Wirtschaftsstandort Usbekistan - 29. Juni 2023

Geschäfte an der Seidenstraße

Ein aufstrebendes Land in Zentralasien entwickelt sich zu einem der attraktivsten Staaten für potenzielle Investitionen. Unternehmen, für die ein betrieblicher Einstieg dort von Interesse ist, sollten dafür kompetente Beratung, auch im internationalen Steuerrecht, in Anspruch nehmen.

Laut seiner Verfassung ist Usbekistan eine republikanische Demokratie. Mit rund 34 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist der Staat das bevölkerungsreichste Land in der Region. Es grenzt im Südwesten an Turkmenistan, im Norden an den Aralsee und Kasachstan sowie an Tadschikistan und Kirgistan im Süden und Osten. Damit hat Usbekistan eine gemeinsame Grenze mit den vier weiteren Staaten in Zentralasien. Usbekistan zeichnet sich nicht nur durch seinen Reichtum an natürlichen Ressourcen, sondern auch seine günstige Lage an der historischen Seidenstraße aus. Liberale Wirtschaftsreformen seit Antritt des Staatspräsidenten Shavkat Mirziyoyev im Jahr 2016 und ein daraufhin erheblich verbessertes Investitionsklima machen Usbekistan zu einem neuen und sehr interessanten Markt in Zentralasien. Nach Angaben von der Germany Trade and Invest – Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH (GTAI) ist deutsches Kapital an mehr als 200 lokalen Unternehmen zumindest teilweise beteiligt.

Aufenthalt in Usbekistan

Der Aufenthalt für Staatsangehörige von mehr als 76 Staaten ist ohne das Erfordernis eines Visums für bis zu 30 Tage möglich. Für Staatsangehörige der ehemaligen sowjetischen Republiken Aserbaidschan, Armenien, Kasachstan, Russland, Georgien, Belarus, Moldau und die Ukraine gilt der Grundsatz der visafreien Einreise ohne eine solche zeitliche Begrenzung. Wichtig ist, dass für die Ausübung einer Arbeitstätigkeit respektive für einen projektbezogenen Aufenthalt Ausländer eine Genehmigung beziehungsweise ein Visum vorlegen müssen. Für den Erhalt einer Arbeitsgenehmigung sollten knapp zwei Monate eingeplant werden. Die Ausstellung eines Visums beansprucht in der Regel einen Monat. Für ausländische Unternehmen, die in Usbekistan Investitionen getätigt haben, gelten insoweit Ausnahmen.

Investitionsklima

Usbekistan hat eine Reihe von Reformen verabschiedet, die den Schutz sowie Förderungen von Investitionen zum Gegenstand haben. Mit dem Gesetz „Über Investitionen“ aus dem Jahr 2020 werden die Investoren unter anderem vor künftigen Gesetzesänderungen geschützt, die sich nachteilig auf getätigte Investitionen auswirken könnten. Ändern sich beispielsweise die rechtlichen Rahmenbedingungen und verschlechtern sich dadurch die Investitionsbedingungen, wird stets auf das Recht abgestellt, das zum Zeitpunkt der getätigten Investition galt. Der beschriebene Schutz der Investitionen gilt für eine Zeitspanne von zehn Jahren. Investoren haben aber auch das Recht, das jeweils geltende Recht anzuwenden, wenn dies für sie günstigere Bedingungen schafft. Neben der Einrichtung von diversen Sonderwirtschaftszonen, die auf den Ausbau einzelner Wirtschaftszweige abzielen und folgerichtig – je nach Umfang von Investitionen – eine Befreiung von der Körperschaftsteuer vorsehen, gibt es weitere Vergünstigungen, unter anderem in der Textil- und Fleischverarbeitungsindustrie sowie bei Milcherzeugnissen im weiten Sinne. Die Wirtschaftsbereiche, die gefördert werden, sind einer Präsidialverordnung zu entnehmen, die in regelmäßigen Abständen überarbeitet wird. Ausländischen Unternehmen, die Projekte zur Erkundung von Erdöl- und Erdgasvorkommen durchführen, erhalten weitere Privilegien. Dies sind unter anderem Exklusivrechte zur Exploration von Bodenschätzen in bestimmten Regionen, wobei die Erkundung entweder über ein Joint Venture oder auf Grundlage einer Konzession erfolgen kann. Investoren und Subauftragnehmer werden für die Dauer der Erkundungsarbeiten von der Entrichtung aller Arten von Steuern und Abgaben an die Sozialversicherungsträger befreit. Außerdem werden ausnahmsweise keine Zollgebühren beim Import von Anlagen sowie materiell-technischen Ressourcen erhoben, die für die Erkundung und damit zusammenhängende Projekte erforderlich sind.

