Digitalisierung Ausbildung - 25. Mai 2023

Digitalisieren – und drüber reden

Auszubildende sind ebenso wie Fachkräfte vielerorts gesucht. Wer digital aufgestellt ist, hat im Rennen um die Digital Natives die Nase vorn. Dies könnte unserem Berufsstand neue Chancen im Wettbewerb um die Fachkräfte von morgen eröffnen.

Auf den ersten Blick scheint es ein unauflösbarer Zwiespalt zu sein: Auf der einen Seite verzeichnet die Bundesagentur für Arbeit auf dem Ausbildungsmarkt den positiven Trend, dass immer mehr Ausbildungsstellen gemeldet werden. Im Vergleich zu den Vorjahren gibt es hier ein deutliches Plus, wo in den Vorjahren die Ausbildungsplätze noch rückläufig waren. Auf der anderen Seite steht die weiter zurückgehende Zahl der Bewerberinnen und Bewerber, die dafür sorgt, dass mittlerweile knapp 70.000 Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben. Und das sind nur die, die offiziell bei den Arbeitsagenturen gemeldet werden.

Dramatischer Mangel an Nachwuchs

Hier zeigt sich ein Konflikt, der manche Branchen ganz besonders hart trifft – zum Beispiel baunahe und Metallberufe, das Friseurhandwerk oder auch Hotels und Gaststätten. Dazu kommen erhebliche regionale und qualifikatorische Disparitäten, welche die Situation am Ausbildungsmarkt nicht leichter machen. Auch in den Kanzleien macht sich der Mangel an Nachwuchs inzwischen dramatisch bemerkbar. Unsicherheiten über die Zukunftsfähigkeit des Berufsbilds sowie – möglicherweise – auch althergebrachte Vorstellungen über die Tätigkeiten sorgen dafür, dass potenzielle Auszubildende sich für eine andere Richtung entscheiden. Dabei haben wir als Berufsstand mit inzwischen zahlreichen digitalen Tätigkeiten eine große Chance, diese auf elektronischen Spielwiesen aufgewachsene Generation für uns zu gewinnen. Wir müssen in dieser Vielfalt von digitalen Inhalten unseren Vorsprung erkennen und den Steuerfachleuten von morgen nahebringen. Denn schon jetzt befinden wir uns mit vielen anderen Unternehmen aus anderen Branchen in einem Wettbewerb um die Fachkräfte der Zukunft. Laut einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft nehmen bereits jetzt 39 Prozent der Ausbildungsunternehmen die Gelegenheit wahr und vermitteln so viele digitale Inhalte in digitalen Lernformaten, dass sie als Vorbild dienen können. Ein Großteil dieser Firmen hat die Pandemie genutzt, um sich auf diesem Gebiet weiterzuentwickeln und ihren Auszubildenden künftig mehr bieten zu können – zumal digitale Ausbildungselemente die Lehrzeit in vielfacher Hinsicht attraktiver machen: Arbeitsabläufe werden effizienter, Berufsbilder moderner.

Digitale Ansprache und digitale Inhalte

In unserem Berufsstand ist Digitalisierung längst eine Selbstverständlichkeit – dieses Potenzial müssen wir im Wettbewerb um die jungen Talente heben und einsetzen. Diese jungen Menschen sind Digital Natives, sie erwarten eine digitale Ansprache und digitale Inhalte in der Ausbildung. Der Generation, die auf dem iPad Referate vorbereitet, mit YouTube-Videos für Klausuren lernt und über TikTok auf neue Trends aufmerksam wird, ist es wahrscheinlich noch nicht bewusst, dass digitale Kanzleien ihnen im beruflichen Umfeld viel zu bieten haben.
Hier sollten wir andocken und darüber hinaus bei den aktuell bereits digitalisierten Tätigkeiten nicht stehen bleiben. Denn auch für die Vermittlung der Ausbildungsinhalte in digitaler Form gibt es zahlreiche Weiterentwicklungen. Das gilt auch und gerade für die Ausbildung in Steuerberatungskanzleien, wie die Neuordnung der Ausbildung, die zum August dieses Jahres greift, zeigt. Lesen Sie dazu auch „Ausbildung wird modernisiert“ auf Seite 21.
Kommunikative Fähigkeiten und elektronische Verfahrensabläufe werden in der Ausbildung nun stärker in den Fokus gerückt. Auch hier ist die digitale Palette bunt und zugleich noch lange nicht komplett bemalt.
Klar ist in jedem Fall: Das staubige, altmodische Bild unseres Berufsstands gehört in die analoge Vergangenheit. Digitale Inhalte und digitale Ausstattung sind in den Kanzleien tägliche Routine. Nun müssen wir es schaffen, unsere attraktiven Ausbildungsberufe greifbar zu machen – und das ebenfalls digital. Die hybriden Berufsorientierungswochen, die sich in der Pandemie entwickelt haben, können und sollten hier nur ein Anfang sein. Vielleicht sollten wir zunächst die künftig besonders gefragten Kompetenzen, die sogenannten Future Skills, mit unserem Berufsstand sichtbar verknüpfen. Diese spiegeln sich bereits im neuen Lehrplan: Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz werden gleichwertig berücksichtigt und entwickelt. Bewerber entscheiden sich dann für uns, wenn sie den gemeinsamen Weg für zukunftsfähig halten. Helfen wir den Steuerfachleuten von morgen, dies zu erkennen.

Folgen Sie mir auf Twitter oder LinkedIn

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist mayrkolumnetwitterlinkedin-1-1024x78.jpg

Twitter.com/Dr_Robert_Mayr

LinkedIn.com/in/Dr-Robert-Mayr

Zum Autor

Prof. Dr. Robert Mayr

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater
CEO der DATEV eG; Die Genossenschaft gehört zu den größten Softwarehäusern und IT-Dienstleistern in Deutschland.
Seine Themen: #DigitaleTransformation, #DigitalLeadership, #Plattformökonomie und #BusinessDevelopment.
Seine These: „Die digitale Transformation ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens“

Weitere Artikel des Autors