Künftiger Arbeitsplatz - 24. Juni 2021

Homeoffice – empfohlen oder Pflicht?

Corona-bedingt sind viele Arbeitnehmer gezwungen, nun von zu Hause aus zu arbeiten. Da stellt sich die Frage, wie es nach dem Ende der Pandemie weitergehen wird. Haben die Mitarbeiter dann einen Anspruch auf diese Arbeitsform oder führt der Weg wieder zurück ins Büro?

Seit Beginn der Covid-19-Pandemie erfährt das Thema Homeoffice eine ungeahnte Dynamik. Die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von zu Hause aus arbeiten, stieg rasant an. Arbeiteten noch 2019 in Deutschland nur rund fünf Prozent der Arbeitnehmer üblicherweise im Homeoffice, waren und sind während der Lockdowns 2020 und 2021 phasenweise bis zu rund 30 Prozent der Arbeitnehmer am heimischen Arbeitsplatz tätig. Denn die Umsetzung dieser Arbeitsform ist während der Corona-Krise keine Alternative, sondern ein Muss, um Infektionsketten im Betrieb zu unterbrechen und Leib und Leben der Arbeitnehmer zu schützen. Sind die Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmern Homeoffice anzubieten, und besteht umgekehrt ein Anspruch darauf? Wie ist die Rechtslage und welche Entwicklung ist zu erwarten?

Gesetzlicher Anspruch auf Arbeiten im Homeoffice

Einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice gibt es in Deutschland derzeit nicht. Nur für den öffentlichen Dienst ist im Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) geregelt, dass der Dienstherr einen Telearbeitsplatz anbieten muss, wenn der Beschäftigte Familien- oder Pflegeaufgaben wahrnehmen muss. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat eine Gesetzesinitiative für eine gesetzliche Regelung zur mobilen Arbeit gestartet (Mobile-Arbeit-Gesetz). Ein erster Gesetzentwurf des BMAS, der in der sogenannten Frühkoordination vom Bundeskanzleramt gestoppt worden war, hatte noch einen verbindlichen Rechtsanspruch auf mobile Arbeit vorgesehen. Der nun durch das BMAS vorgelegte zweite Referentenentwurf enthält dagegen nur noch eine Erörterungspflicht des Arbeitgebers über die Möglichkeiten des mobilen Arbeitens. Auch in anderen EU-Staaten existiert ein gesetzlich verankerter Anspruch auf Homeoffice nicht – entgegen teilweise anderslautender Berichterstattung auch nicht in den Niederlanden, denn nach der dortigen Regelung wird der Arbeitgeber lediglich verpflichtet, einen Homeoffice-Antrag mit dem Mitarbeiter zu besprechen und eine diesbezügliche Ablehnung zu begründen.

Sonstige Anspruchsgrundlagen

Somit beruht die Gestattung von Homeoffice regelmäßig auf einer freiwilligen Entscheidung des Arbeitgebers. Möchte der Arbeitgeber Homeoffice ermöglichen, kann dies arbeitsvertraglich vereinbart werden. So schafft man Klarheit über die Bedingungen für das Arbeiten von zu Hause. Wichtig sind dabei – neben Vereinbarungen über Kostentragung, Ausstattung, Zeiterfassung oder Datenschutz – insbesondere Regelungen über die Anordnung und Beendigung des Homeoffice. Ein Anspruch darauf kann sich auch aus einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ergeben. Derartige kollektive Vereinbarungen werden besonders in größeren Unternehmen häufig geschlossen. Der Betriebsrat hat bei der Ausgestaltung der Arbeit im Homeoffice zwar Beteiligungsrechte, jedoch obliegt die Entscheidung über die Einführung von Homeoffice allein dem Arbeitgeber. Der Betriebsrat kann also die Einführung von Telearbeit weder verhindern noch erzwingen.