Markteintritt

Ausländische Investoren können ihre Tätigkeit in Usbekistan ausüben, indem sie eine steuerliche Betriebsstätte gründen oder Repräsentanzen registrieren. Eine Tochtergesellschaft in Form einer juristischen Person mit beschränkter Haftung ist eine weitere Alternative des Markteintritts. Repräsentanzen ausländischer Unternehmen werden nicht als eigene selbstständige juristische Personen betrachtet. Sie sind unselbstständige Niederlassungen der ausländischen Gesellschaft. Der Leiter der Repräsentanz agiert auf Grundlage einer Repräsentanzordnung sowie einer ihm von der ausländischen Gesellschaft ausgestellten Vollmacht. Der Markteintritt in Form einer Repräsentanz erfordert eine Akkreditierung beim Ministerium für Investitionen und Außenhandel. Ausländischen Unternehmen ist in der Regel die Registrierung eines Tochterunternehmens in Form einer GmbH zu empfehlen. Die Beteiligung kann zu 100 Prozent bei der ausländischen Muttergesellschaft liegen. Eine GmbH, die lokal als OOO bezeichnet wird, ist meistens die geeignetste Rechtsform für den Markteintritt. Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft bietet die Gründung einer OOO verschiedene Vorteile. Die sind unter anderem geringe Anforderungen an die buchhalterischen Reporting-Pflichten, eine einfache Struktur der gesellschaftsrechtlichen Verwaltungsorgane sowie das Fehlen einer strengen staatlichen Kontrolle. Das Mindeststammkapital liegt im Regelfall bei unter 1.000 Euro. Die Gesellschafterversammlung ist das oberste Organ der OOO. Diese wird durch einen oder mehrere Geschäftsführer geleitet. Weitere Organe wie etwa ein Aufsichtsrat können, müssen aber nicht eingerichtet werden. Im Vergleich zur steuerlichen Betriebsstätte kann aus steuerlicher Sicht bei einer OOO eine klare Gewinnabgrenzung gegenüber der Muttergesellschaft vorgenommen werden. Dies ist bei einer bloßen steuerlichen Betriebsstätte nicht der Fall. Das usbekische Steuergesetzbuch enthält – trotz mehrfacher Reformen in den vergangenen drei Jahren – nach wie vor keine Bestimmungen zu der Frage einer Gewinnabgrenzung zwischen der Betriebsstätte und dem Stammhaus. Die insoweit konsequente Anwendung der Regelungen zur Gewinnabgrenzung des zwischen Usbekistan und der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) wird dadurch erheblich erschwert. Hinzu kommt, dass die steuerliche Betriebsstätte als Umsatzsteuerzahlerin registriert werden muss. Insoweit ergeben sich keine Vorteile gegenüber einer OOO.

