E-Invoicing - 29. Februar 2024

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gilt sie derzeit als „one of the hottest topics in taxation“ – die E-Rechnung. Und auch wenn sich die Stimmen mehren, die eine Verschiebung um wenigstens ein Jahr fordern, ist eines sicher: Sie wird kommen.

Der internationale Vergleich zeigt: Die Europäische Union (EU) liegt mit Ausnahme von Italien – dort ist die E-Rechnung für nationale B2B-Umsätze bereits seit 2019 verpflichtend – weit zurück. Für südamerikanische Länder, wie beispielsweise Mexiko, Chile und Peru, ist E-Invoicing bereits seit circa 20 Jahren Tagesgeschäft. Inzwischen haben die EU und ihre Mitgliedstaaten den Aufholbedarf erkannt – gilt doch das aktuelle, 1993 eingeführte Mehrwertsteuersystem noch immer als Übergangslösung. Mit der VAT in the Digital Age-Initiative (ViDA), ein Vorhaben zur Modernisierung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie und zur Eindämmung des Mehrwertsteuerbetrugs, hat die EU-Kommission den ersten Grundstein für die Einführung der E-Rechnung bei innergemeinschaftlichen Umsätzen zum 1. Januar 2028 gesetzt. Mit dem Wachstumschancengesetz möchte Deutschland nun ViDA zuvorkommen und die E-Rechnung für nationale B2B-Umsätze ab dem 1. Januar 2025 verpflichtend einführen.

VAT in the Digital Age (ViDA)

Am 8. Dezember 2022 hat die EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag vorgestellt, mit dem das Mehrwertsteuersystem der EU modernisiert und für die Unternehmen effizienter sowie betrugsresistenter werden soll. Der Entwurf sieht ein umfangreiches Maßnahmenpaket vor. Eine Säule bildet die Einführung eines elektronischen Echtzeit-Meldesystems für innergemeinschaftliche Umsätze. Ab dem Jahr 2028 soll so die Zusammenfassende Meldung ersetzt werden. Die E-Rechnung soll hierfür zum neuen Standardverfahren bei der Rechnungsstellung werden. Der in der Richtlinienvorlage skizzierte Zeitplan sieht eine Einführung in zwei Schritten vor. Ab dem 1. Januar 2025 sollte zunächst eine neue Definition für die E-Rechnung eingeführt werden. Als E-Rechnung gilt eine Rechnung, wenn sie in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen werden kann. Die in der Praxis weit verbreitete Rechnung als PDF, die nach der bisherigen Rechtslage eine E-Rechnung darstellt, erfüllt die Anforderungen dann nicht mehr. Vielmehr wird künftig ein XML-Format vorausgesetzt, das eine automatische und elektronische Verarbeitung ermöglicht. Für das menschliche Auge ist eine Rechnung im XML-Format nicht ohne weiteres lesbar und erfordert eine Konvertierung. Der Richtlinienvorlage nach sollte die Übermittlung einer solchen E-Rechnung ab dem 1. Januar 2025 ohne Zustimmung des Rechnungsempfängers – bisher war eine Vereinbarung zwischen den Parteien erforderlich – möglich sein. Rechnungen können übergangsweise jedoch zunächst weiter als Papierrechnung und Rechnung in anderen elektronischen Formaten, etwa PDF, gestellt werden. Ab dem 1. Januar 2028 soll die E-Rechnung für innergemeinschaftliche Umsätze grundsätzlich verpflichtend werden. Der Richtlinienentwurf sieht dann deutlich verkürzte Ausstellungsfristen für die Rechnungsstellung vor: Spätestens zwei Werktage nach Leistungserbringung muss die E-Rechnung ausgestellt sein. Dies dürfte Unternehmen – sollte die Regelung so tatsächlich kommen – in der Praxis vor nicht unerhebliche Herausforderungen stellen. Darüber hinaus ist die E-Rechnung um weitere Rechnungsangaben wie die IBAN der leistenden Unternehmerin oder des leistenden Unternehmers sowie das Fälligkeitsdatum der Zahlung zu erweitern. Sammelrechnungen sollen zudem nicht mehr zulässig sein. Der ambitionierte Zeitplan stößt politisch inzwischen zunehmend auf Widerstand. Die Fachkommission für Wirtschaftspolitik (ECON) hat zuletzt eine Verschiebung um mindestens ein Jahr angeregt. Und auch das EU-Parlament hat sich mittlerweile dafür ausgesprochen, den Zeitplan zu entspannen. Es bleibt daher abzuwarten, wie der finale Zeitplan am Ende aussehen wird.

