In den vergangenen Jahren erging zum Urlaub, einem der für die Parteien des Arbeitsverhältnisses wichtigsten Themen, eine Reihe von relevanten Entscheidungen mit Auswirkungen auf die Praxis.
Nicht umsonst oder zufällig handelt es sich beim Urlaub um den Dauerbrenner im Arbeitsrecht schlechthin. Daher ist ein kurzer Überblick über die wichtigsten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Urlaubsrecht innerhalb der letzten drei Jahre angebracht.
Verfall von Urlaub
In der Praxis ist immer wieder festzustellen, wie unachtsam viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber damit umgehen, dass ihre Arbeitnehmer ihren Urlaub auch tatsächlich einbringen. Vor der Änderung der Rechtsprechung im Jahre 2019 sollte dies für den Arbeitgeber noch relativ unschädlich sein, denn damals galt: Wer seinen Urlaub nicht beantragt, riskiert, dass er am Jahresende oder spätestens mit Ablauf des Übertragungszeitraums gemäß § 7 Abs. 3 S. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) verfällt. Die Initiativlast lag beim Arbeitnehmer. Nun kam es jedoch zu einer neuen Rollenverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Inanspruchnahme von Urlaub. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub erlischt jetzt nur dann am Ende des Kalenderjahrs oder des Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (BAG, Urteil vom 19.02.2019 – 9 AZR 423/16). Der Arbeitgeber muss daher nun sogenannte Mitwirkungsobliegenheiten bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers erfüllen. Tut er das nicht, kann es zu andauerndem Ansammeln von Urlaubsansprüchen kommen. Um dies zu vermeiden, ist der Arbeitgeber nun gehalten, den Arbeitnehmer aufzufordern, den Urlaub zu nehmen, und ihm dabei klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahrs oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht beantragt.
Die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten des Arbeitgebers bestehen auch, wenn und solange der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist (BAG, Beschluss vom 07.07.2020, 9 AZR 401/19). Wie der Arbeitgeber dem nachkommt, bleibt ihm überlassen, jedoch muss das Vorgehen des Arbeitgebers stets geeignet sein, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, in Kenntnis aller relevanten Umstände frei darüber zu entscheiden, ob er seinen Urlaub in Anspruch nimmt. Die Beweislast für die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten trägt der Arbeitgeber. Wie der Arbeitgeber das konkret erfüllen kann, lässt die Rechtsprechung bis auf einzelne Entscheidungen noch offen. Klar ist, dass abstrakte Angaben im Arbeitsvertrag oder in Betriebsvereinbarungen nicht ausreichen. Nicht empfehlenswert ist es zudem, sich auf die Urlaubsangaben in der Gehaltsabrechnung zu verlassen, da die in einer Entgeltabrechnung enthaltene Mitteilung einer bestimmten Anzahl von Urlaubstagen regelmäßig eine Wissens- und keine Willenserklärung des Arbeitgebers darstellt (BAG, Urteil vom 19.03.2019 – 9 AZR 881/16). Ihr kommt in aller Regel nicht der Bedeutungsgehalt zu, der Arbeitgeber wolle den ausgewiesenen Urlaub auch dann gewähren, wenn er ihn nicht schuldet. Am rechtssichersten dürfte letztlich ein separates, konkretes und in sich geschlossenes Unterrichtungsschreiben an den Arbeitnehmer sein. Da viele Unternehmen diese neuen Mitwirkungsobliegenheiten in der Vergangenheit oft nicht erfüllt haben dürften und ein Vertrauensschutz durch die alte Rechtsprechung nicht besteht (BAG, Urteil vom 26.05.2020 – 9 AZR 259/19), stellt sich die Frage, ob aufgekommene Altfälle von nicht verfallenem Urlaub wenigstens der Verjährung unterliegen. Laut BAG hängt diese Frage von der Auslegung des Unionsrechts ab. Der 9. Senat des BAG hat deshalb ein Vorabent scheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gerichtet. Eine Entscheidung steht noch aus.
Verfall von Urlaubsabgeltungsansprüchen
Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung kann zumindest bereits sowohl tariflichen (BAG, Urteil vom 27.10.2020 – 9 AZR 531/19) als auch vertraglichen Ausschlussfristen (BAG, Urteil vom 09.03.2021 – 9 AZR 323/20) unterliegen. Beim Anspruch auf Urlaubsabgeltung handelt es sich nämlich um einen reinen Geldanspruch, der auf Auszahlung der Urlaubstage, die aufgrund Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr während des laufenden Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer genommen werden konnten, gerichtet ist. Als solcher kann er wie jeder andere Geldanspruch aus dem Arbeitsverhältnis Ausschlussfristen unterliegen. Die Ausschlussfristen müssen jedoch ihrerseits wirksam sein.
