Klimaschutzgesetz - 29. April 2024

Nach BVerfG-Ablehnung: Bundestag beschließt Reform des Klimaschutzgesetzes

BRRAK, Mitteilung vom 29.04.2024

Der Bundestag hat am Freitag, 26. April 2024, das umstrittene Klimaschutzänderungsgesetz (KSG) der Bundesregierung verabschiedet (20/8290, 20/8670, geändert durch den Ausschuss für Klimaschutz und Energie 20/11183). Für das Gesetz votierten die Koalitionsfraktionen, die Opposition stimmte dagegen.

Mit Beschluss vom 25. April hatte das BVerfG den Antrag des CDU-Abgeordneten Thomas Heilmann auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antrag war darauf gerichtet, dem Bundestag die zweite und dritte Lesung sowie Abstimmung über das Klimaschutzänderungsgesetz zu untersagen (Beschluss vom 25.04.2024, Az. 2 BvE 3/24).

Was mit dem Gesetz geändert werden soll

Im bisherigen Klimaschutzgesetz (KSG) ist festgehalten: Verfehlen einzelne Sektoren gesetzliche Vorgaben zum Kohlendioxidausstoß, müssen die entsprechenden Ministerien im nachfolgenden Jahr Sofortprogramme vorlegen. Mit der Reform soll die Einhaltung der Klimaziele nun nicht mehr rückwirkend nach Sektoren kontrolliert werden, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Entscheidend ist, dass Klimaziele insgesamt erreicht werden. Wenn sich in zwei aufeinander folgenden Jahren abzeichnet, dass die Bundesregierung das Klimaziel für das Jahr 2030 nicht erreichen wird, muss sie nachsteuern. Konkrete Zielvorgaben für einzelne Bereiche wie Verkehr und Industrie sollen aber künftig entfallen. Dies hat zur Folge, dass einzelne Sektoren die Klimaziele verfehlen dürfen, solange die Gesamtemissionen noch innerhalb des Rahmens bleiben.

Im vergangenen Jahr verfehlten der Verkehrs- sowie der Gebäudebereich die Vorgaben. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte daher harte Maßnahmen bis hin zu Fahrverboten am Wochenende ins Spiel gebracht, um die Dringlichkeit einer Reform zu unterstreichen. Schließlich hätte sein Ministerium – entsprechend dem bisherigen Gesetz – spätestens im Sommer ein Sofortprogramm vorlegen müssen, um die Klimaziele noch einzuhalten.

Bis 2030 muss Deutschland laut KSG seinen Treibhausgas-Ausstoß um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Bis 2040 sollen die Emissionen um 88 Prozent sinken und bis 2045 soll Treibhausgasneutralität erreicht werden – dann dürften also nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden als auch wieder gebunden werden können.

Entscheidung des BVerfG

Der CDU-Abgeordnete Heilmann hatte versucht, die zweite und dritte Lesung sowie die Abstimmung über das Gesetz kurzfristig vor dem BVerfG mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stoppen. Das BVerfG lehnte seinen Antrag jedoch am Vorabend der Abstimmung ab. Die kurze Begründung: „weil der Antrag in der Hauptsache derzeit von vornherein unzulässig ist.“

Heilmann hatte sich durch die seiner Ansicht nach übereilte Zeitplanung in seinen Rechten als Abgeordneter „auf Beratung sowie auf gleichberechtigte Teilhabe als Abgeordneter an der parlamentarischen Willensbildung“ verletzt gesehen. Mit einer ähnlichen Begründung hatte er im vergangenen Jahr den Beschluss des umstrittenen Gebäudeenergiegesetzes (Heizungsgesetz) noch vor der Sommerpause vor­über­ge­hend verhindert. Auch nun kritisierte er, dass die Beratungszeit für ihn als Abgeordneten zu kurz gewesen sei.

Am 22. September 2023 hatte die erste Lesung im Bundestag stattgefunden. Am 8. November 2023 fand im Ausschuss für Klimaschutz und Energie eine Sachverständigen-Anhörung zu diesem Gesetzentwurf statt. Am Freitag, den 19. April 2024, wurde den Mitgliedern des Ausschusses ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen vorgelegt. Lediglich fünf Tage später stimmte die Mehrheit der Ausschussmitglieder der geänderten Fassung im Ausschuss zu, zwei Tage später war die finale Abstimmung geplant. Dieser Zeitraum war Heilmann zu kurz. Am selben Tag reichte Heilman seinen Antrag beim BVerfG ein, drei weitere Unionsmitglieder sowie ein Mitglied der Linke-Gruppe schlossen sich dem an. Nach der Ablehnung durch das BVerfG konnte das Gesetz dann einen Tag später beschlossen werden.