Usbekisches Steuerrecht

Das usbekische Steuerrecht hat seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten eine Reihe von Reformen erfahren. Eine der verbliebenen Besonderheiten ist die Tatsache, dass in Usbekistan Verbrauchsteuern jährlich durch eine Verordnung des Präsidenten neu festgesetzt werden. Andere Steuersätze werden in der usbekischen Abgabenordnung, dem usbekischen Steuergesetzbuch, selbst festgelegt. Die umsatzsteuerlichen Regelungen haben die meisten Veränderungen erfahren. Dieser Steuersatz betrug 2019 noch 20 Prozent und ist anschließend auf 15 Prozent herabgesetzt worden. Ab dem 1. Januar 2023 soll nach Vorstellung des Präsidenten der Steuersatz auf 12 Prozent reduziert werden. Neben den Reformen des Umsatzsteuerrechts hat es zuletzt auch Kritik an dem eingeführten System zur Risikobewertung der Zuverlässigkeit von Umsatzsteuerzahlern gegeben. Das automatisierte System stufte in der Praxis eine Vielzahl von Steuerzahlern als unzuverlässig ein. Die Versagung des Umsatzsteuerabzugs sowie die Zwangsabmeldung als Umsatzsteuerzahler führt in der Praxis nach wie vor zu Herausforderungen. Die Steuersätze sind vergleichsweise moderat und betragen bei der Körperschaftsteuer 15 Prozent, bei der Grundsteuer 1,5 Prozent, bei der Einkommensteuer 12 Prozent. Ähnlich wie in anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion muss beim Verkauf von Waren oder Dienstleistungen eine gesonderte Umsatzsteuerrechnung, die sogenannte Schyot-Faktura-Rechnung, ausgestellt werden. Es handelt sich um ein eigenständiges und obligatorisches Dokument, das sowohl in Papier- als auch in digitaler Form ausgestellt werden kann beziehungsweise muss. Insoweit gilt ein strenges Formerfordernis. Die Formvorschriften sowie Richtlinien zum Ausfüllen der Umsatzsteuerrechnung werden vom usbekischen Finanzministerium festgelegt und sind strikt einzuhalten. Zwischen der Republik Usbekistan und mehr als 50 Staaten existieren Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung zu Steuern von Einkommen und von Vermögen. Das DBA mit der Bundesrepublik Deutschland stammt aus dem Jahr 1999 und ist zuletzt durch das Änderungs- und Ergänzungsprotokoll vom 14. Oktober 2014 aktualisiert worden.

Internationales Steuerrecht

Vor einem Markteintritt muss die Anwendung des internationalen Steuerrechts von einem international erfahrenen Steuerberater mit Kenntnissen des lokalen Steuerrechts unbedingt überprüft werden. Die lokale Anwendungspraxis der usbekischen Steuerbehörden ist stets zu berücksichtigen, da es anderenfalls aufgrund der noch nicht ausgeprägten Anwendungspraxis zu einer faktischen Doppelbesteuerung kommen kann. Fragen zur Entstehung einer steuerlichen Betriebsstätte und deren Klärung nach gefestigten Grundsätzen des internationalen Steuerrechts stehen oft im Widerspruch zum lokalen usbekischen Steuerrecht und werden in der Praxis von den usbekischen Steuerbehörden nicht selten nachrangig oder gar nicht beachtet. Ähnlich verhält es sich bei Fragen zur Abzugsfähigkeit von projektbezogenen Aufwendungen, die zwar im Stammhaus entstanden sind und nach den Regelungen des DBA korrekterweise in Usbekistan geltend gemacht werden können. In der Praxis kommt es aber nicht selten dazu, dass an den Nachweis solcher Aufwendungen strenge lokale, also usbekische Anforderungen gestellt werden, die vom Stammhaus nicht oder nur unter einem unverhältnismäßigen Aufwand erfüllt werden können.

Fazit

Die Reformfreudigkeit der usbekischen Regierung macht das Land trotz einzelner noch zu überwindender Hürden zu einem interessanten Investitionsstandort in Zentralasien. Usbekistan wird seine Strategie zur Entwicklung der freien Marktwirtschaft fortsetzen. Privatisierung von Staatsbetrieben sowie eine weitere Digitalisierung der Verwaltung sind einige von vielen neuen Ansätzen der usbekischen Regierung. Die Stärkung des Grundsatzes eines fairen Wettbewerbs durch Verabschiedung von Vergaberichtlinien sowie die schrittweise Auflösung der Monopolstellung staatlicher Betriebe sind weitere Ziele Usbekistans, um noch mehr ausländische Investoren anzulocken. Der immer noch vorhandene Bedarf in allen Branchen dürfte eine Fülle von Absatzchancen und Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen bieten.

Zum Autor

MQ
Michael Quiring

Rechtsanwalt und Partner bei Rödl & Partner in Zentralasien. Als stellvertretender Niederlassungsleiter Zentralasiens ist er lokal für die Niederlassungen in Almaty (Kasachstan) sowie in Taschkent (Usbekistan) verantwortlich.

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