Anspruch auf Homeoffice während der Pandemie

Auch die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gemäß § 618 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gebietet es nicht, Homeoffice zu ermöglichen. So wurde dies jedenfalls zuletzt durch das Arbeitsgericht Augsburg (Urteil vom 07.05.2020 – 3 Ga 9/20) und jüngst auch durch das Arbeitsgericht Siegburg (Urteil vom 16.12.2020 – 4 Ga 18/20) entschieden. Der Arbeitgeber sei zwar zu Schutzmaßnahmen verpflichtet, er habe aber bei deren Umsetzung Spielraum. Er könne entscheiden, wie er Infektionsgefahren vermeidet, gegebenenfalls auch durch andere Maßnahmen als Homeoffice.

Anspruch aufgrund der Corona-ArbSchV

Die am 27. Januar 2021 in Kraft getretene und zunächst bis zum 15. März 2021 befristet geltende SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) beinhaltet die Pflicht von Unternehmen, „den Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeit in deren Wohnung (Homeoffice) auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen“ (§ 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV). Von einer Verlagerung der Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten ins Homeoffice kann nach der Verordnung nur bei entgegenstehenden zwingenden betriebsbedingten Gründen abgesehen werden. Solche Gründe können etwa sein,

  • dass die Tätigkeit ihrer Natur nach nicht im Homeoffice möglich ist.
  • dass die Bürotätigkeit mit Nebentätigkeiten verbunden ist, die nur im Betrieb möglich sind.
  • dass dringende Gründe des Datenschutzes oder der beruflichen Verschwiegenheitspflicht entgegenstehen, weil erforderliche Verschlüsselungs- oder Schutzsysteme nur innerhalb der Betriebsstätte implementiert werden können.
  • dass eine Notwendigkeit des ständigen Zugriffs auf nur im Betrieb verfügbare Arbeitsmittel besteht.
  • dass die Einarbeitung neuer Mitarbeiter im Betrieb erforderlich ist.

Prüf- und Dokumentationspflicht des Arbeitgebers

Die Verordnung schafft weder einen gesetzlichen Anspruch oder ein subjektives Klagerecht auf Homeoffice noch eine Verpflichtung zur zwingenden Nutzung dieser Arbeitsform mit Blick auf den Arbeitnehmer. Aber: Für die Arbeitgeber besteht eine Prüfpflicht. Ergänzend ist nach der Begründung der Corona-ArbSchV und mit Blick auf § 22 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) darauf hinzuweisen, dass die Arbeitsschutzbehörden und auch die Berufsgenossenschaften von den Unternehmen die erforderlichen Auskünfte sowie die Überlassung von Unterlagen verlangen können, aus denen sich die Durchführung beziehungsweise die Überwachung der Pflicht zum Homeoffice-Angebot ergibt. Die Arbeitgeber sind auf Verlangen der Arbeitsschutzbehörde auch verpflichtet, die Verweigerung eines Homeoffice-Angebots zu begründen. Das setzt eine innerbetriebliche Dokumentation des Angebots und gegebenenfalls die Ablehnung des Angebots durch den Arbeitnehmer voraus. Darüber hinaus muss eine Vereinbarung über die Nutzung von Homeoffice abgeschlossen werden, aus der sich die Beantwortung der beim Homeoffice üblichen und relevanten Fragen, wie etwa Vertraulichkeit, Datenschutz, Datensicherungsmaßnahmen, Haftung oder Kostentragung, ergibt.

Was kommt nach der Pandemie?