Wachstumschancengesetz

Angestoßen von der ViDA-Initiative der EU-Kommission, bemühen sich Mitgliedstaaten nun zunehmend um eine Einführung der E-Rechnung auf nationaler Ebene. Um bereits im Vorgriff auf die kommende EU-Richtlinie tätig werden zu können, hat Deutschland die für die Einführung einer nationalen Regelung erforderliche Ermächtigung beantragt und am 25. Juli 2023 erhalten. Mit dem am 17. November 2023 vom Bundestag verabschiedeten Wachstumschancengesetz möchte der Gesetzgeber den § 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) nun umfassend revidieren und die E-Rechnung für nationale B2B-Leistungen in Deutschland als Standardverfahren etablieren. Nachdem der Bundesrat das Wachstumschancengesetz vorerst gestoppt und in den Vermittlungsausschuss geschickt hat, steht nun noch eine Zustimmung des Bundesrats in seiner nächsten Sitzung am 22. März 2024 aus. In den Anwendungsbereich der Neuregelung fallen Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, soweit beide beteiligte Parteien (Unternehmer) in Deutschland ansässig sind. Erforderlich sind hierfür ein Sitz, eine Geschäftsleitung, eine am Umsatz beteiligte (umsatzsteuerrechtliche) Betriebsstätte oder ein Wohnsitz beziehungsweise gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland (§ 14 Abs. 2 S. 6 UStG-E). Ein ausländischer Unternehmer, der in Deutschland umsatzsteuerlich registriert, aber nicht ansässig ist, wird folglich keine E-Rechnungen empfangen oder ausstellen müssen. Maßgebend ist im Übrigen der Unternehmerbegriff im Sinne des § 2 UStG; es gibt keine Ausnahmen für bestimmte Berufsgruppen, wie beispielsweise Steuerberater und Rechtsanwälte. Darüber hinaus sieht der Entwurf auch Ausnahmen für Kleinbetragsrechnungen bis 250 Euro ebenso wie für Fahrausweise vor.

Zeitrahmen

In seiner aktuellen Fassung sieht der Gesetzesentwurf eine schrittweise Einführung der E-Rechnung ab dem 1. Januar 2025 vor. Zunächst soll die bisher bestehende Zustimmungspflicht zum Empfang einer E-Rechnung entfallen. Das bedeutet, dass jeder Unternehmer, der Leistungen von anderen inländischen Unternehmern bezieht, in der Lage sein soll, E-Rechnungen empfangen und verarbeiten zu können. Für die Ausstellung von E-Rechnungen hingegen sind verschiedene Übergangsfristen vorgesehen (§ 27 Abs. 39 UStG-E). Bis zum 31. Dezember 2026 können noch sonstige Rechnungen, also Rechnungen in Papier- oder anderen elektronischen Formaten wie eine PDF-Datei, ausgestellt werden. Die Frist verlängert sich um ein Jahr auf den 31. Dezember 2027, wenn der Gesamtumsatz des Unternehmers, der die Rechnung stellt, im vorangegangenen Kalenderjahr 800.000 Euro nicht überschritten hat. Spätestens jedoch ab dem 1. Januar 2028 sollen Papier- und PDF-Rechnungen im B2B-Bereich dann endgültig der Vergangenheit angehören. Der angestrebte Zeitplan – immerhin müssten der Empfang und die Verarbeitung von E-Rechnungen bereits zum 1. Januar 2025 gewährleistet werden – stellt Unternehmen vor Hürden. Sie sehen sich einem hohen Umsetzungsaufwand ausgesetzt. Der Bundesrat hat sich in seiner Stellungnahme vom 20. Oktober 2023 der Kritik aus Unternehmens- und Wirtschaftsverbänden angenommen und eine Verschiebung der Einführung um zwei Jahre vorgeschlagen. Es bleibt daher offen, wie die Zeitschiene am Ende sein wird. Mit einer (potenziellen) Verschiebung der Einführung würde Deutschland im Übrigen innerhalb der EU nicht alleine dastehen. So hat beispielsweise auch Frankreich kürzlich die Einführung der verpflichtenden E-Rechnung verschoben.

Anforderungen an eine E-Rechnung

Der Gesetzesentwurf zum Wachstumschancengesetz definiert eine E-Rechnung – in Anlehnung an den Entwurf zur ViDA-Initiative – als eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht (§ 14 Abs. 1 S. 2 UStG-E). Grundsätzlich sind damit alle Datenformate zulässig, soweit sie der europäischen CEN-Norm 16931 entsprechen. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2023 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) inzwischen bestätigt, dass die Formate XRechnung sowie ZUGFeRD (ab Version 2.0.1) die Anforderungen an eine E-Rechnung erfüllen. Bei XRechnung handelt es sich um ein Datenformat, das sich bereits bei der Rechnungsstellung im öffentlichen Auftragswesen (B2G) etabliert hat. Das ZUGFeRD-Format erzeugt als sogenanntes hybrides Format neben einer XML-Datei auch eine für das menschliche Auge lesbare PDF-Datei. Bei inhaltlichen Abweichungen soll die XML-Datei der PDF-Datei jedoch vorgehen. Für in der Praxis bereits (freiwillig) eingesetzte EDI-Verfahren, die nicht der Norm EN 16931 entsprechen, ist zudem ein Bestandsschutz vorgesehen: Die zum Rechnungsaustausch verwendeten Formate sollen auch künftig eingesetzt werden dürfen, wenn aus den Rechnungen ein Datensatz extrahiert werden kann, der der Norm EN 16931 entspricht. Offen bleibt im Gesetzesentwurf hingegen, welche Übertragungswege für E-Rechnungen zwischen Unternehmen vorgesehen sind. Es gilt daher abzuwarten, wie sich das BMF hierzu noch positionieren wird.

