Abs. 7 Infektionsschutzgesetz (IfSG) daneben verankerte Angebotspflicht gilt. Denn gemäß § 28b Abs. 10 IfSG gilt § 28b Abs. 7 IfSG nur für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, längstens jedoch bis zum Ablauf des 30. Juni 2021. Unabhängig davon wird die Tätig­keit im Homeoffice ihren Siegeszug sicherlich fortführen. Für viele bringt diese Form der Arbeit Kosteneinsparungen und Zeitgewinn, weil Fahrtkosten und -zeiten entfallen. Die erhöhte Flexibilität, auch in zeitlicher Hinsicht, führt im Re­gelfall zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruflichem und Privatem. Es besteht allerdings auch die Gefahr des Kontakt­verlusts und der Ablenkung durch das häusliche Umfeld oder aufgrund familiärer Verhältnisse. Kinderbetreuung und Arbeit zugleich lassen sich nicht effizient bewältigen. Vielen fällt es zudem schwer, eine Trennung von Beruf und Privat­leben zu organisieren. Das Ganze vermengt und vermischt sich, was zu Überforderungen führen kann. Für den Arbeit­geber wiederum bietet die Tätigkeit im Homeoffice – neben einer gesteigerten Produktivität – erhebliche Kosteneinspar­potenziale, da Arbeitsplätze vor Ort geteilt oder gar ganz aufgelöst werden können.

Crowdworking

Weitgehend unbekannt ist bis dato das sogenannte Crowd­working oder Crowdsourcing. Damit bezeichnet man eineneue Art von online vermittelter Arbeit. Auftraggeber bieten über Crowdworking-Plattformen inhaltlich und zeitlich ab­gegrenzte Aufgaben an Personen (die Crowd oder die Crowdworker) an, die diese Aufgaben gegen Bezahlung be­arbeiten. Crowdwork wird in der Regel bei Arbeitstätigkei­ten eingesetzt, die aus dem kreativen Bereich stammen. Ty­pische Berufsfelder, die sich für das Crowdworking im virtu­ellen Umfeld eignen, sind unter anderem Programmierer, Grafiker, Journalisten, Architekten oder Designer. Crowd­work bietet für beide Seiten eine ganze Reihe von Vorteilen. Zum einen können Arbeitgeber ihren Mitarbeiterbedarf indi­viduell steuern und sparen sich die Kosten für feste Arbeits­kräfte. Sie profitieren zudem von der Kreativität der Crowd­worker, die wiederum nach für sie optimalen Bedingungen freischaffend tätig sein können. Gerade darin liegt aber auch zugleich das Problem. Derart freie Arbeitsbeziehungen wer­den – vor allem von den Auftraggebern – gerne als Werk- oder Dienstleistung ein­gestuft, sodass eine arbeits- und sozial­versicherungsrechtliche Absicherung ins Leere läuft. Ob Crowdworker abhängig beschäftigt oder tatsächlich selbstständig tätig sind, ist gesetzlich nicht geregelt. Aufgrund der Diversität der Aufgaben, Einsatzgebiete sowie der rechtlichen Aus­gestaltung der Zusammenarbeit lässt sich der sozialversicherungsrechtliche Status nicht pauschal fest­legen, sondern muss in jedem Einzelfall anhand der konkre­ten Tätigkeit und Ausführung des Auftrags beurteilt werden. Jedenfalls lässt das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine erste Tendenz erkennen, auch solche Mitarbeitergruppen eher als Arbeitnehmer einzustufen (BAG, Urteil vom 01.12.2020 – 9 AZR 102/20). Auch der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat zuletzt die Problematik und den Regelungsbedarf der neuen Arbeitsform des Crowdworkings benannt und ein Eckpunktepapier vorgestellt, um zukünftig die Crowdwor­ker besser zu schützen. Geplant ist hier zum Beispiel eine verpflichtende Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversi­cherung unabhängig vom sozialversicherungsrechtlichen Status.

Remote-Arbeit

Remote Work bedeutet so viel wie Fernarbeit. Ein Synonym ist der Begriff Mobile Office. Sie kann an jedem beliebigen Ort unter Einsatz moderner Technologien und Kommunikati­onsmittel erledigt werden. Im Unterschied zum Homeoffice erbringen die digitalen Nomaden ihre Arbeitsleistung nicht nur in ihren eigenen vier Wänden, sondern auch an jedem frei wählbaren Ort; im Zweifel auch am anderen Ende der Welt. In den USA sollen bereits 2,6 Prozent der Berufstäti­gen vollständig im Remote-Modus sein. Hierzulande waren die Vorbehalte lange Zeit erheblich: Arbeitnehmer befürch­teten Nachteile für die eigene Karriere, Arbeitgeber hinge­gen vermuteten einen Kontrollverlust und fehlenden Wis­sensaustausch unter den Beschäftigten. Doch mit Beginn der Pandemie wurde auch der Weg in die mobile Arbeit in immer mehr Betrieben geebnet. Auch diese Arbeitsform bie­tet rechtliche Herausforderungen: von der Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status über Fragen zum Da­ten- und Arbeitsschutz bis zu Problemen bei der Einhaltung und Kontrolle der Arbeitszeitvorgaben nach dem Arbeitszeit­gesetz.

Fazit und Ausblick

Die Arbeitswelt wird keine komplett neue, sie wird aber nach und nach eine andere sein. Arbeitgeber sind im Kampf um die High Potentials gut beraten, die breite Palette an Arbeits­formen in ihr Arbeitsprogramm aufzuneh­men und sich (weiter) neu aufzustellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Denn die Pandemie hat gezeigt, dass gut qualifi­zierte und bereitwillige Mitarbeiter nach solch flexiblen Arbeitsformen verlangen, da sie anderenfalls selbst nicht mehr in der Lage und auch nicht willens sind, ihre Arbeitsleistung in traditioneller Art und Weise zu erbringen und zu leisten. Dabei werden vor allem das Arbeiten im Homeoffice, das mobile Arbeiten oder Remote Work eine immer gewichtigere Rolle bei den besonderen Arbeitsformen spielen.

Zu den Autoren

Dr. Oliver Hahn

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie Partner und Gründer der DREITOR Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB Kittelberger Hahn Kärcher Heilemann in Reutlingen.

Weitere Artikel des Autors
Aylin Zons

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei DREITOR Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB in Reutlingen

Weitere Artikel der Autorin