Kritik an der Abschwächung der Sektorenziele

Darüber hinaus bemängelte Heilman aber auch eine Schwächung des Klimaschutzes. Damit ist er nicht allein: Neben Oppositionspolitikern hatten auch zahlreiche Umweltverbände vor einer Abschwächung des Gesetzes gewarnt. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) etwa bemängelt unter anderem, dass der Klimaschutz damit de facto in die Zukunft verschoben werde. Ein Kritikpunkt, der auch in einem offenen Brief von 60 Juraprofessorinnen und -professoren des Verfassungs- und Völkerrechts aufgegriffen wurde.

Dabei betonen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Vorgaben des BVerfG. Dieses hatte im März 2021 klargestellt, dass das Grundgesetz zu wirksamen Maßnahmen gegen die Erderwärmung verpflichtet. Diese Pflicht gelte „auch gegenüber zukünftigen Generationen, deren Möglichkeiten, ihre Freiheitsrechte auszuüben, ohne entsprechende Maßnahmen erheblich beeinträchtigt würden.“

Dabei beziehen sie sich auf das BVerfG-Gebot des „intertemporalen Freiheitsschutzes“. Das bedeutet, dass Deutschland nicht bereits jetzt so viele Treibhausgase emittieren darf, dass das gesamte Restbudget an Emissionen damit aufgebraucht ist und zukünftige Generationen in ihrer Freiheit stark eingeschränkt würden, wollten sie noch das 1,5- bzw. 2-Grad-Ziel einhalten.

Zu diesen Klimazielen heißt es in dem Brief: „Völkerrechtlich hat sich Deutschland konkret zu wirksamen Maßnahmen verpflichtet, um den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2° C über dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, ihn auf 1,5° C zu begrenzen. […] Diese Verpflichtung hat das Bundesverfassungsgericht als Konkretisierung des in Artikel 20a Grundgesetz verankerten Klimaschutzziels angesehen und so die Einhaltung der völkerrechtlichen Vorgaben verfassungsrechtlich abgesichert.“

Die Hochschullehrerinnen und -lehrer forderten die Bundesregierung schließlich auf, „ein effektives Klimaschutzprogramm mit ausreichenden Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaschutzziele und damit der völker- und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen zu beschließen.“

Reaktionen aus den Fraktionen des Bundestags

Katharina Dröge (Grüne) verteidigte das nun beschlossene Gesetz im Bundestag und sagte, mit den in Rede stehenden Veränderungen werde das Klimaschutzgesetz (KSG) „ausschließlich verschärft“. Dennoch hätte sie sich als Grüne mehr Eigenverantwortung der Sektoren gewünscht. Wichtig sei aber doch, dass aufs Ganze gesehen kein Gramm mehr CO2 emittiert werden dürfe als mit dem alten Gesetz. Koalitionspartner Dr. Matthias Miersch (SPD) pflichtete ihr bei: Entscheidend seien nicht die Ziele, sondern die Maßnahmen zu ihrer Erreichung. Der Schlüssel für eine Emissionsminderung in allen Sektoren sei dabei der massive Ausbau der erneuerbaren Energien. Tobias Dürr (FDP) ergänzte, diese Bundesregierung bekenne sich nicht nur zu den Klimazielen, sondern die Ampel steige nach Jahren der Planwirtschaft um auf einen marktwirtschaftlichen, technologieoffenen Klimaschutz.

Von Seiten der Opposition kam hingegen Kritik. Andreas Jung (Union) fand deutliche Worte der Kritik an dem Vorhaben: „Sie entreißen dem KSG das Herzstück“, sagte Jung. „Sie nehmen dem Gesetz die Verbindlichkeit und machen es zu einem Papiertiger.“ Die Ampel verschaffe sich damit selbst einen Freibrief – denn danach müsse sie nichts mehr tun. Janine Wissler von der Gruppe Die Linke sprach von einem „schwarzen Tag für den Klimaschutz“ und einer „Lex Wissing“. Die Ampel höhle ein Gesetz aus, nur weil der Verkehrsminister [nicht] gewillt sei, Maßnahmen zu ergreifen, um in seinem Sektor Treibhausgase einzusparen.

Das Gesetz muss nun noch den Bundesrat passieren, bevor es in Kraft treten kann.

Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer