Bürokratieabbau - 18. April 2024

Letta-Bericht zum europäischen Binnenmarkt

DATEV Informationsbüro Brüssel, Mitteilung vom 18.04.2024

Am 18.04.2024 wurde der lange erwartete sog. Letta-Bericht vorgelegt, der notwendige Maßnahmen für den europäischen Binnenmarkt aufzeigen soll.

Letta konstatiert, dass sich die globale demografische und wirtschaftliche Situation dramatisch verändert hat. Es brauche eine neue umfassende Strategie für den Binnenmarkt für die kommende Legislaturperiode (2024-2029), die die grundlegenden Freiheiten schützt und auf Grundlage eines fairen Wettbewerbs eine dynamische und effektive europäische Industriepolitik etabliert.

Mit dem Bericht werden Maßnahmen vorgestellt zur Erreichung – und Finanzierung – der europäischen Bekenntnisse zu

  • einem gerechten, grünen und digitalen Übergang
  • der Erweiterung
  • der Stärkung der Sicherheit der EU.

Dabei orientiert sich Letta an den vier grundlegenden Freiheiten „Freier Verkehr von Personen (Freizügigkeit), von Waren, Dienstleistungen und Kapital“ und fordert eine neue, fünfte Freiheit „Forschung, Innovation und Bildung“.

Die Finanzierung der ökologischen und digitalen Transition könne nur die Bündelung der Mobilisierung privaten Kapitals, staatlicher Beihilfen sowie öffentlicher Investitionen gestemmt werden. Konkrete Vorschläge sind u. a.:

  • Entwicklung der Spar- und Investitionsunion
  • Förderung der Nutzung des Kapitalmarktes durch KMUs sowie der Schaffung einer EU-Börse für Deep Tech
  • Einführung des digitalen Euro bis 2027

Besonderen Fokus setzt der Bericht auf die Förderung europäischer Unternehmen. Ziel müsse es sein, EU-Unternehmen dabei zu unterstützen, größer zu werden und auf globaler Ebene zu konkurrieren. Dazu brauche es insbesondere Maßnahmen in den Schlüsselbereichen Finanzen, Energie und elektronische Kommunikation. Forderungen sind u. v. a. m.:

  • Umsetzung des Weißbuchs „How to master Europe’s digital infrastructure needs?“
  • Bis 2026: Beseitigung regulatorischer Barrieren für grenzüberschreitende Operationen durch einen gemeinsamen allgemeinen Rahmen für europäische digitale Souveränität und für europäische Cybersicherheit

Außerdem wird die Notwendigkeit unterstrichen, die Teilnahme von KMU am Binnenmarkt zu erleichtern. Hier setzt der Bericht auf einheitliche Rechtsvorschriften:

  • Ein neuer europäischer Kodex für Wirtschaftsrecht soll, als optionales 28. Regime, geschaffen werden und die Belastung durch verschiedene z.T. nationale Rechtsordnungen überwinden. Er soll eine systematische Kodifizierung des bestehenden Rechtsrahmens, Bestimmungen zur Gründung eines vereinfachten europäischen Unternehmens sowie „Innovationen“ zum allgemeinen Handelsrecht, E-Commerce-Recht, Gesellschaftsrecht, Wertpapierrecht, Vollstreckungsrecht, Insolvenzrecht, Bankrecht, Finanzmarktrecht, geistiges Eigentumsrecht, Arbeitsrecht und Steuerrecht enthalten.

Bis zur Schaffung des Kodex bestehe insbesondere in den Bereichen Dienstleistungsfreiheit und Steuern Handlungsbedarf:

  • Überarbeitung der Dienstleistungsrichtlinie von 2006, um weiterhin bestehende Einschränkungen zu überwinden, konkret werden Sektoren genannt, die von spezifischen Richtlinien abgedeckten werden, wie die Abschlussprüfer.
    Die Unterscheidung zwischen Waren und Dienstleistungen sei zunehmend verschwommen, es gebe auch kein einheitliches Regulierungsmuster in der EU: So seien einige Berufe in einigen Mitgliedstaaten reguliert sind, in anderen jedoch nicht. Gleiches gelte für die Anforderungen, die an Personen gestellt werden, die den Beruf ausüben möchten (System zur Anerkennung von Berufsqualifikationen). Die Ausweitung des Systems der automatischen Anerkennung beruflicher Qualifikationen und die Überprüfung der Notwendigkeit und des Umfangs der beruflichen Regulierung sei deshalb nötig.
  • Überwindung der Steuerfragmentierung, insbesondere zum Benefit von KMUs, u. a.
    • Einheitliche Steuerbemessungsgrundlage mit differenzierten Rahmenbedingungen für große Unternehmensgruppen und für KMUs
    • Abschluss laufender legislativer Initiativen im Bereich der Mehrwertsteuer (ViDA)
    • Vereinfachung der Compliance für Unternehmen im MwSt-Bereich
    • engere Verwaltungszusammenarbeit

Im Kontext der Freizügigkeit betont der Bericht, dass dies auch die „Freiheit zu bleiben“ umfasse und fordert, dass die nächste Europäische Kommission einen Vizepräsidenten ernennt, der für die ‚Freiheit zu bleiben‘ verantwortlich ist. Künftige Maßnahmen in diesem Bereich sollten umfassen:

  • Einführung eines speziellen EU-Regimes für „digital cross-border workers“

Außerdem enthält der Letta-Report eine große Anzahl von Empfehlungen zur Verbesserung des europäischen Gesetzgebungsprozesses und der Rechtsdurchsetzung, u. a.:

  • Überarbeitung der Konsultationsprozesse, um die Interessen der Stakeholder besser zu berücksichtigen, u. a. durch Integration eines robusten Risiko-Risiko-Bewertungsansatzes.
  • Die Einführung eines Mechanismus für Dynamische Auswirkungsabschätzungen (Dynamic Impact Assessment, DIA), um die Auswirkungen von Änderungen, die von den Mitgesetzgebern vorgeschlagen werden, vorherzusagen.
  • Das Bekenntnis zum Prinzip der „Nichtzurückweichens“ im Hinblick auf den Binnenmarkt und die Bestätigung der Methode der maximalen Harmonisierung mit gegenseitiger Anerkennung
  • Festlegung verbindlicher Mindestkriterien für die Untersuchung potenzieller Verstöße in allen Mitgliedstaaten, Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens für alle größeren Fälle.
  • Digitalisierung als Mittel zur Beschleunigung von Genehmigungs- und Berichtsverfahren, z. B. Single Digital Gateway (SDG) in Kombination mit dem EUid -Wallet.

Quelle: DATEV eG Informationsbüro Brüssel