Kapitalanlagen - 29. Februar 2024

Das Haftungsrisiko erkennen

Nicht nur durch die Vorgänge rund um die P&R-Gruppe oder Wirecard ist eine mögliche Haftung von Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern, aber auch Rechtsanwälten bei fehlgeschlagenen Finanzanlagen in den letzten Jahren in den Vordergrund gerückt. Auch bei weniger prominenten Fällen führt die Verantwortlichkeit von Berufsträgern immer öfter zur Haftung.

War die Haftung von Berufsträgerinnen und -trägern bei Kapitalanlageangeboten über viele Jahre hinweg eher ein Nischenthema, kommen inzwischen immer häufiger Fälle vor, bei denen die Haftungsfolgen auch aufgrund von Fehlern bei an sich berufstypischer Tätigkeit bejaht werden. Für den Berater ist es daher wichtig, mögliche Problembereiche zu erkennen, um – nicht immer von der Berufshaftpflichtversicherung gedeckte – sensible Tätigkeiten zu identifizieren und entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

Prospekthaftung im engeren und weiteren Sinne

Das Angebot von Kapitalanlagen, jedenfalls soweit es sich an private Anleger richtet, erfordert (heute) in fast allen Bereichen einen in Spezialgesetzen näher geregelten Emissionsprospekt. Dort ist die Haftung jeweils gesondert normiert. Nur noch wenige Anlageformen, wie etwa ein direkter Erwerb von Immobilien zu Kapitalanlagezwecken durch den Anleger, sind durch solche Gesetze noch nicht besonders geregelt. Hier greift aber regelmäßig schon die früh von der Rechtsprechung entwickelte allgemeine oder bürgerlichrechtliche Prospekthaftung. Wirtschaftsprüfer und Steuerberater können dabei Prospektverantwortliche sein, wenn sie offen ausgewiesen als Emittenten, Initiatoren oder Prospektveranlasser hervortreten. Diese Fälle sind jedoch – nicht zuletzt aus berufsrechtlichen Gründen – eher selten. Manchmal spielt aber die mögliche Eigenschaft als sogenannter Hintermann eine Rolle. Auch derjenige, der nicht sichtbar in den Veröffentlichungen hervortritt, jedoch bei dem entsprechenden Angebot eine verdeckte, aber zentrale und steuernde Funktion einnimmt, kann danach Prospektverantwortlicher sein. Derartige Umstände sind in der Praxis durch den einzelnen Anleger oft schwierig nachzuweisen. Ergibt sich aber ein Massenschaden oder kommt es parallel zu strafrechtlichen Ermittlungen, können hier Risiken für denjenigen Berufsträger bestehen, der de facto vom Berater zum Macher geworden ist. Wer im Prospekt oder anderen Unterlagen im Zusammenhang mit einer konkreten fachlichen Aussage zu einem bestimmten Thema als verantwortlich dargestellt ist, kann insoweit schließlich einer beschränkten Expertenhaftung unterliegen. Die schlichte Namensnennung, etwa als Abschlussprüfer oder Steuerberater, reicht aber nicht aus. Die Expertenhaftung führt dazu, dass den Berufsträger eine Verantwortlichkeit für die ihm erkennbar zurechenbaren, fachlichen Bereiche trifft. Sind dort Angaben unrichtig oder unvollständig, ist er insoweit auch Haftungsadressat, was gegebenenfalls zur vollen Rückabwicklung der Anlage auf seine Kosten (sogenannter Zeichnungsschaden) gegenüber dem Anleger führen kann. Vorsicht ist auch bei den früher verbreiteten Wiedergaben von allgemeinen Goodwill-Äußerungen geboten. Der Schluss, dass mangels fachlich konkretisierbaren Inhalts hier keine Haftung entstehen könne, ist falsch. Eher das Gegenteil trifft zu. Wer mit seiner Zustimmung allgemein im Prospekt oder anderen Veröffentlichungen als Fürsprecher des Angebots auftritt, kann zu einer womöglich sogar umfassenden Haftung aufgrund einer Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens herangezogen werden. Entsprechend könnte hier bereits eine Verlautbarung über soziale Medien mit entsprechender Botschaft ausreichen. Dieser Aspekt ist auch für die sogenannte Prospekthaftung im weiteren Sinne entscheidend. Hier geht es darum, dass nicht ein abstrakter Vertrauenstatbestand geschaffen wird, sondern unmittelbar gegenüber potenziellen Anlegern oder mittelbar etwa durch Teilnahme an Vertriebsveranstaltungen eine konkrete, vorvertragliche Vertrauensbeziehung begründet wurde. Dies gilt etwa dann, wenn man individuell einem Anleger eine bestimmte Anlage empfiehlt, aber auch in den Fällen, in denen – etwa in lockerer Atmosphäre – Produktgeber, Vertriebe, Anleger und auch Fachexperten zusammenkommen und Letztere nicht nur neutral zu einem Fachthema sprechen, sondern deren Ausstrahlungswirkung gezielt dazu eingesetzt wird, die Qualität und Seriosität der mittels Prospekt beworbenen Anlage hervorzuheben. Diese Haftung kann selbst dann eingreifen, wenn etwa der entsprechende Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater (nur) zu internen Schulungs- oder Vertriebsveranstaltungen eingeladen wird und dies zugleich dazu dienen soll, dass die entsprechenden Vermittler oder Berater auch mit der Fachkunde und dem Renommee des Berufsträgers gegenüber ihren potenziellen Kunden werben.

Neuere Rechtsprechung zur Abgrenzung

Aktuell hat die Rechtsprechung gerade im Hinblick auf Haftungsfälle von Berufsträgern das umstrittene rechtssystematische Verhältnis von spezialgesetzlich geregelter Prospekthaftung und allgemeiner Prospekthaftung im engeren und im weiteren Sinne wieder aufgegriffen. Die Tendenz geht dahin, in den Fällen ausschließlicher Verwendung fehlerhafter Prospekte oder anderer Pflichtdokumente der heute schon weitverzweigten spezialgesetzlichen Prospekthaftung den Vorrang vor allgemeinen Haftungstatbeständen zu geben, sodass diese bis auf deliktische Ansprüche verdrängt werden. Bedeutung hat dies zum Beispiel beim Grad des zu einer Haftung notwendigen Verschuldens, der Kausalität und – insbesondere noch bei Altfällen – auch bei Verjährungsfragen. Wenn allerdings mit persönlichem Vertrauen oder der Reputation außerhalb eines Prospekts beziehungsweise nicht lediglich durch dessen Übergabe geworben wurde, greifen die allgemeinen Haftungstatbestände auch nach der neueren Rechtsprechung daneben noch durch.

Haftung als Abschlussprüfer

Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers und seiner Gehilfen ergibt sich aus § 323 Handelsgesetzbuch (HGB). Prüfungen können nach allgemeinen handelsrechtlichen Regelungen verpflichtend sein, aufgrund kapitalmarktrechtlicher Sonderbestimmungen, obwohl sie allgemein handelsrechtlich nicht geboten wären oder auf rein freiwilliger Basis erfolgen. § 323 Abs. 1 S. 3 HGB schränkt den Kreis der ersatzberechtigten Personen jedoch auf die zu prüfende Gesellschaft sowie verbundene Unternehmen ein, wenn diese geschädigt worden sind; die Gesellschafter oder Anleger gehören hierzu nicht. Damit scheidet § 323 HGB seinem Wortlaut nach zumindest für die erstgenannte Fallgruppe der handelsrechtlichen Pflichtprüfungen als Anspruchsgrundlage für geschädigte Anleger aus und verdrängt auch anderweitige ähnliche Anspruchsgrundlagen. Für die zweitgenannte Fallgruppe ist dies umstritten und für die dritte Fallgruppe der rein freiwilligen Prüfungen wird eine Anwendbarkeit, aber auch die Sperrwirkung von § 323 HGB verneint. Gerade dann, wenn das Prüfungsergebnis bestimmungs- oder sogar pflichtgemäß den Anlegern im Vorfeld ihrer Anlageentscheidung zur Kenntnis gebracht wurde, kommt ergänzend die Rechtsfigur eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht. Denn der Abschlussprüfer weiß in diesen Fällen regelmäßig, dass seine Tätigkeit den zukünftigen Anlegern als Informationsquelle dienen soll. Eine entsprechende Haftung kommt also immer dann in Betracht, wenn außerhalb des Bereichs der Pflichtprüfungen ein entsprechender Mandatsvertrag zumindest auch auf die ordnungsgemäße Information der Anleger gerichtet ist. Der häufige Einwand, die Repräsentanten des zu prüfenden Unternehmens hätten ihrerseits doch die nicht aufgedeckten, negativen Umstände durchaus gekannt, greift nicht. Ein solcher Einwand könnte zwar dem betroffenen Unternehmen selbst entgegengehalten werden; aber bejaht man die drittschützende Wirkung zugunsten der Anleger, wäre dies gerade vom besonderen Schutzzweck gegenüber diesen gedeckt. War die Geschäftsführung hingegen tatsächlich gutgläubig, kann sie eine beanstandungsfreie Abschlussprüfung – auch wenn sie objektiv fehlerhaft war – insoweit sogar vom Vorwurf eines Verschuldens im Rahmen der dortigen Prospekthaftung entlasten. Solche Fälle sind zwar selten, aber in der Praxis schon durchaus vorgekommen.

