Die Bundesregierung plant, den Neubau von Mietwohnungen mit Steueranreizen zu fördern. Was in der Theorie gut klingt, stößt in der Praxis auf Kritik.
Guter Rat ist bekanntlich teuer. In heutigen Zeiten könnte das Sprichwort allerdings auch lauten: Wohnen ist teuer. Denn insbesondere in Ballungsräumen gerät bezahlbarer Wohnraum zunehmend zum knappen Gut. Die Bundesregierung hat daher letztes Jahr eine Wohnraumoffensive gestartet, um des Problems Herr zu werden. Ein Baustein des Maßnahmenpakets ist das Gesetz zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus. Durch eine zeitlich begrenzte Sonderabschreibung sollen Vermieter angespornt werden, erschwinglichen Wohnraum zu schaffen. Die Idee ist indes nicht neu. Bereits 2016 unternahm die damalige Bundesregierung den Versuch, den Mietwohnungsbau mit einer Sonderabschreibung anzukurbeln. Das Vorhaben scheiterte seinerzeit jedoch – die Koalitionspartner konnten sich nicht einigen. Wird es dieses Mal gelingen?
Neubauförderung 2.0
Der Gesetzentwurf sieht vor, einen neuen § 7b Einkommensteuergesetz (EStG) einzuführen. Die dort enthaltene Sonderabschreibung soll im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren jeweils bis zu fünf Prozent betragen. Sie soll neben die lineare Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 EStG treten, sodass über einen Vierjahreszeitraum bis zu sieben Prozent der Bemessungsgrundlage pro Jahr abgeschrieben werden können. Nach dem Gesetzentwurf kann die Sonderabschreibung nur in Anspruch genommen werden, wenn
- durch Baumaßnahmen aufgrund eines nach dem 31. August 2018 und vor dem 1. Januar 2022 gestellten Bauantrags oder einer in diesem Zeitraum getätigten Bauanzeige neue, bisher nicht vorhandene Wohnungen geschaffen werden, die die Voraussetzungen des § 181 Abs. 9 Bewertungsgesetz (BewG) erfüllen; hierzu gehören auch die zu einer Wohnung gehörenden Nebenräume,
- die Anschaffungs- oder Herstellungskosten 3.000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche nicht übersteigen und
- die Wohnung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden neun Jahren der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dient.
Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass die Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibung – unabhängig von den tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten – auf maximal 2.000 Euro je Quadratmeter begrenzt ist. Falls die tatsächlichen Kosten unterhalb dieser Grenze liegen, sind diese als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Die Sonderabschreibung soll rückwirkend entfallen, wenn der begünstigte Wohnraum innerhalb von zehn Jahren nach
Anschaffung/Herstellung
- nicht mehr der Vermietung zu Wohnzwecken dient,
- steuerfrei veräußert wird oder
- durch nachträgliche Baumaßnahmen die Anschaffungs-/Herstellungskostengrenze von 3.000 Euro je Quadratmeter überschreitet.
Kritik im Gesetzgebungsverfahren
Dem Bundesrat war es allerdings im Gesetzgebungsverfahren ein Dorn im Auge, dass die Förderung nicht zusätzlich an eine Miethöchstgrenze gekoppelt ist. In seiner Stellungnahme bat er die Bundesregierung deshalb um Prüfung, ob die Miethöhe innerhalb des zehnjährigen Kontrollzeitraums begrenzt werden könne. Der Bundesrat forderte außerdem: Im Falle der Veräußerung der begünstigten Wohnung soll die Sonderabschreibung insgesamt – unabhängig davon, ob der Erwerber die Wohnung weiterhin zu fremden Wohnzwecken vermietet – rückgängig gemacht werden.
Anhörung der Verbände
Bei der Anhörung der Verbände zeichnete sich ab, dass das Gesetz in der Praxis keine Begeisterungsstürme auslösen wird. Auch der Deutsche Steuerberaterverband e. V. (DStV) übte in seinen Stellungnahmen S 09/18 und S 15/18 nachdrückliche Kritik. Dabei monierte er unter anderem, dass die Anschaffungs-/ Herstellungskostengrenze von 3.000 Euro je Quadratmeter mit Blick auf die Immobilienpreisentwicklung in den Ballungsräumen zu niedrig ist. Gerade in den Lagen, in denen das Gesetz eigentlich seine vermeintlich preisdämpfende Wirkung entfalten müsste, kann die Förderung aufgrund der Marktpreise womöglich nicht in Anspruch genommen werden. Scharf kritisiert hat der Verband außerdem den Vorschlag des Bundesrats zur generellen Rückgängigmachung der Sonderabschreibung im Veräußerungsfall: Es widerspreche dem Sinn und Zweck des Gesetzes, die geplante Flexibilität aufzuheben. Denn auch sie stelle einen nicht zu unterschätzenden Anreiz dar. In diesen Fällen wäre nicht nur der Steuerminderungseffekt obsolet. Der Steuerpflichtige würde durch die Rückabwicklung der Vorjahre überdies mit den steuerlichen Zinsen belastet.
