Die deutsche Verwaltung muss sich durchgängig digital aufstellen und ihre Prozesse entsprechend gestalten. Ein Anspruch, der durch die jüngsten Krisen neuen Schub erlebt. Nicht zuletzt das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) leistet hierzu einen wichtigen Beitrag.
Der Jahreswechsel ist eine besondere Zeit: Wir lassen die vergangenen 365 Tage Revue passieren, halten für einen Moment inne und nehmen uns Neues vor – oder nicht Erledigtes. Auch die Digitalpolitik hat Hausaufgaben im Heft stehen, die noch nicht ganz vollständig sind: Von durchgängig digitalen Prozessen in der Verwaltung sind wir in Deutschland leider immer noch weit entfernt. Im Digital Economy and Society Index der EU-Kommission belegt Deutschland seit Jahren hintere Plätze bei der Digitalisierung in deutschen Behörden. Die Hälfte aller Verwaltungsleistungen kann nicht online genutzt werden.
Onlinezugangsgesetz nimmt Gestalt an
Da stimmt es mich positiv, dass so etwas Schönes wie Geburten oder auch Eheschließungen seit Kurzem digital beim Standesamt gemeldet werden können. Bürgerinnen und Bürger können zukünftig ihre Personenstandsdaten über ein Verwaltungsportal erfassen und dem zuständigen Standesamt übersenden. Dieses tauscht sich dann mit der jeweiligen anderen Behörde aus – die Daten werden gemäß dem Once-Only-Prinzip des Onlinezugangsgesetzes nur einmal erfasst. Damit Betroffene die Nachweise für die Beurkundung nicht mehr selbst vorlegen müssen, tauschen die verschiedenen Standesämter ihre Registerdaten elektronisch aus. Genau diese Nutzerorientierung fehlte bislang in den digitalen Prozessen der Verwaltung. Ein Grund dafür, dass viele Menschen weiterhin den analogen Kanal bevorzugen. So wird die Online-Ausweisfunktion des Personalausweises bislang nur von sieben Prozent aller Deutschen genutzt, da die Einsatzmöglichkeiten fehlen. Denn digitalisierte Prozesse in der Verwaltung im Jahr 2022 sehen häufig so aus: Man lädt ein Formular von einer Internetseite herunter, füllt eine PDF-Datei aus, druckt diese aus, unterschreibt und verschickt das Ganze per Post.
Nachholbedarf bei digitalen Prozessen
Dass bei der digitalen Modernisierung der Verwaltung Nachholbedarf besteht, hat spätestens die Corona-Pandemie gezeigt. Vormals analoge Informationen müssen digital verfügbar gemacht werden, genauso wie analoge Arbeitsschritte elektronisch ausgeführt werden müssen. Die bisherige Gestaltung der Prozesse wird damit an vielen Stellen radikal hinterfragt, Abläufe müssen neu gedacht werden. Das Onlinezugangsgesetz legt eine Basis, um die Verwaltung bedarfsgerecht und nutzerorientiert zu digitalisieren. Hiermit verpflichten sich Bund, Länder und Gemeinden, Verwaltungsleistungen ab sofort auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten und diese miteinander in einem Portalverbund zu verknüpfen.
beSt geht an den Start
Und auch unser Berufsstand trägt dazu bei, elektronische Kommunikationskanäle als Standard zu etablieren und Verwaltungsleistungen digital anzubieten: Anfang Januar geht das besondere elektronische Steuerberaterpostfach der Bundessteuerberaterkammer – kurz beSt – an den Start. Das beSt ermöglicht einen sicheren Datenaustausch sowie eine medienbruchfreie Zusammenarbeit mit Mandanten, Finanzverwaltung, Gerichten und Dritten. Mit dem Registrierungsbrief, den Steuerberaterinnen und Steuerberater voraussichtlich im ersten Quartal 2023 erhalten, muss das Postfach verpflichtend genutzt werden. Daher gilt es, sich schon jetzt optimal vorzubereiten und alle technischen Voraussetzungen zu schaffen: neben der Fachsoftware die freigeschaltete Online-Ausweisfunktion auf dem Personalausweis, zertifizierte Kartenleser oder andere Endgeräte und die entsprechende App. Mit der einmaligen Identifizierung wird die Berufsträgereigenschaft mit dem Berufsregister der Steuerberaterkammer abgeglichen. In das beSt geht es dann direkt über eine Schnittstelle aus der Fachsoftware.
Berufsstand leistet Beitrag zur Verwaltungsdigitalisierung
Natürlich ist die Vorbereitung für die Einführung des beSt mit Aufwand verbunden, natürlich müssen die zugrunde liegenden Prozesse in den Kanzleien implementiert werden. Deswegen ist es zum einen essenziell, aktiv zu werden, falls noch nicht geschehen. Zum anderen dürfen wir uns aber auch vor Augen führen, dass wir – als Berufsstand und als Genossenschaft – einen Beitrag dazu leisten, sicher und medienbruchfrei elektronisch zu kommunizieren. Und wir gewährleisten damit für unseren Teil durchgängige digitale Prozesse. Selbstverständlich dürfen wir nicht verkennen, dass es noch Hürden zu überwinden gibt, um die Verwaltungsprozesse insgesamt durchgängig digital zu gestalten. Der rechtliche Rahmen, hohe Kosten und die manchmal nur geringe Anwenderorientierung sind einige Stichpunkte.
Ordnungspolitische Akzente erforderlich
Wichtig ist aber zu verstehen, dass Digitalisierung nicht nur eine Aufgabe von IT-Infrastruktur sein kann. Hier geht es neben der Technik immer auch um die beiden anderen Säulen Mensch und Organisation. Staat und Verwaltung müssen selbst den Rahmen für Digitalisierung setzen – durch ordnungspolitische Akzente und durch die Gestaltung vielfältiger, pragmatischer, nutzerfreundlicher Prozesse. Ausgangspunkt und Kernanliegen dieser Anstrengungen ist und bleibt der Mehrwert für Bürger und Unternehmen. Wenn diese gesamtstaatlichen Reformanstrengungen gelingen, erreichen wir auch das Ziel einer sicheren, vertrauensvollen und innovativen Verwaltung. Das elektronische Standesamt wird genau wie das beSt hier nur der Anfang sein.
Ich wünsche Ihnen ein geruhsames Weihnachtsfest, einen friedvollen Jahreswechsel und alles Gute für 2023!