Vererbbarkeit von Ansprüchen
Analog zum Verfall des Urlaubs wurde 2019 die Entscheidung zur Vererbbarkeit von Urlaubsansprüchen getroffen. Endet das Arbeitsverhältnis mit dem Tod des Arbeitnehmers, haben dessen Erben Anspruch auf die Abgeltung des vom Erblasser nicht genommenen Urlaubs (BAG, Urteil vom 22.01.2019 – 9 AZR 149/17). Die Abgeltung des Urlaubs setzt nämlich ausschließlich voraus, dass das Arbeitsverhältnis – gleich aus welchem Grund – beendet ist und der Arbeitnehmer den Jahresurlaub nicht genommen hat, auf den er bis dahin Anspruch hatte. Der vermögensrechtliche Bestandteil des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub darf auch durch den Tod des Arbeitnehmers nicht rückwirkend entzogen werden. Dies ist bei der Abwicklung von Arbeitsverhältnissen verstorbener Arbeitnehmer stets zu beachten.
Sonderurlaub
Besteht auch ohne Arbeit ein Urlaubsanspruch? Eine in diesem Zusammenhang überaus einschneidende Änderung der Rechtsprechung des BAG betraf den sogenannten unbezahlten Sonderurlaub, wie er vielfach im Rahmen eines Sabbaticals mit Arbeitnehmern vereinbart wird. 2014 hielt das BAG noch daran fest, dass eine Vereinbarung über das Ruhen des Arbeitsverhältnisses auf das Entstehen von Urlaubsansprüchen keine Auswirkungen hat und dies sogar durch einen Tarifvertrag nicht wirksam ausgeschlossen werden kann. Der Arbeitnehmer behielt uneingeschränkt seinen Urlaubsanspruch. Fünf Jahre später wurde hieran nicht mehr festgehalten. Vielmehr ist wie bei einem regulären Teilzeitarbeitsverhältnis von einer Anpassung des Urlaubsanspruchs im Vergleich zum Vollzeitarbeitsverhältnis auszugehen. Dabei ist der Zeitraum des Sonderurlaubs bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs mit null Arbeitstagen in Ansatz zu bringen, sodass ein Urlaubsanspruch für die Zeit des Sonderurlaubs deshalb regelmäßig nicht besteht (BAG, Urteil vom 19.03.2019 – 9 AZR 406/17).
Altersteilzeit
In Bestätigung und Fortführung dieser Entscheidung zum Sonderurlaub entstehen in der Freistellungsphase bei der Altersteilzeit im Blockmodell ebenfalls keine Urlaubsansprüche. Ein Arbeitnehmer, der sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindet, erwirbt mangels Arbeitspflicht keinen gesetzlichen Urlaubsanspruch. Vollzieht sich der Wechsel von der Arbeits- zur Freistellungsphase im Verlauf des Kalenderjahrs, ist der gesetzliche Urlaubsanspruch anteilig nach Zeitabschnitten zu berechnen, wobei die Freistellungsphase bei der Berechnung wieder mit null Arbeitstagen in Ansatz zu bringen ist (BAG, Urteil vom 03.12.2019 – 9 AZR 33/19).
Elternzeit
Während der Elternzeit ruht das Arbeitsverhältnis, die Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses sind aufgehoben. Dennoch entstehen im Unterschied zu den voranstehenden Entscheidungen Urlaubsansprüche. Der Arbeitgeber hat hier jedoch gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) die Möglichkeit, den Erholungsanspruch, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen. Laut Rechtsprechung des BAG vom 19. März 2019 (Az.: 9 AZR 362/18) steht diese Vorschrift im Einklang mit dem höherrangigen Unionsrecht. Der Erholungszweck des unionsrechtlich verankerten Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub beruhe auf der Prämisse, dass der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat. Das Kürzungsrecht des Arbeitgebers trägt spiegelbildlich dem Umstand Rechnung, dass die Arbeitspflicht während der Elternzeit ruht. Die gesetzliche Kürzungsbefugnis vermeidet daher ein Ansammeln von Urlaub gegen den Willen des Arbeitgebers für Zeiten, in denen die Arbeitspflicht elternzeitbedingt ruht. Die Kürzungsbefugnis muss der Arbeitgeber allerdings ausüben. Es handelt sich um eine rechtsgeschäftliche Erklärung, die dem Arbeitnehmer zugehen muss und längstens bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärt werden kann. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht keine Kürzungsmöglichkeit mehr. Wurde der Urlaub demgemäß nicht rechtzeitig gekürzt, verliert der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch nicht.
Kurzarbeit
Bisher nur zweitinstanzlich wurde für den Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit Null entschieden: Für Zeiträume, in denen Arbeitnehmer aufgrund konjunktureller Kurzarbeit Null keine Arbeitspflicht haben, ist der jährliche Urlaubsanspruch anteilig zu kürzen. Unter Kurzarbeit wird allgemein eine vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen normalen Arbeitszeit verstanden. Mit der Vereinbarung einer Kurzarbeit Null einigen sich die Parteien auf eine vorübergehende Suspendierung der Arbeitspflicht. Während der Dauer dieser Vereinbarung muss der betreffende Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringen. Da folglich keine ganzjährige Arbeitspflicht besteht, hat grundsätzlich auch hier eine jahresbezogene Umrechnung zu erfolgen (LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2021 – 6 Sa 824/20). Angesichts der dargestellten Entscheidungen des BAG und der Vereinbarkeit dieser Kürzungsmöglichkeit bei Kurzarbeit Null mit Unionsrecht dürfte eine anderslautende Bewertung durch das BAG derzeit nicht zu erwarten sein.