Sind pandemiebedingte Schutzvorkehrungen nicht mehr erforderlich, werden die Arbeitnehmer wieder von ihrem häuslichen Arbeitsplatz in die Betriebe zurückkehren. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, die Tätigkeit am Betriebsstandort einseitig anzuordnen, wenn keine entgegenstehende Vereinbarung zu einer Tätigkeit im Homeoffice besteht. Ein Anspruch des Mitarbeiters auf Fortsetzung der Tätigkeit von zu Hause aus besteht nicht. Ein solcher ergibt sich weder aus einer betrieblichen Übung noch aus einer Konkretisierung des Weisungsrechts. Spannend wird die Antwort auf die Frage, ob die Arbeitgeber nach dem Ende der Pandemie tatsächlich die Rückkehr in den Betrieb anordnen werden oder ob der erzwungene Trend zur Homeoffice-Tätigkeit sich verfestigen wird, weil viele Unternehmen – anders als befürchtet – erkannt haben, dass ein Arbeiten von zu Hause aus doch überwiegend funktioniert. Bereits jetzt kann festgestellt werden, dass die Pandemie wie ein Beschleuniger für das Arbeiten im Homeoffice beziehungsweise für mobiles Arbeiten gewirkt hat. Die Ausnahmesituation hat gezeigt, dass die Arbeitsprozesse sehr schnell digitalisiert und auch ohne Anwesenheit der Mitarbeiter im Betrieb oder Büro durchgeführt werden können.

Vor- und Nachteile des Homeoffice

Wer im Homeoffice arbeitet, bekommt vieles nur über Umwege mit. Während man im Büro oder Betrieb viele Details durch Gespräche mit Kollegen oder Meetings erfährt, muss man sich im Homeoffice auf die Weitergabe der wichtigen Informationen verlassen oder sich diese selbst beschaffen. Darüber hinaus bringt der verringerte Kontakt zu den Kollegen einen gewissen Vereinsamungseffekt mit sich, der auf Dauer ebenfalls negative Auswirkungen haben kann. Im Homeoffice sind zudem ein erhöhter Eigenmotivationsfaktor, ein besseres Zeitmanagement sowie eine höhere Selbstständigkeit erforderlich. Andererseits ist wissenschaftlich belegt, dass die Homeoffice-Tätigkeit zu einer Produktivitätssteigerung führt. Forscher der Universität Stanford haben in einem Versuch 255 Angestellte eines Callcenters in China im Homeoffice arbeiten lassen und ihre Arbeitsleistung untersucht. Das Ergebnis: Die Mitarbeiter, die von zu Hause aus arbeiteten, erhöhten ihre Produktivität um 13 Prozent. Sie waren seltener krank, legten weniger Pausen ein und schafften ein größeres Arbeitspensum als zuvor. Auch ihre Arbeitszufriedenheit stieg an, weshalb 50 Prozent weniger Mitarbeiter kündigten als in der Vergleichsgruppe derer, die weiterhin täglich ins Büro gingen.

Fazit und Ausblick

Nicht zuletzt aus diesen Gründen beabsichtigen viele Unternehmen, die Möglichkeiten des Homeoffice auch in Zukunft zu nutzen, wobei die Affinität zu dieser Arbeitsform von den unterschiedlichen Branchen, den zu erledigenden Arbeitsaufgaben, von kulturellen Faktoren des Unternehmens, aber auch vom Mitarbeitertyp abhängen wird. Die Arbeitnehmer wünschen sich zudem Wahlmöglichkeiten und kein ausschließliches Arbeiten von zu Hause aus oder im Betrieb beziehungsweise im Büro. Die vermehrte Tätigkeit im Homeoffice wird enorme Auswirkungen auf die Mitarbeiterführung haben und zu neuen Formen der Zusammenarbeit führen. Gleichzeitig ist aber auch zu erwarten, dass es zu einer Differenzierung bei der Umsetzung kommen wird und nicht zu einer vollständigen Ersetzung der Büroarbeit. Für die Unternehmen wird es zukünftig darauf ankommen, die richtige Balance zwischen Büro- und Homeoffice- Tätigkeit zu finden, die je nach Unternehmen, Branche und persönlicher Situation unterschiedlich ausfallen kann.

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Zu den Autoren

Dr. Tina Kärcher-Heilemann Weitere Artikel der Autorin
MG
Markus Gloksin

Rechtsanwalt und Fachwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei DREITOR Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB in Reutlingen.

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