Deliktische Haftung und Strafrecht

Darüber hinaus geht die Rechtsprechung zunehmend auch von einer deliktischen Haftung der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln aus. Zum einen geschieht dies über § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), der allerdings eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung voraussetzt. Eine solche qualifizierte Pflichtverletzung mit Blick auf die Anleger erscheint zwar selbst bei einem pflichtvergessenen Prüfer, der im Zweifelsfall darauf hoffen wird, dass trotzdem alles gut geht, als eher unwahrscheinlich. Die Rechtsprechung hat jedoch speziell in diesem Bereich inzwischen ihre Anforderungen deutlich gesenkt. So reicht es mittlerweile schon aus, dass der Abschlussprüfer seine Tätigkeit qualifiziert nachlässig erledigt habe. Ein objektiv unrichtiger Bestätigungsvermerk genügt zwar nicht; wenn aber leichtfertig und gewissenlos gehandelt wurde, kommt es nicht zwingend auf die konkrete Vorstellung der Schädigung einer Anlegergruppe an. Es reiche aus, wenn in Kenntnis der Bedeutung des Testats ins Blaue hinein gehandelt wurde. Diese in der Rechtsprechung im Vordringen befindliche Herleitung wird allerdings durch die in diesem Bereich besonders diskutierte Kausalitätsfrage zum Teil wieder eingeschränkt. So stellen die Gerichte – vielleicht auch als Ausgleich für die Ausweitung dieser Haftungsbegründung im Übrigen – relativ hohe Anforderungen daran, dass der geschädigte Anleger das unrichtige Testat tatsächlich kannte und zur Grundlage seiner individuellen Anlageentscheidung gemacht hat. Schließlich kommt auch eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem entsprechenden Schutzgesetz in Betracht. Schutzgesetze sind Gesetze, die eine Entstehung entsprechender Schäden verhindern sollen, wie etwa Vorschriften des Emissionsrechts. Auch strafrechtliche Normen kommen in Betracht. Die aktuelle Rechtsprechung hat nicht nur die allgemeinen Straftatbestände, wie Beihilfe zum Betrug nach § 263 Strafgesetzbuch (StGB) oder Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB), als Schutzgesetze zugunsten der Anleger angesehen, sondern auch den speziellen prüfungsrechtlichen Straftatbestand des § 332 HGB, soweit bei einer handelsrechtlichen Pflichtprüfung eine zumindest bedingt vorsätzliche Pflichtverletzung vorlag. Diese deliktische Haftung kommt prinzipiell sogar gegenüber einem Erwerber auf dem Sekundärmarkt in Betracht. Dies kann das wirtschaftliche Haftungsrisiko vervielfachen.

Was schützt?

Die profane Antwort lautet, seine Tätigkeit gewissenhaft und fehlerfrei auszuüben. Hinzukommen sollte eine gesunde Vorsicht in jenen Fällen, in denen die fachliche Expertise und das eigene Renommee als gezieltes oder verdecktes Marketinginstrument – sei es auch nur mittelbar – genutzt werden, um Anleger zusätzlich zur Anlageentscheidung zu beeinflussen. Gerade hier sind aufgrund der digitalen Kommunikation sowie der Verbreitung der sozialen Medien zunehmend subtile Formen denkbar, bei denen das Einverständnis zur Verbreitung nur sehr zurückhaltend, wenn überhaupt, durch den Berufsträger erteilt werden sollte. Entsprechende Vertragsklauseln im Verhältnis zum Auftraggeber oder zu den weiteren Projektbeteiligten helfen dagegen oft weniger als erhofft. Dies gilt sowohl für Eingrenzungen des Leistungs- und Verantwortungsumfangs als auch für Klauseln, die eine Haftung für Pflichtverletzungen ausschließen oder zumindest zeitlich, sachlich in Bezug auf den Verschuldensgrad oder eventuelle wirtschaftliche Haftungsfolgen begrenzen sollen. Zum Teil steht solchen Klauseln schon zwingendes Recht, wie etwa das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, entgegen. Von noch größerer Bedeutung ist aber der Umstand, dass solche Einschränkungen – selbst, wenn sie gegenüber dem unmittelbaren Vertragspartner wirksam sein sollten – meist nicht dem Anleger entgegengehalten werden können. Außerdem können sogenannte Kardinalpflichten nicht wirksam eingeschränkt werden. Die deliktische Haftung ist zudem ohnehin vertragsfest. Nur begrenzt haftungsentlastend wirkt schließlich die Berufshaftpflichtversicherung, unabhängig von der Höhe der Deckungssumme. Denn viele der skizzierten Haftungstatbestände setzen gerade von der Versicherung nicht umfasste Tätigkeiten beziehungsweise besondere Verschuldensgrade voraus. Zum Teil sind diesbezügliche Haftungstatbestände auch explizit in den neueren Versicherungsbedingungen ausgeschlossen, nachdem die Versicherer hier unangenehme Erfahrungen machen mussten. Es bleibt dann nur noch die Empfehlung qualifizierter Unterstützung durch eine einschlägig spezialisierte Rechtsberatung, die nach Möglichkeit die inhaltlichen Fragen des Kapitalanlagerechts ebenso abdecken sollte wie die des Berufsrechts und schließlich auch Kenntnisse und Erfahrungen in Haftungssachen sowie in entsprechenden Prozessen einschließlich der gegebenenfalls strafrechtlichen Bezüge haben sollte.

Zum Autor

TZM
Prof. Dr. Thomas Zacher MBA

Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht sowie für Bank- und Kapitalmarktrecht. Er ist spezialisiert auf Fragen des Kapitalanlage- und Steuer(straf)rechts.

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