Herausforderungen und Chancen

Die Einführung der E-Rechnung in Deutschland wird Unternehmer vor umfangreiche Herausforderungen stellen. Als Rechnungsempfänger müssen sich Unternehmer – unabhängig davon, ob und inwieweit die Einführung noch verschoben wird – darauf vorbereiten, E-Rechnungen ab dem 1. Januar 2025 technisch empfangen und verarbeiten zu können. Besonderer Um­stellungsbedarf ergibt sich für Vermieter, galt doch bisher der Mietvertrag als Rechnung, sowie für Unternehmer, die steuerfreie Leistungen erbringen und daher selbst nicht zur Ausstellung von E-Rechnungen verpflichtet sind, aber den Empfang von E-Rechnungen technisch ermöglichen müssen. Quasiprivate Betreiber von Fotovoltaikanlagen auf Wohnhäusern müssen E-Rechnungen akzeptieren, auch wenn der Grundsatz gilt: keine E-Rechnungen an private Endverbraucher ohne deren Zustimmung. Die Umstellung der technischen Infrastruktur wird mit höheren Investitionskosten verbunden sein. Für international agierende Unternehmen sind die Herausforderungen um ein Vielfaches höher, müssen sie sich doch mit den Regelungen in den einzelnen Ländern auseinandersetzen. Da die Thematik eine Vielzahl von Themen im Unternehmen berührt, ist dringend anzuraten, eine unternehmensinterne E-Rechnungs-Taskforce zu etablieren, die gemeinsam nach Lösungen sucht und die Implementierung, gegebenenfalls mit externer Unterstützung, verantwortet. Aufgaben sind dabei unter anderem

  • eine Bestandsaufnahme der aktuellen Systemlandschaft (Wo sind die Daten zu finden, sind sie gegebenenfalls nicht verfügbar?),
  • die Verifizierung der Stammdaten (Debitoren und Kreditoren), insbesondere in Bezug auf Transportwege (Wo kommt die Ware her, wo geht sie hin?),
  • eine Analyse der Steuerfindung (automatisch versus manuelle Buchungen),
  • die Sicherstellung, dass Geschäftsvorfälle umsatzsteuerlich korrekt im System abgebildet werden,
  • die Überprüfung, ob E-Rechnungen gemäß der europäischen Norm empfangen und erstellt werden können,
  • die Ermittlung etwaiger Auswirkungen auf die interne GoBD-Compliance,
  • die Nutzung von Optimierungspotenzial im Hinblick auf die Rechnungsverarbeitungsprozesse (eingangs- und ausgangsseitig).

Ausblick und Einordnung

Auch wenn es derzeit noch etwas Unsicherheit im Hinblick auf die zeitliche Abfolge gibt, bleibt festzuhalten: Die E-Rechnung kommt. Unternehmen sollten daher die verbleibende Zeit bis zur finalen Umsetzung nutzen, um sich umfänglich darauf – und perspektivisch auch auf das „real time digital reporting“ – vorzubereiten. Die Einführung der E-Rechnung sollte im Übrigen als das gesehen werden, was sie ist: ein Meilenstein in der Digitalisierung automatisierter Rechnungsstellungs- und Buchhaltungsprozesse. Die EU-Kommission hat sich neben der Modernisierung des europäischen Mehrwertsteuersystems auch von dem Gedanken leiten lassen, dass Unternehmen nicht damit belastet werden sollen, wenn sie grenzüberschreitend tätig werden; bisher waren beziehungsweise sind die entsprechenden Kosten um circa mehr als 10 Prozent höher als bei nationalen Transaktionen. Insofern bietet die E-Rechnung den Unternehmen perspektivisch ein enormes Einsparungspotenzial bei den Compliance-Kosten. Sofern die Gelegenheit zur Optimierung von internen Prozessen genutzt wird, dürfte sich das Einsparpotenzial noch deutlich erhöhen. Nach Vorstellung der EU-Kommission sollen die Säulen des ViDA-Vorschlags als Ganzes umgesetzt werden. Es ist daher davon auszugehen, dass die E-Rechnung nicht separat aus dem Richtlinienvorschlag herausgelöst werden wird. Spannend wird sein, wie die technische Umsetzung auf Seiten der deutschen Finanzverwaltung, insbesondere bezüglich des „real time digital reportings“, erfolgen wird.

Zu den Autoren

BJ
Birgit Jürgensmann

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht und Steuerberaterin, Global Head of VAT & Indirect Tax der Mazars Group

Weitere Artikel der Autorin
MB
Michael Bornemann

Mitarbeiter der Indirect Tax Business Community von Mazars in Deutschland

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