Kritik aus der Praxis
Der Eindruck, dass der Gesetzentwurf insgesamt nicht der große Wurf ist, verfestigte sich in der am 19. November 2018 hierzu durchgeführten öffentlichen Anhörung vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages. Der DStV war dort als einer der Sachverständigen vertreten. Im Zentrum der Kritik standen dabei nicht so sehr die juristischen Feinheiten des Entwurfs. Vielmehr wurden grundsätzliche Bedenken im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit des Gesetzesvorhabens geäußert. Vertreter der Immobilienwirtschaft und des Handwerks etwa wiesen darauf hin, dass in Zeiten voller Auftragsbücher ein nur punktueller Investitionsanreiz zu steigenden Preisen führen werde – oder der Effekt vollständig verpuffe, weil die Kapazitäten schlechterdings erschöpft seien. Generell wurde bezweifelt, dass durch eine derartige Förderung in Zeiten niedriger Zinsen und steigender Immobilienpreise zusätzliche Investitionsanreize geschaffen werden können. Stattdessen befürchteten einige Sachverständige reine Mitnahmeeffekte. Von verschiedener Seite, so auch vom DStV, wurde dafür plädiert, vorzugsweise die regulären Abschreibungsmöglichkeiten zu verbessern – statt durch eine zeitlich befristete Sonderabschreibung die aktuelle Baukonjunktur unter Umständen zusätzlich zu befeuern und weitere Bürokratie zu schaffen. Angesichts der hagelnden Kritik fragte die Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe (SPD) gegen Ende der Anhörung schließlich: „Ich habe nach den letzten eineinhalb Stunden eine ganz kurze Frage: Gibt es irgendjemanden in dieser Anhörung, der dieses Gesetz gut findet? Ich glaube nicht.“ Die vorherrschende Reaktion im Kreise der Sachverständigen war denn auch entsprechend: betretenes Schweigen. Genützt haben die Anmerkungen vonseiten der Praxis indes wenig: Der Bundestag hat den Gesetzentwurf am 29. November 2018 in einer nur geringfügig angepassten Fassung verabschiedet.
Schicksal des Gesetzes ungewiss
Am 14. Dezember 2018 sollte sich eigentlich der Bundesrat mit dem Gesetz befassen. Allerdings wurde der entsprechende Punkt kurzfristig von der Tagesordnung genommen. Theoretisch kann das Gesetz von einem der Länder oder der Bundesregierung erneut auf die Agenda gesetzt werden. Solange das nicht passiert, liegt das Vorhaben auf Eis. Bis zur Bundesratssitzung am 12. April 2019 war von dem Gesetz jedenfalls keine Spur. Die nächste Möglichkeit für eine Beratung hat der Bundesrat am 17. Mai 2019. Ob das Gesetz dann das Licht der Welt erblicken wird, bleibt weiter offen.
Fazit und Ausblick
Vermieter dürften genau abwägen, ob die Inanspruchnahme der Förderung betriebswirtschaftlich sinnvoll ist.
Wohnen wird häufig als die maßgebliche soziale Frage unserer Zeit bezeichnet. Die geplante steuerliche Förderung des Mietwohnungsneubaus in Form einer Sonderabschreibung dürfte zu deren Lösung jedoch nur wenig beitragen. Zudem steckt der Gesetzgeber mit dem Vorhaben in einem Dilemma: Durch Beschränkung der Anschaffungs-/ Herstellungskosten auf 3.000 Euro je Quadratmeter – die bereits jetzt ersichtlich zu niedrig bemessen sind – soll verhindert werden, dass die Förderung dem Bau von Wohnungen in höheren Preissegmenten zugutekommt. Allerdings verhindert eine solche Grenze nicht, dass die geförderten Wohnungen in angespannten Marktlagen trotzdem zu Preisen angeboten werden, die für Geringverdiener unerschwinglich bleiben. Verständlicherweise wurden deshalb Rufe nach einer Mietobergrenze für die geförderten Objekte laut. Das verringert die Attraktivität der Sonderabschreibung in der aktuellen Marktsituation allerdings zusätzlich. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Sonderabschreibung lediglich einen Steuerstundungseffekt zur Folge hat, der zwar mit Liquiditätsvorteilen einhergeht; eine tatsächliche Steuerentlastung wird hierdurch gleichwohl nicht erreicht. Vermieter dürften deshalb genau abwägen, ob die Inanspruchnahme der Förderung betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Möchte der Gesetzgeber an seinem Wunsch festhalten, den Mietwohnungsneubau steuerlich zu fördern, wäre ein beherzteres Vorgehen wünschenswert. So könnten etwa die Erwerbsnebenkosten und hierbei insbesondere die in vielen Bundesländern inzwischen schwindelerregend hohen Grunderwerbsteuersätze gesenkt werden. Damit wäre nicht nur den Mietern, sondern auch potenziellen Eigenheimbesitzern geholfen. Eine zielgenaue steuerliche Förderung von Mietwohnungsneubauten in erschwinglichen Preisregionen hingegen gleicht im aktuellen Marktumfeld der Quadratur des Kreises.
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